Von Saabira Chaudhuri

LONDON (Dow Jones)--Kurz nachdem sie das Ruder beim größten Spirituosenhersteller der Welt übernommen hatte, machte Diageo-Chefin Debra Crew eine kühne Ankündigung. Sie will Tequila weltweit vermarkten. Nach einem Popularitätsschub in den Vereinigten Staaten ist die Spirituose Tequila auf dem besten Weg, in diesem Jahr die größte Spirituose des Landes zu werden. Das ist ein außergewöhnlicher Meilenstein für ein Getränk, das früher hauptsächlich mit zuckrigen Margaritas und kurzen Shots in Verbindung gebracht wurde. Die Managerin ist davon überzeugt, dass sie diesen Erfolg auch außerhalb der USA und Mexikos wiederholen kann.

"Mein Ziel ist einfach: Ich möchte Tequila in die ganze Welt bringen", sagte Crew im August vor Investoren von Diageo. Diageo, zu dem Tequila-Marken wie Don Julio und Casamigos gehören, hat versucht, die Popularität des Getränks im Ausland zu steigern, unter anderem durch die Förderung der Paloma, eines Cocktails auf Grapefruit-Soda-Basis, der einfacher zu mixen ist als eine Margarita.


  Tequila soll breiteren Absatzmarkt finden 

Diageo sieht in dem Getränk Paloma eine Möglichkeit, die Wahrnehmung in Europa zu ändern, dass Tequila nur ein Getränk auf Shot-Basis ist, und potenzielle Kunden davon zu überzeugen, ihn dem Wein zum Essen vorzuziehen. Aber auch wenn Crew ihren Blick auf die Auslandsmärkte richtet, sieht sie sich in einigen Kernmärkten, darunter den USA und Mexiko, einem schwierigeren Umfeld gegenüber. Einige Analysten fragen sich, ob die Geschicke von Diageo nicht zu eng mit dem Tequila-Geschäft verknüpft sind. Damit wäre der Konzern anfälliger für einen Abschwung als die Konkurrenten.

Der Druck auf Crew verstärkte sich am Freitag, als das Unternehmen mit einer Gewinnwarnung überraschte und erklärte, der Konsum in Lateinamerika sei unerwartet schwach. Der Aktienkurs rutschte um 12 Prozent ab. Die in London notierte Aktie ist in diesem Jahr bisher um mehr als 20 Prozent gesunken und Crew wird am Mittwoch auf dem Kapitalmarkttag von Diageo erstmals vor Investoren sprechen. Crew, eine 52-jähriger Texanerin, wurde Anfang Juni an die Spitze des Unternehmens befördert, nachdem der frühere CEO von Diageo, Ivan Menezes, nach einer Notoperation wegen eines Magengeschwürs verstorben war. Er hatte im März angekündigt, dass er in den Ruhestand gehen würde, und hatte geplant, dass Crew im Juli die Führung übernehmen soll.

Menezes, der 26 Jahre lang bei Diageo gearbeitet und ein Jahrzehnt lang als CEO den Konzern geführt hatte, kurbelte den Umsatz an. Dies schaffte er, indem er das Unternehmen auf höherwertige Produkte umstellte und den Trend vieler Verbraucher aufgriff, weniger, aber dafür besser zu trinken. Vergangene Woche wies der RBC-Analyst James Edwardes Jones, der Diageo seit 20 Jahren covert, auf "Managementrisiken" bei dem Unternehmen hin und sagte, Menezes sei einer der besten CEOs, denen er je begegnet sei, und es sei "schwierig, ihm nachzufolgen". Der Analyst warnte auch davor, dass Diageo mit einem "weit verbreiteten Rückzug" im gehobenen Spirituosenkonsum konfrontiert sein könnte.


   Crew diente in der US-Army 

Crew absolvierte das Kadettenausbildungsprogramm der Universität Denver, wo sie ihren Mann kennenlernte und diente anschließend vier Jahre lang in der US-Armee, einschließlich eines Einsatzes in Bosnien. Nach ihrem Ausscheiden aus der Armee arbeitete die Managerin für Kraft Foods und später für Mars, Nestle und Pepsi. Dann wurde sie CEO von Reynolds American, zu dem die Marken Camel und Newport gehören und übernahm die Leitung, als das Tabakunternehmen mit einem rückläufigem Zigarettenabsatz und einer Verlangsamung des Verkaufs von E-Zigaretten kämpfte. Ein Jahr nach der Übernahme von Reynolds durch den Konkurrenten British American Tobacco trat sie von dieser Position zurück. Crew wurde 2020 zum Nordamerika-Chef von Diageo ernannt.

Eine von Menezes' größten Wetten war Tequila, der 2014, kurz nachdem er CEO wurde, nur 1 Prozent des Nettoumsatzes von Diageo ausmachte und jetzt auf einen Anteil von 12 Prozent gestiegen ist. Tequila trug in den vergangenen vier Jahren etwa ein Drittel zum Wachstum von Diageo bei, und der Konzern, zu dem auch Johnnie Walker Scotch, Smirnoff Wodka und Tanqueray Gin gehören, ist nun gemessen am Umsatz der weltweit größte Tequila-Hersteller. Menezes erwarb eine Reihe von Tequila-Marken; unter anderem zahlte er bis zu 1 Milliarde Dollar für Casamigos, das von dem Schauspieler George Clooney mitbegründet wurde.


