Amsterdam/Berlin (Reuters) - Der Lieferando-Eigner Just Eat Takeaway.com muss mitten in schwierigem Fahrwasser eine neue Führungsriege aufbauen.

Am Mittwoch gab das niederländische Unternehmen kurz vor Beginn der Hauptversammlung bekannt, Aufsichtsratschef Adriaan Nühn sowie der für das operative Geschäft verantwortliche Manager Jörg Gerbig stünden nicht zur Wiederwahl. Gegen Gerbig liegt eine formelle Beschwerde wegen mutmaßlicher persönlicher Verfehlungen auf einer Firmenveranstaltung vor, weswegen Ermittlungen aufgenommen wurden. Er verlässt deswegen zunächst den Vorstand von Europas größtem Essenslieferdienst, der massiv unter Druck steht, das Wachstum auch nach dem Corona-Boom voranzutreiben, dabei in die schwarzen Zahlen zu kommen und eine gute Lösung für die erst 2021 für 7,3 Milliarden Dollar gekaufte US-Tochter Grubhub zu finden.

Die neue Unruhe durch die Personalabgänge kam am Aktienmarkt nicht gut an. Das Takeaway.com-Papier fiel bis zu acht Prozent auf 24,20 Euro und setzte damit seine Verlustserie fort. In diesem Jahr ging es bereits 45 Prozent bergab.

WER KAUFT GRUBHUB?

Viele Fragen gab es auf der Hauptversammlung zur Zukunft der unbeliebten US-Tochter Grubhub, deren Übernahme noch auf dem Höhepunkt des Corona-Booms erfolgte und deren Sinn nun von Aktionären angezweifelt wird. Großaktionär Cat Rock, der fast sieben Prozent an Just Eat Takeaway.com hält, sprach sich auch deswegen gegen eine Wiederwahl von Finanzchef Brent Wissink aus und forderte eine Fokussierung auf das Europageschäft. "Das muss passieren, und zwar schnell", sagte Cat-Rock-Gründer Alex Captain auf dem Aktionärstreffen in Amsterdam.

Firmenchef Jitse Groen hatte kürzlich erklärt, bei Grubhub verschiedene strategische Optionen durchzuspielen - darunter auch einen Verkauf. Der scheidende Aufsichtsratschef Nühn, dem vorübergehend Corrine Vigreux, Mitgründerin der Technologiefirma TomTom, nachfolgt, erklärte, jede Offerte zu prüfen. Delivery Hero winkte bereits ab. Firmenchef Niklas Östberg sagte zu Reuters: "Delivery Hero schaut nur von der Seitenlinie zu." Ähnlich wie Groen hat er versprochen, im kommenden Jahr auf Konzernebene profitabel sein zu wollen. Beide Unternehmen machten im vergangenen Jahr einen Milliardenverlust.

Angesichts der tiefroten Zahlen geriet auch eine Mitarbeiter-Skireise von Just Eat Takeaway.com in die Schweizer Alpen in die Kritik. Groen verteidigte die Aktion damit, dass sie gut für die Moral der Belegschaft war.

Nühn sagte anlässlich seines Rückzuges, die Aktionäre sorgten sich angesichts der Herausforderungen, vor denen das Unternehmen stehe. Während Nühn Just Eat Takeaway.com komplett den Rücken kehrt, ist das bei dem gebürtigen Deutschen Gerbig noch unklar. Abhängig vom Ausgang der Untersuchung, die nichts mit finanziellen Verpflichtungen zu tun habe, sei eine Rückkehr in den Vorstand möglich, hieß es weiter. Der Lieferando.de-Gründer selbst war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar. Die Analysten von Credit Suisse schrieben, Gerbig sei an den Kapitalmärkten angesehen. Die Untersuchung schüre die Unsicherheiten rund um das Unternehmen.

(Bericht von Toby Sterling und Nadine Schimroszik; redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)