BIETIGHEIM-BISSINGEN (dpa-AFX) - Beim Maschinen- und Anlagenbauer Dürr läuft es nicht rund. Seine Prognosen für das laufende Geschäftsjahr musste der MDax-Konzern aus Bietigheim-Bissingen aus verschiedenen Gründen schon mehr als einmal in diesem Jahr senken. An der Börse ist die Aktie seit geraumer Zeit im Sinkflug. Was momentan bei Dürr los ist, wie sich die Anteilsscheine entwickelt haben und wie Analysten die weiteren Aussichten bewerten.

DAS IST LOS IM UNTERNEHMEN:

Im Gegensatz zu so manchem Zuliefer-Konkurrenten spürt Dürr die maue Autokonjunktur noch nicht so stark. Konzernchef Ralf Dieter rechnet auch weiterhin mit einem stabilen Autogeschäft. Dürr ist Marktführer für Lackiermaschinen für Autofabriken, die Sparte macht knapp ein Drittel der Umsätze aus und sorgte im bisherigen Jahresverlauf sogar für steigende Erlöse.

Allerdings leidet die Sparte für Auswucht-, Prüf- und Befülltechnik unter einer sinkenden Nachfrage nach Auswuchtanlagen für Komponenten von Verbrennungsmotoren. Der Schwenk hin zur Elektromobilität führt zu einer Investitionszurückhaltung der Autohersteller, die weniger Geld für herkömmliche Antriebstechniken in die Hand nehmen. Nach Unternehmensangaben macht Dürr insgesamt 55 Prozent seines Umsatzes im Geschäft mit der Autoindustrie.

Probleme macht den Baden-Württembergern vor allem das Geschäft mit Maschinen für die holzbearbeitende Industrie, in dem der Auftragseingang eingebrochen ist und niedrige Umsätze im üblicherweise margenstärkeren China-Geschäft zu verzeichnen sind. Bei seiner Tochterfirma Homag streicht Dürr wegen struktureller Überkapazitäten rund 350 von 4100 Stellen in Deutschland und stellt deren Produktion im niedersächsischen Hemmoor ein. Das Unternehmen hat weltweit über 16 500 Mitarbeiter. Einmalig rund 40 Millionen Euro soll das kosten, den größten Teil davon noch 2019. Ab 2021 sollen die Maßnahmen zu jährlichen Einsparungen von 15 Millionen Euro führen.

Nachdem Dürr den Markt bereits im Sommer mit einer Gewinnwarnung verunsichert hatte, verkündete der Konzern Anfang November, dass er wegen der Homag-Maßnahmen und einer Wertberichtigung wegen Rechtsstreitigkeiten auch bei seiner Prognose für das Nachsteuerergebnis und seinen Erwartungen für die Ebit-Marge nach Sondereffekten zurückrudern muss.

Konzernchef Dieter geht ungeachtet der "erheblichen politischen und konjunkturellen Unsicherheiten" davon aus, die operativen Jahresziele für 2019 zu erreichen und sieht Dürr nach den ersten neun Monaten auf Kurs.

Außerdem muss sich Dürr einen neuen Finanzchef suchen. Carlo Crosetto wird seinen Ende Februar 2020 auslaufenden Vertrag nicht verlängern. Über die weiteren Hintergründe zum Abgang des Finanzchefs, der seinen Vertrag laut Unternehmensangaben bis zum Ende der Laufzeit erfüllen will, wurde nichts bekannt.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Aus Sicht der Marktexperten ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Insgesamt betrachtet überwiegt trotz zunehmender Skepsis der Glaube daran, dass Dürr über genug Potenzial verfügt, auch unter schwieriger werdenden Bedingungen zu bestehen. Während gleich 9 der insgesamt 14 im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten empfehlen, die Papiere zu halten und die weitere Entwicklung des Unternehmens genau zu beobachten, raten vier Analysten dazu, die Aktie zu kaufen. Nur die US-Großbank Bank of America plädiert derzeit für den Verkauf der Aktien.

Bank of America-Analyst Alexander Virgo begründet dies unter anderem damit, dass sich die Sicht auf die Ergebnisentwicklung verschlechtert habe. Virgos Einstufung auf "Underperform" mit einem Kursziel von 20 Euro steht im Gegensatz zur "Outperform"-Einstufung von Mainfirst-Experte Daniel Gleim, der sich mit einem Kursziel von 40 Euro am zuversichtlichsten zeigt. Er verweist darauf, dass es im Geschäft mit Lackieranlagen mehr Licht als Schatten gebe und erwartet zudem eine Auftragsbelebung für das schwächelnde Geschäft mit der Holzverarbeitung.

Während Philippe Lorrain von der Privatbank Berenberg die von Dürr angekündigten Restrukturierungsmaßnahmen positiv findet, hält es Analyst Frank Schwope von der Nord LB für erstaunlich, dass ein Unternehmen in gut drei Monaten zweimal "warnen" müsse. Dies spiegele sich jedoch im Aktienkurs kaum wider. Schwope senkte Dürr nach einer erneuten Gewinnwarnung von "Kaufen" auf "Halten".

DAS MACHT DIE AKTIE:

Der Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre ist für die Dürr-Aktionäre wenig erbaulich: Alleine seit Jahresbeginn haben die Papiere gut 10 Prozent an Wert verloren. Damit gehören sie zu den schwächsten Titeln im MDax, der im selben Zeitraum über 25 Prozent zulegen konnte. Auch sonst sieht es düster aus: In den letzten 3 Jahren haben die Dürr-Anteilsscheine rund ein Viertel eingebüßt, auch in den zurückliegenden 5 Jahren summieren sich die Verluste auf fast 25 Prozent.

Auf lange Sicht dümpelten die Aktien der Baden-Württemberger seit Mitte der 1990er Jahre zunächst bei unter 10 Euro vor sich hin, ehe ab 2012 ein Aufwärtstrend einsetzte. Bis Mitte 2015 ging es auf über 51 Euro nach oben. Danach folgte allerdings bis zum Frühjahr 2016 wieder ein deutlicher Einbruch und die Aktie sackte zeitweilig bis auf rund 25 Euro ab.

Bis kurz vor dem Jahresende 2017 befanden sich die Papiere dann erneut im Höhenflug und kletterten auf das Hoch von 60,275 Euro. Seither geht es aber wieder deutlich in den Keller. Mit dem momentanen Kurs von 27,40 Euro ist das Papier nur noch weniger als halb so viel wert wie vor zwei Jahren. Immerhin ist das durchschnittliche Kursziel der Analysten von 30,54 Euro in Reichweite. Mit einer Marktkapitalisierung von knapp 2 Milliarden Euro gehört Dürr momentan zu den Leichtgewichten im Index der mittelgroßen Unternehmen./eas/men/jha