Frankfurt (Reuters) - Bei der Deutschen Bank beginnt eine neue Ära.

Nach einem holprigen Jahrzehnt, in dem Deutschlands größtes Bankhaus Milliardenverluste schrieb, den Einbruch des Aktienkurses sah, aber auch die Weichen für eine Neuaufstellung legte, verlässt Aufsichtsratschef Paul Achleitner das Frankfurter Geldhaus. Sollte alles nach Plan laufen, werden die Anteilseigner dem ehemaligen Chef des niederländischen Versicherungsriesen Aegon, Alexander Wynaendts, am Donnerstag auf der virtuellen Hauptversammlung den Weg freimachen, um Achleitner als Chefkontrolleur nachzufolgen. Im November hatte die Bank den 61-jährigen Niederländer nach langer Suche zur Wahl vorgeschlagen.

"Ich blicke heute zurück auf bewegte Jahre in einer schwierigen Phase für unsere Bank", sagte Achleitner auf dem virtuellen Treffen. "Ich verlasse die Deutsche Bank in der tiefen Überzeugung, dass wir alle gemeinsam in den vergangenen Jahren die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft gestellt haben", führte der 65-jährige aus, der 2012 den Aufsichtsratsvorsitz übernommen hatte.

Vorstandschef Christian Sewing sieht das Geldhaus nach Jahren erfolgreicher Transformation auf einem guten Weg, seine Ziele zu erreichen. "Viele von Ihnen haben uns in den vergangenen Jahren die Treue gehalten, uns ihr Vertrauen geschenkt", sagte Sewing auf der Hauptversammlung. Der Moment sei gekommen, dieses Vertrauen zurückzuzahlen. Das Institut will im ersten Halbjahr 2022 eigene Aktien für 300 Millionen Euro zurückkaufen und eine Dividende von 20 Cent je Aktie für 2021 zahlen. Letztmalig wurde für das Geschäftsjahr 2018 eine Dividende von elf Cent ausgeschüttet.

Übernahmen und Zusammenschlüsse stehen bei der Deutschen Bank auf der Agenda nicht an erster Stelle. Diese kämen für das Institut nur dann in Betracht, wenn sie komplementär zu den Stärken der Bank seien und ein strategischer Mehrwert geschaffen werden könne, sagte Sewing. "Das Hauptaugenmerk der Deutschen Bank liegt jetzt auf der Umsetzung der kommunizierten Strategie, mit der wir auf den Stärken der Bank aufsetzen und eine Phase nachhaltigen Wachstums anstreben," führte er aus.

STABILITÄT ZURÜCKGEWONNEN

Der Stabswechsel im Kontrollgremium der Bank fällt in eine Zeit, in der der Finanzkonzern wieder an Stabilität gewonnen hat. Erst kürzlich meldete die Deutsche Bank den siebten Quartalsgewinn in Folge - den höchsten seit neun Jahren. Sewing hatte 2019 einen umfassenden Konzernumbau eingeleitet. Abteilungen wurden geschlossen, besonders riskante Teile des Investmentbanking abgestoßen und es wurden harte Sparschritte auf den Weg gebracht. Im Zuge der Rosskur sollen weltweit 18.000 Stellen wegfallen.

Er werde sich mit ganzer Kraft für das Institut einsetzen, versprach Wynaendts den Aktionären in einer Videobotschaft. "Die Deutsche Bank hat turbulente Zeiten hinter sich, aber sie hat in den vergangenen Jahren die Wende geschafft dank einer klaren Strategie," sagte er. "Sie wird sich weiterhin auf ihre Stärken konzentrieren und ihre Disziplin bei der Kostenkontrolle beibehalten." Wynaendts hatte 2008, kurz nach Beginn der Finanzkrise, den Chefposten bei Aegon übernommen und den Versicherer dann zwölf Jahre bis 2020 geleitet und in dieser Zeit kräftig umgebaut.

Mit Herrn Wynaendts beginne für die Deutsche Bank eine neue Ära, sagte Andreas Thomae, Portfoliomanager der Fondsgesellschaft Deka - ein wichtiger Anteilseigner der Bank. Anders als sein Vorgänger werde er hoffentlich die Bank durch eine etwas ruhigere Phase steuern. "Wir halten ihn für den richtigen Mann an der Aufsichtsratsspitze", sagte Thomae. "Eine seiner Hauptaufgaben wird es sein, die Stärkung der stabilen Geschäftsbereiche zu forcieren, um zyklische Talsohlen im Investmentbanking ausgleichen zu können."

Kritisch äußerte sich dagegen die Fondsgesellschaft Union Investment. Sie kündigte an, gegen die Wahl von Wynaendts in den Aufsichtsrat zu votieren. Fondsmanagerin Alexandra Annecke nannte als Grund dafür Ämterhäufung. Sie bemängelte zudem eine "deutliche Unwucht" zwischen hohen Gehältern und Boni und niedrigen Eigenkapitalrenditen bei der Bank. "Diese Unwucht kann und muss zugunsten der Aktionäre korrigiert werden, indem ehrgeizige Renditeziele einen höheren Stellenwert in der variablen Vergütung bekommen", forderte sie. Aktionäre bekämen immer noch Magerkost serviert, während Vorstandsvergütung und Boni durch die Decke gingen.