(neu: Analystenstimme, Kurs)

BERLIN (dpa-AFX) - Nach einem erneut starken Quartal hat sich der Kochboxenversender Hellofresh zuversichtlich gezeigt und hält an seiner Mittelfristprognose fest. Das Umsatzziel in den kommenden fünf Jahren von zehn Milliarden Euro sollte erreicht werden, sagte Konzernchef Dominik Richter laut einer Mitteilung vom Dienstag. Dabei helfen soll die weitere Expansion: Anfang Juli hatte Hellofresh seine Dienste nach Norwegen ausgeweitet und wenige Tage darauf angekündigt, sein Portfolio durch den Zukauf des australischen Fertigessensanbieters Youfoodz auszubauen. Angekündigt sind auch Markterschließungen in Italien und Japan.

Hoffnung zog Richter aus dem abgeschlossenen Quartal, das sich besser als der Vergleichszeitraum entwickelt hatte. "Wir haben in beiden Segmenten ein starkes Wachstum erzielt, obwohl die Zahlen des Vergleichsquartals sehr gut waren, weil das zweite Quartal des Jahres 2020 wohl das Quartal war, das am stärksten von Lockdowns betroffen war", sagte er. Hellofresh hatte im Lockdown weltweit davon profitiert, dass Menschen verstärkt zu Hause blieben und es keine Ausgehmöglichkeiten gab.

Am Dienstag legte der Kurs zeitweise um rund neun Prozent auf über 84 Euro zu. Damit glich die Aktie die Delle nach der in der Vorwoche gesenkten Margenprognose aus. Seit Ende Januar 2020, also bevor die Corona-Pandemie die Welt erfasste, summiert sich das Kursplus auf mehr als 250 Prozent - mehr hat kein deutscher Standardwert seitdem zugelegt. Mit einem Börsenwert von 14 Milliarden Euro steht das Unternehmen zudem vor dem Aufstieg in den Dax, wenn dieser im September von 30 auf 40 Werte erweitert wird.

JPMorgan-Analyst Marcus Diebel schrieb in einer ersten Einschätzung, das Unternehmen habe ordentlich abgeschnitten und zeige in der ersten Jahreshälfte eine gute Entwicklung der Kundenzahlen. Allerdings dürfte der Fokus der Anleger auf den Gründen für die gesenkte Prognose für die Marge auf Basis des operativen Gewinns sowie den jüngsten Handelsentwicklungen liegen.

Er bleibe dem Hellofresh-Papier gegenüber auch wegen möglicherweise steigender Marketingkosten für die Kundenbindung und -akquise vorsichtig. Tatsächlich hatte das Unternehmen im vergangenen Quartal deutlich mehr Geld in Marketing gesteckt: Bis Ende Juni haben sich die Ausgaben dafür sowohl auf Quartals- als auch Halbjahressicht mehr als verdoppelt im Vergleich zu den Vorjahreszeiträumen.

Im abgeschlossenen Quartal konnte der Dax-Kandidat, der mittlerweile auch verzehrfertige Gerichte anbietet, erneut bei Kunden und Bestellungen zulegen. Vor allem in den USA, die mehr als die Hälfte zum Gesamtumsatz beisteuert, konnte Hellofresh punkten, wie Deutsche-Bank-Analystin Nizla Naizer urteilte. Verglichen mit allen anderen Märkten, die das Unternehmen im zweiten Segment "International" bündelt, entwickelten sich die Vereinigten Staaten sowohl beim Umsatz als auch beim operativen Gewinn deutlich besser.

In einer Telefonkonferenz schloss Unternehmenschef Richter nicht aus, dass das Unternehmen künftig neue Marken vertreiben wolle. Wann genau, sei noch unklar, aber über die nächsten Jahre könne er sich weitere Marken zu den bisherigen wie Hellofresh, EveryPlate oder Green Chef vorstellen.

Mit Blick auf die neue Konkurrenz aus dem Bereich Quick Commerce (Q-Commerce) sagte Richter, dass Lieferdienste wie Gorillas, Flink und Getir keine große Veränderung bedeuteten: "Wir haben davor auch schon mit Super- und Wochenmärkten konkurriert." Er zeigte sich zuversichtlich, dass mehrere Essensliefermodelle nebeneinander existieren können.

So liegt der Fokus von Hellofresh auf dem Versand von vorportionierten Gerichten, die Menschen zu Hause frisch kochen können, sowie auf verzehrfertigen Mahlzeiten. Q-Commerce-Dienste haben hingegen zeitkritische Zustellungen von alltäglichen Lebensmitteln und Produkten binnen weniger Minuten im Blick.

Wie bereits seit vergangener Woche bekannt, legte der Erlös von Hellofresh in den Monate April bis Juni um 60 Prozent auf 1,56 Milliarden Euro zu. Der bereinigte operative Gewinn stieg um knapp drei Prozent auf 158 Millionen Euro. Am Dienstag wurde zudem bekannt, dass deutlich höhere Steuern den Gewinn geschmälert haben. Der Überschuss fiel im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um etwas mehr als ein Viertel auf 84 Millionen Euro. Anders als viele junge Unternehmen wie zum Beispiel der im Dax notierte Essenslieferdienst Delivery Hero ist Hellofresh aber profitabel.

Auch auf Halbjahressicht gingen die Steuern nach oben - dank eines guten ersten Quartals blieb aber mit rund 185 Millionen Euro deutlich mehr beim Konzern hängen als ein Jahr zuvor. Zum einen stiegen die Steuern, weil Hellofresh im Vorjahr noch viele Verlustvorträge ansetzen konnte. Die Ertragssteuern seien jetzt wieder normalisiert, hieß es. Zum anderen musste das Unternehmen mehr zahlen, weil es mehr erwirtschaftet hatte.

Bei der Mitteilung der Zahlen auf vorläufiger Basis hatte Hellofresh seine Umsatzprognose angehoben. Wegen höherer Investitionen in das weitere Wachstum wurde aber der Ausblick für die Profitabilität gesenkt. Die Zielmarge gemessen an dem um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) liegt jetzt bei 8,25 bis 10,25 Prozent statt bei 10 bis 12 Prozent. Beim Umsatz rechnet das Unternehmen jetzt mit einem um Währungseffekte bereinigten Anstieg um 45 bis 55 Prozent. Zuvor hatte die Prognose 35 bis 45 Prozent betragen./ngu/lew/jha/