Von Jon Sindreu

NEW YORK (Dow Jones)--Inhaber von Luftfahrtaktien können Hoffnung schöpfen. Viele von ihnen kauften die Papiere, um von der Pandemieerholung zu profitieren. Und dann mussten sie auf die harte Tour lernen, dass es eine turbulente Reise ist. Nun könnte es ruhiger werden, aber es lohnt sich weiterhin, für ein Erste-Klasse-Ticket zu bezahlen. Aktien von Fluggesellschaften haben im vergangenen Monat um mehr als 10 Prozent zugelegt, während die Börsen im Allgemeinen in die Knie gingen. Dies ist jedoch nur eine teilweise Erholung von einem traurigen Sommer für Luftfahrtaktien, einschließlich derjenigen von Flugzeugherstellern. Lediglich die Aktien von Billigfliegern notieren derzeit über dem Niveau von vor Corona.

Nach Februar strömte wieder Geld in die Branche, da die Impfkampagnen einen starken Anstieg der Ticketverkäufe auslösten. Neben der Hoffnung auf einen Nachholbedarf bei Sommerreisen ging man davon aus, dass die Fluggesellschaften mit niedrigeren Stückkosten aus der Krise kommen würden, da sie so viel überflüssigen Verwaltungsspeck wie möglich eingespart haben sollten. Als der Sommer dann tatsächlich kam, zeigte sich jedoch, dass es sich dabei um Wunschdenken gehandelt hatte.


   In der Branche herrscht Verdrängungswettbewerb 

Ein Problem bestand darin, dass die übermäßige Konzentration auf die ermutigenden Zahlen in den USA den Blick auf die Verwerfungen verstellte, die Coronavirus-Varianten in Entwicklungsländern verursachten. Diese beeinträchtigten schließlich auch den Inlandsverkehr in den USA. Der lange Atem der Pandemie hat die Wiedereröffnung von Transkontinentalstrecken verzögert, die Rückkehr von Geschäftsreisen hinausgeschoben und die weltweite Sitzplatzkapazität stagnieren lassen.

Darüber hinaus mussten viele Fluggesellschaften, vor allem in Europa, die Preise niedrig halten, um Urlauber zu den wenigen verfügbaren Zielen zu locken. Die kommenden Ergebnisberichte für das dritte Quartal werden Aufschluss darüber geben, wie niedrig die Preise letztlich ausgefallen sind. Der Verdrängungswettbewerb in der Luftfahrtbranche bedeutet, dass es sich nicht um ein einfaches "Wiedereröffnungsgeschäft" handelt. US-Fluggesellschaften haben bereits umfangreiche Flottenerweiterungen und Kabinenrenovierungen angekündigt, um wieder Geschäftsreisende anzulocken. Daraus resultiert ein Zuwachs von 17 Prozent an Sitzplätzen für Schmalrumpfflugzeuge im US-Inlandsverkehr zwischen 2020 und 2023. Dieser könnte sich nach Schätzungen von Sheila Kahyaoglu von Jefferies stark auf die Preise auswirken, die Passagiere für eine Flugmeile zahlen.


   Flugkapazitäten legen im Gleichschritt mit Impfraten zu 

Eine letzte Lektion des Sommers war, dass die schnelle Rückkehr von Flugzeugen und Personal mehr Kosten und Kopfzerbrechen verursachten als erwartet, so dass die Analysten ihre These von den dauerhaft niedrigeren Kosten überdenken. Die meiste Zeit dieses Jahres wurden die Konsensprognosen für die Stückkosten der drei größten US-Fluggesellschaften für die nächsten zwei Jahre kontinuierlich gesenkt, aber in letzter Zeit haben sie wieder zugelegt, wie Zahlen von Visible Alpha zeigen. Dennoch scheint es wahrscheinlicher, dass jetzt ein echter Wendepunkt ansteht - anders als vor dem Sommer. Die Flugkapazitäten in den einzelnen Ländern haben sich in diesem Jahr in etwa an den Impfraten orientiert, und der Prozentsatz der Weltbevölkerung, der mindestens eine Impfung erhalten hat, nähert sich endlich 50 Prozent. Derweil scheinen in den USA die Corona-Fälle ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Die USA haben auch angekündigt, dass sie sich im November wieder für europäische Reisende öffnen.

Angesichts von Andeutungen, dass insgesamt die Reisehürden bald fallen könnten, und der zusätzlichen Unterstützung durch steigende Anleiherenditen haben Luftfahrtaktien in der kommenden Gewinnsaison möglicherweise noch Luft nach oben. Die Zahlen selbst werden im Vergleich zum miserablen dritten Quartal des vergangenen Jahres hervorragend aussehen. Wall-Street-Analysten erwarten für den S&P-500-Industriesektor ein Gewinnwachstum von 65 Prozent, wobei drei Viertel davon auf die Fluggesellschaften entfallen dürften. Dennoch scheinen erstklassige Namen wie Delta, Southwest, Airbus und Ryanair der sicherste Weg zu sein, von einer positiven Marktstimmung zu profitieren. In der Luftfahrt bringt eine übermäßige Schnäppchenjagd die Anleger oft in die Klemme.

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October 06, 2021 09:50 ET (13:50 GMT)