LEINFELDEN-ECHTERDINGEN (dpa-AFX) - Der Lkw- und Bushersteller Daimler Truck ist seit Dezember auf eigene Füße gestellt. Das könnte ihm gegenüber Mercedes-Benz - dem in der Allgemeinheit bekannteren Teil des ehemaligen Daimler-Konzerns - zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen, auch und gerade an der Börse. Die besten Startbedingungen hat der Weltmarktführer bei schweren Lkw nicht gerade, das Management hat sich aber ambitionierte Ziele gesetzt. Was das Unternehmen vor der Bilanzpressekonferenz an diesem Donnerstag (24. März) umtreibt, was Analysten sagen und wie die Aktie läuft.

DAS IST LOS IM UNTERNEHMEN:

Einen ersten Erfolg kann Daimler-Truck-Chef Martin Daum schon verbuchen: Wie in den Plänen zur Aufspaltung vorgesehen, ist der Nutzfahrzeughersteller seit dieser Woche im Leitindex Dax an der Frankfurter Börse notiert. Das war den Investoren auch so in Aussicht gestellt worden, als der ehemalige Daimler-Konzern - heute Mercedes-Benz - die Daimler-Truck-Anteile im Dezember via Spin-Off zum größeren Teil an die Aktionäre verteilte. 35 Prozent der Aktien gehören noch Mercedes-Benz, 5 Prozent davon einem Pensionsfonds des Konzerns. Eine harte Haltefrist für die Papiere läuft 12 Monate seit Börsengang, eine erweiterte 36 Monate.

Daimler Truck hat sich im Zuge der Abspaltung vom ehemaligen Mutterkonzern auf einem Investorentag im November bereits eine Reihe an Unternehmenszielen gesetzt, darunter auch schon für 2022. Diese könnten nach Analystenmeinung schon wieder auf der Kippe stehen. Im abgelaufenen Jahr kam das Unternehmen nach einem schwachen vierten Quartal nur auf rund 455 000 abgesetzte Lkw und Busse - das war zwar ein Fünftel mehr als im sehr schwachen ersten Corona-Jahr 2020, aber auch am unteren Ende der ausgerufenen Verkaufsziele. Der Chipmangel schlug dem Konzern dabei stark ins Kontor.

Der Ausbruch des Ukraine-Kriegs mit seinen möglichen Folgen auf die Rohstoffversorgung und Energiepreise kommt nun noch hinzu. In Russland stellte das Unternehmen seine Geschäfte mittlerweile ein, wie viele andere Firmen aus der Branche auch.

Wie genau das vergangene Jahr am Ende auch ausgefallen ist: Anleger werden genau beobachten, wie sich der Konzern in seinem ersten vollen Jahr der Unabhängigkeit am Kapitalmarkt schlägt. Finanzchef Jochen Goetz ging im November von stabilen Märkten für Schwerlaster in den USA und Europa aus. Umsatz und bereinigtes operatives Ergebnis hätten damit deutlich steigen sollen. Die um Sondereffekte bereinigte Marge vor Zinsen und Steuern im Fahrzeuggeschäft sollte 7 bis 9 Prozent betragen und damit auch etwas höher liegen als die Planungen für 2021. Wie genau sich die Liefersituation bei Halbleitern und die Verwerfungen durch den Ukraine-Krieg auf die Pläne auswirken, dürfte das Management am Donnerstag erläutern.

Mittelfristig will Daimler Truck vor allem robuster werden, was schwache Marktphasen angeht. Wie früher auch beim Pkw-Konzernteil Mercedes-Benz bemängeln Analysten seit langem eine zu hohe Kostenbasis vor allem in Europa. Unternehmenschef Daum will daher an der Kostenschraube drehen.

Die Fixkosten sollen zwischen 2019 und 2023 um 15 Prozent sinken. Das soll es dem Unternehmen ermöglichen, künftig auch bei schlechten Rahmenbedingungen im Fahrzeuggeschäft eine operative Umsatzrendite von 6 bis 7 Prozent einzufahren. In guten Marktphasen sollen es dann prozentual zweistellige Margen sein. Die Renditeperle ist dabei das Geschäft in Nordamerika. Aus der starken Stellung mit seinen dortigen Lkw-Marken Freightliner und Western Star sowie dem Bushersteller Thomas Built ziehen die Schwaben auch weltweit ihren Führungsanspruch bei schweren Nutzfahrzeugen.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Erwann Dagorne von der britischen Barclays-Bank erwartet, dass die operative Marge wegen des schwachen Abschneidens im Schlussquartal unter Druck gekommen ist. Die Zahl der unfertigen Trucks liege immer noch recht hoch, was für eine reduzierte Profitabilität spreche. Er geht nur von 6,1 Prozent operativer Marge im Gesamtjahr im Fahrzeuggeschäft aus, was dem unteren Ende der Prognosespanne entspricht.

Für das laufende Jahr rechnet DZ-Bank-Experte Michael Punzet mit einer Änderung der Prognose. Zwar könnte das Unternehmen aus seiner Sicht vom hohen Auftragsbestand profitieren. Die Liefer- und Logistikprobleme sowie gestiegene Kosten infolge des Ukraine-Konflikts sollten Produktion und Absatz jedoch weiter belasten. Den Umsatz- und Ergebnisanteil in und mit Russland schätzt der Experte auf unter 5 Prozent.

Die von Bloomberg in den vier Wochen bis Dienstag befragten Analysten rechnen beim Konzernergebnis vor Zinsen und Steuern im vergangenen Jahr auch dank positiver Sondereffekte mit 3,5 Milliarden Euro. Den Umsatz erwarten die Experten bei gut 39,5 Milliarden Euro und damit etwas über der in Aussicht gestellten Spanne.

Die 16 von dpa-AFX erfassten Analystenmeinungen zu Daimler Truck seit dem Börsengang sind durchweg positiv - 15 Mal lautet die Empfehlung, das Papier zu kaufen. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei gut 42 Euro.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Aktien starteten im Handel am 10. Dezember bei 28 Euro. In den ersten Wochen kletterten die Papiere um rund ein Viertel, ihr Hoch markierten sie Mitte Januar bei 35,755 Euro. Mit der Verschärfung der Krise in Osteuropa und schließlich dem Kriegsausbruch fielen sie aber deutlich ab.

Mittlerweile liegt der Kurs bei rund 24 Euro. Damit wird Daimler Truck an der Börse noch mit rund 20 Milliarden Euro bewertet. Rivale Traton (MAN, Scania, Navistar), der zu knapp 90 Prozent dem Volkswagen-Konzern gehört, kommt derzeit mit 9,3 Milliarden Euro Börsenwert knapp auf die Hälfte./men/jcf/jha/