LEINFELDEN-ECHTERDINGEN (awp international) - Der Lkw- und Bushersteller Daimler Truck geht trotz des Ukraine-Kriegs und Problemen in der Chipversorgung selbstbewusst in sein erstes eigenständiges Jahr. Das Management um Chef Martin Daum rechnet damit, dass die Lieferketten von Daimler Truck durch den Krieg nicht signifikant beeinflusst werden, wie das im Dax notierte Unternehmen am Donnerstag in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart mitteilte. Zwar werde die Halbleiterknappheit vor allem im ersten Quartal noch den Absatz belasten. Insgesamt sollten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den wichtigsten Märkten aber weiter normalisieren.

Die Daimler-Truck-Aktie legte am Vormittag um gut mehr als sech Prozent auf 25,50 Euro zu, was mit Abstand den ersten Platz im Dax bedeutete. Ein Händler sprach davon, dass der Ausblick auf dieses Jahr Spielraum für eine moderate Erhöhung der Markterwartungen liefere. Das Papier war in den vergangenen Wochen deutlich unter Druck geraten, nachdem sich die Krise in Osteuropa zum Krieg entwickelt und sich die Aussichten für die Automobilindustrie verdüstert hatten.

Im Dezember hatte der ehemalige Daimler-Konzern, der heute unter Mercedes-Benz firmiert, das Geschäft mit Lkw und Bussen abgespalten und die Anteile an Daimler Truck grossteils an die eigenen Aktionäre verteilt. Gestartet war die Daimler-Truck-Aktie mit einem Kurs von 28 Euro, zwischenzeitlich war sie bis auf fast 36 Euro gestiegen. Seit Anfang dieser Woche ist Daimler Truck im Leitindex Dax gelistet.

"Mit Blick auf das Jahr 2022 konzentrieren wir uns auf jene Faktoren, die wir selbst in der Hand haben, um unser Gewinnpotenzial weiter zur Entfaltung zu bringen", sagte Daum. Weder die Covid-19-Pandemie noch der Krieg in der Ukraine sollen das Unternehmen dabei bremsen und negative Auswirkungen auf die generelle Marktentwicklung haben. Daimler Truck hat wegen des Krieges alle geschäftlichen Aktivitäten in Russland vorerst eingestellt. Daum hat sich insbesondere Einsparungen bei den Fixkosten vorgenommen, die Investoren vor allem im europäischen Segment seit langem bemängeln.

Der Absatz dürfte laut den Planungen auf 500 000 bis 520 000 Fahrzeuge anziehen - Nordamerika ist dabei der grösste Markt für den Weltmarktführer bei schweren Lkw. Den Umsatz will Daimler Truck in diesem Jahr auf überraschend hohe 45,5 bis 47,5 Milliarden Euro steigern. Das Ziel für die Profitabilität - nämlich im Fahrzeuggeschäft die um Sondereffekte bereinigte Ergebnismarge vor Zinsen und Steuern auf 7 bis 9 Prozent zu heben - behält die Konzernleitung bei. Einige Finanzexperten hatten damit gerechnet, dass Daimler Truck die Ergebnisprognose wegen der Widrigkeiten rund um Elektronikchips und wegen des Kriegsausbruchs eindampft.

Im vergangenen Jahr hatte Daimler Truck den Absatz gegenüber dem sehr schwachen Corona-Jahr 2020 um rund ein Fünftel auf 455 400 Lkw und Busse gesteigert, hatte aber im zweiten Halbjahr spürbare Probleme mit Lieferengpässen in der Halbleiterversorgung. Der Umsatz kletterte im Gesamtjahr um 10 Prozent auf 39,8 Milliarden Euro.

Die bereinigte operative Marge im Fahrzeuggeschäft erreichte 6,1 Prozent nach schwachen 1,9 Prozent ein Jahr zuvor. Bereinigt um Sonderfaktoren erzielte Daimler Truck vor Zinsen und Steuern im Fahrzeuggeschäft einen Betriebsgewinn von 2,36 Milliarden Euro, vor einem Jahr waren es nur 655 Millionen Euro gewesen. Bei der Betrachtung ist unter anderem ein Bewertungsertrag aus der Gründung des Brennstoffzellen-Joint-Ventures mit dem schwedischen Rivalen Volvo ausgeklammert. Finanzchef Jochen Goetz verwiese beim Ergebnisanstieg auf das höhere Absatzvolumen sowie ein besseres Gebrauchtfahrzeug- und Ersatzteilgeschäft. Höhere Rohstoffkosten und Einschränkungen in der Lieferkette hatten hingegen negative Auswirkungen.

"Ein grosser Erfolg war indes, dass wir die einmaligen Kosteneffekte, die wir durch Covid-19 im Jahr 2020 hatten, im vergangenen Jahr durch strukturelle Verbesserungen ersetzt haben", sagte Goetz. Im Jahr 2020 hatten Kurzarbeit und Produktionsstopps die Kosten vorübergehend deutlich gesenkt, um die Kasse zu schonen.

Unter dem Strich machte das Unternehmen mit 2,35 Milliarden Euro wieder Gewinn. Im Jahr davor hatte das Unternehmen einen Verlust von 143 Millionen Euro eingefahren - im Ausbruch der Corona-Pandemie konnte wochenlang nicht produziert werden, die Kunden hatten ihre Bestellungen zeitweise drastisch reduziert.

Die Nutzfahrzeugbranche ist deutlich konjunkturabhängiger als die Pkw-Industrie, mit den Aussichten für die Gesamtwirtschaft passen Speditionen und Kommunen ihre Bestellungen für neue Lkw und Busse rasch an. Im gesamten vergangenen Jahr führte der Aufschwung nach dem Corona-Einbruch zu 589 982 Fahrzeugbestellungen bei Daimler Truck und damit 37 Prozent mehr als im Vorjahr. Im vierten Quartal allerdings gingen die Bestellungen gegenüber dem starken Vorjahreszeitraum um 19 Prozent auf 142 418 Stück zurück./men/ngu/mis