"Um Firmen in einer bestimmten Größe aufbauen zu können, benötigt man mehr Kapital als jemals zuvor", sagte Firmenchef Oliver Samwer in einem am Donnerstag veröffentlichten Reuters-Interview. Aktuell sind die Kassen der Startup-Schmiede mit 1,6 Milliarden Euro an Cash gefüllt. Bei der Suche nach dem nächsten Hauptgewinn schaut sich Rocket laut Samwer monatlich "200 bis 300 neue Firmen" an. "Es kann sein, dass wir 2018 oder 2019 die Möglichkeit haben, mehrere 100 Millionen Euro auf einmal zu investieren", sagte der 45-Jährige, der Rocket Internet vor elf Jahren zusammen mit seinen beiden Brüdern gegründet hat.

Die Kritik an Samwer war zuletzt vernehmlich lauter geworden. Investoren hatten ihn wiederholt aufgefordert, Geld in die Hand zu nehmen, um den dümpelnden Aktienkurs aufzupäppeln oder sich sogar wieder ganz von der Börse zu verabschieden. Denn mit aktuell knapp 23 Euro liegt die im SDax notierte Rocket-Aktie deutlich unter dem Ausgabewert beim Debüt im Oktober 2014: Damals zahlten Anleger 42,50 Euro je Papier. Samwer räumte ein, dass die Kursentwicklung nicht zufriedenstellend sei, betonte aber auch: "Wir planen zum heutigen Zeitpunkt nicht, Rocket Internet von der Börse zu nehmen." Ob zur Kurspflege ein weiteres Aktienrückkaufprogramm geplant ist, ließ er offen.

"KLEINE PFLÄNZCHEN KÖNNEN PLÖTZLICH GROSS WERDEN"

Lange Zeit war Rocket Internet vor allem dafür bekannt, Firmen nach dem Fließband-Prinzip zu gründen und dabei Geschäftsmodelle zu übernehmen, die sich bereits im Ausland als erfolgreich erwiesen haben. Das erste Unternehmen der Samwer-Brüder war beispielsweise ein eBay-Klon, den sie schnell an das Original verkauften. Nun tritt das Berliner Unternehmen verstärkt auch als Investor auf, beteiligt sich also auch an bereits bestehenden Unternehmen.

Im Rennen um den nächsten Coup hält Samwer nach eigenem Bekunden vor allem in Europa, den USA und Schwellenländern Ausschau. Dabei verwies Samwer auf die Erfolge mit dem Kochbox-Versand HelloFresh und dem Essenslieferdienst Delivery Hero, die 2017 beide an die Börse in Frankfurt gegangen sind. Die Aktien beider Firmen liegen aktuell über dem damaligen Ausgabepreis. "Wir halten über 100 Beteiligungen und sind zuversichtlich, dass wir da auch Erfolge in den kommenden Jahren feiern werden. Kleine Pflänzchen können plötzlich groß werden."

Bei den Online-Essenslieferdiensten kann sich Samwer eine Konsolidierung vorstellen. Delivery Hero konkurriert hier etwa mit dem Lieferando-Anbieter Takeaway.com, Just Eat und Grubhub. Es hätten sich weltweit auch nur "eine große Suchmaschine und ein großes Online-Buchungsportal" durchgesetzt. Welche Rolle die Rocket-Beteiligung Delivery Hero bei einem Zusammenschluss spielen könnte, ließ Samwer offen. Das würden die Gründer selbst entscheiden. Rocket hatte seinen Anteil zuletzt stetig reduziert.

Auch der Online-Möbelhändler Westwing sowie Home24 und der Zalando-Klon Global Fashion Group gehören zu den Startups aus dem Hause Rocket Internet. Sie schreiben allesamt noch Verluste. Immer wieder gab es deshalb Gerüchte, dass Westwing und Home24 fusionieren könnten. Samwer bezeichnete das als reines Gedankenspiel und verwies auf die unterschiedlichen Kundengruppen sowie die geografische Aufstellung.