   Casamigos als Gamechanger 

"Casamigos hat das Spiel verändert", sagt Ivy Mix, Miteigentümerin und Chef-Barkeeperin der Bar Leyenda in Brooklyn, New York. "Patron hat Tequila für junge Leute zum Mainstream gemacht, aber mit Casamigos trinkt plötzlich die Fußball-Mutter aus dem Mittleren Westen Tequila." Bis zum Ende dieses Jahres wird der Umsatz mit Tequila in den Vereinigten Staaten 13,3 Milliarden Dollar erreichen und damit Wodka und Whiskey überholen und zur umsatzstärksten Spirituosenkategorie des Landes werden, schätzt der Getränkeindustrie-Marktforscher IWSR.

Diageo sieht für Tequila in den Vereinigten Staaten noch einen langen Weg vor sich. Nach eigenen Angaben ist das Getränk nur in halb so vielen Haushalten vertreten wie nordamerikanischer Whiskey und Wodka. Das Umsatzwachstum von Tequila in den Vereinigten Staaten erreichte jedoch im Jahr 2021 seinen Höhepunkt und hat sich seitdem verlangsamt, ein Trend, der eine größere Verlangsamung bei teuren Spirituosen widerspiegelt. Die Einsparungen der Pandemie-Ära gehen zu Ende, und die Verbraucher sind wieder dazu übergegangen, in Bars und Restaurants zu trinken, wo Cocktails in der Regel dreimal so viel kosten, als wenn sie zu Hause zubereitet werden.

Casamigos ist jetzt der zweitgrößte Tequila nach Don Julio in den Vereinigten Staaten und hat durch den Übergang zum Mainstream etwas von seinem Reiz verloren, wie Mix sagt. Casamigos fehlt auch das starke mexikanische Erbe, das viele andere Tequilas haben, was die Verbraucher anspricht, die Authentizität suchen. In den vier Wochen bis zum 7. Oktober sank der Umsatz von Casamigos in den US-amerikanischen Spirituosen- und Lebensmittelgeschäften laut Jefferies um 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Casamigos wird für etwa 50 Dollar pro Flasche verkauft.

Diageo sieht sich auch einer wachsenden Konkurrenz gegenüber. Eine zunehmende Zahl von Tequilas vermarktet sich selbst als frei von Zusatzstoffen und richtet sich an Verbraucher, die nach gesünderen Alternativen suchen, und andere Prominente versuchen, Clooneys Erfolg nachzuahmen. Letzten Monat kündigte der Schauspieler Matthew McConaughey an, dass er seine eigene Tequila-Marke, Pantalones Organic Tequila, auf den Markt bringen wird.

Die Nachfrage in den USA war in den vergangenen Jahren so groß, dass Diageo und andere Tequila-Hersteller erklärten, sie hätten nicht genug Kapazitäten, um sie zu befriedigen. Die Agavenpflanze braucht sieben Jahre zum Wachsen. Jetzt reift eine Welle von Agavenanpflanzungen heran, das Wachstum verlangsamt sich und die Preise sind von einem Höchststand von 32 Pesos auf 18 Pesos pro Kilo gefallen. "Endlich haben wir die Kapazitäten, um Tequila nicht nur in die ganze Welt zu bringen, sondern auch Innovationen auf den Weg zu bringen", so Crew.

Bei der Expansion ins Ausland setzt Diageo auf Großstädte wie London und Glasgow im Vereinigten Königreich sowie auf europäische Städte wie Paris und Mailand. Diese Städte haben zwar keine große hispanische Bevölkerung, aber sie beherbergen eine Reihe von wohlhabenden und weitgereisten Menschen, sagte Nuno Teles, Chef von Diageo Großbritannien. Auf dem ADE-Festival in Amsterdam im Oktober warb Diageo zusammen mit der belgischen DJ Charlotte de Witte in einem Pop-up-Club für Don Julio und verkaufte Palomas und Ceviche-Tacos. In Londoner Spirituosengeschäften hat das Unternehmen Don Julio neben Grapefruit-Soda beworben.

Auch andere Spirituosenhersteller suchen im Ausland nach Wachstum. Brown Forman startete im August eine neue Werbekampagne für seinen Tequila El Jimador in Großbritannien, und Davide Campari-Milano wird ab dem nächsten Jahr eine internationale Expansionskampagne für Espolon Tequila starten. "Ich glaube, Tequila ist dabei, ein globales Phänomen zu werden", sagte Campari-Chef Bob Kunze-Concewitz im Mai vor Investoren. "Die Verbraucher sehnen sich danach." Auf der Vogue World, einer mit Stars besetzten Veranstaltung, die kürzlich im Londoner Covent Garden stattfand, tranken die Gäste Tequila-Cocktails aus Don Julio 1942, der für rund 220 Dollar pro Flasche verkauft wird, oder schlürften ihn pur.

Aber bisher ist Tequila in Supermärkten oder Tante-Emma-Läden, wo die meisten Briten ihre Spirituosen kaufen, noch nicht weit verbreitet. "Tequila befindet sich hier in der Expansionsphase", sagt Diageo's Teles. "Man beginnt mit gehobenen Restaurants, Clubs und Spirituosengeschäften und erhöht dann schrittweise die Verfügbarkeit des Produkts.

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November 14, 2023 09:22 ET (14:22 GMT)