Die Bundesrepublik rühmt sich zu Recht für ihren Föderalismus. Doch funktioniert das in unserer Demokratie bewährte Zusammenspiel von Bund und Ländern auch beim Megathema Digitalisierung? Dieser Frage sind wir beim jüngsten Netzgeschichten TALK auf den Grund gegangen, Thema: 'Föderalismus - Beschleuniger oder Bremsklotz der Digitalisierung?'.

Experten in der Diskussion waren: Susanne Dehmel, Mitglied der Geschäftsleitung des Digitalverbands Bitkom, Dr. Annette Schmidt, Präsidentin FITKO (Föderale IT-Kooperation), und Prof. Dr. Peter Parycek, Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT am Fraunhofer FOKUS und Mitglied des Digitalrats der Bundesregierung.

Gleich zu Beginn wagte Susanne Dehmel den Blick über die Landesgrenzen. Im europäischen Vergleich sieht sie Deutschland bei der Digitalisierung im Mittelfeld. Besonders auf den Feldern Bildung, Gesundheit und Verwaltung hätten etwa Dänemark und die baltischen Staaten das bessere Angebot. So seien alle dänischen Schulen mit WLAN versorgt, in Deutschland nach einer aktuellen Erhebung gerade mal 26 Prozent. Das föderale System sieht sie nicht unbedingt als Beschleuniger während der Pandemie. Beispiel Videotools für den Fernunterricht: 16 verschiedene Landesbehörden mit 16 verschiedenen Datenschutzbehörden kommen bei der Bewertung solcher Konferenzsystem zu teils unterschiedlichen Einschätzungen. Das habe dazu geführt, dass an den Schulen erst jetzt nach und nach solche Systeme eingesetzt werden. Deutschland müsse in Verwaltungsprozessen schneller werden, wenn wir mit der Schnelligkeit und Komplexität der Digitalisierung mithalten wollen, so Dehmel.

Manchmal müssen 80 Prozent reichen

Nach Ansicht von Annette Schmidt, müssen bei der Entwicklung und Einführung digitaler Lösungen auch mal 80 Prozent reichen. Sie sieht im deutschen Vergaberecht ein Hindernis für die Digitalisierung. Wenn eine Kommune oder ein Land eine Lösung entwickele, könne diese aus vergaberechtlichen Gründen nicht ohne weiteres allen anderen zur Verfügung gestellt werden.

Peter Parycek sieht in Deutschland, Österreich und der Schweiz noch eine 'stark ausgeprägte Liebe zum Papier'. Diese Länder seien damit im Industriezeitalter, das sich allerdings in seinen Endzügen befinde, sehr erfolgreich gewesen. Nun bestehe hier eine große Unsicherheit bei der Digitalisierung - anders als etwa in den USA oder den asiatischen Ländern. Den Föderalismus sieht er nicht als entscheidendes Problem, da alle 16 Bundesländer sich in etwa auf dem selben Stand befänden.

Launiger Talk: Volker Wieprecht, Susanne Dehmel, Peter Parycek und Annette Schmidt (im Uhrzeigersinn).

Moderator Volker Wieprecht fragte, ob Deutschland ein Zielbild für eine gelungene Digitalisierung habe. Nach Ansicht von Annette Schmidt ist zwar durch Corona viel in Bewegung geraten. Aber: 'Eine Strategie fehlt.' Susanne Dehmel plädierte dafür, sich den Wettbewerb mit anderen Nationen bewusst zum Ziel zu setzen. Sie verweis auf das Beispiel Israel. Dort sei die Durchlässigkeit zwischen öffentlicher Verwaltung und Unternehmen viel größer. Heißt: Die Menschen arbeiten ein paar Jahre in der Verwaltung, wechseln dann in ein Unternehmen oder gründen selber eines.

Nach Meinung Paryceks kann Föderalismus Vielfalt in der Digitalisierung bringen. 'Wir müssen testen, ausprobieren. Das können wir in den Ländern', so Parycek. Aus den gewonnenen Erkenntnissen ließen sich dann im Idealfall einheitliche Standards ableiten.

Dies sind nur einige Highlights aus der facettenreichen Diskussion. Den ganzen Talk gibt's jetzt schon auf Abruf bei YouTube (leider fehlen die ersten Sekunden, wir bitten das technische Problem zu entschuldigen), ein Podcast folgt. Und die Netzgeschichten werden wie gewohnt eine knappe Aufbereitung des Themas anbieten.

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Deutsche Telekom AG published this content on 20 April 2021 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 21 April 2021 15:27:08 UTC.