Die LSE glaube weiterhin an den strategischen Wert der Übernahme, sagte Konzernchef David Schwimmer am Dienstag. "Wir sind der Meinung, dass das fusionierte Unternehmen in einem solchen Umfeld weiterhin gut abschneiden wird und wir mit der Verschuldung umgehen können." Die Londoner Börse greift für die Refinitiv-Übernahme tief in die Tasche. Der Kaufpreis, der vollständig in Aktien gezahlt wird, lag bei der Bekanntgabe des Deals im August nur wenig unter dem eigenen Börsenwert. Zugleich steigt der Schuldenberg des Konzerns kräftig. Die Börse selbst verdiene weiter Geld und verringere ihre Schulden, sagte Schwimmer. Selbst in der Corona-Krise verfüge Refinitiv über ein stabiles Geschäftsmodell mit vielen wiederkehrenden Umsätzen. Das mache den Finanzdatenanbieter attraktiv.

Noch stehen allerdings eine Reihe kartellrechtlicher Freigaben für die Refinitiv-Übernahme aus. Die Europäische Kommission hat wegen der Corona-Krise Firmen gebeten, ihre Anträge auf Fusionsfreigaben auf die lange Bank zu schieben. "Wir arbeiten weiterhin konstruktiv mit dem zuständigen Team der Europäischen Kommission zusammen", sagte Schwimmer. "Wir machen weiterhin Fortschritte." Er wolle den Deal nach wie vor im zweiten Halbjahr 2020 abschließen. Finanzchef David Warren sagte, die Vereinbarungen mit den Banken zur Zwischenfinanzierung erlaubten notfalls eine Verzögerung bis 2021.

LSE PROFITIERT VON KURSAUSSCHLÄGEN AN DEN BÖRSEN

Refinitiv gehört bislang zu 55 Prozent dem Finanzinvestor Blackstone und zu 45 Prozent Thomson Reuters, dem Eigentümer der Nachrichtenagentur Reuters. Nach der Refinitiv-Übernahme werden Blackstone und Thomson Reuters rund 37 Prozent der LSE besitzen, aber weniger als 30 Prozent der Stimmrechte. Mit dem Zukauf kann die LSE das lukrative Datengeschäft ausbauen und ihre Abhängigkeit vom klassischen Aktienhandel reduzieren, dessen Gewinne seit Jahren unter Druck sind und stark von den Launen an den Finanzmärkten abhängen.

Im ersten Quartal 2020 profitierte die LSE von den Börsenturbulenzen in der Corona-Krise. Die Erlöse kletterten um 13 Prozent auf 615 Millionen Pfund (704 Millionen Euro). Während der Konzern zum Jahresauftakt gut abgeschnitten habe, sei es für eine Einschätzung der Folgen der Corona-Pandemie und eine Prognose zu früh. Die Systeme hätten trotz der starken Ausschläge an den Börsen bislang sehr gut funktioniert, sagte Schwimmer. "Ich bin mir nicht sicher, dass wir das Schlimmste überstanden haben", sagte der LSE-Chef mit Blick auf die heftigen Schwankungen an den Finanzmärkten. Erst am Montag war der Preis für die US-Ölsorte WTI erstmals in der Geschichte ins Minus gefallen - Verkäufer mussten also Geld zahlen, damit ihnen jemand das Öl abnimmt.