BERLIN (dpa-AFX) - Familien in Deutschland sollen ab kommendem Jahr mehr Geld in der Tasche haben und um insgesamt 9,8 Milliarden Euro entlastet werden. Das sieht ein Entwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vor, der am Montag in die Abstimmung mit den anderen Ministerien der Bundesregierung ging. Am 27. Juni soll das Paket vom Kabinett beschlossen werden. Eine Familie mit einem Bruttojahresgehalt von 60 000 Euro würde im kommenden Jahr demnach um 9,36 Prozent entlastet, in Geld würde das 251 Euro bedeuten.

Zu dem Paket gehört eine Kindergelderhöhung um zehn Euro im Monat ab Juli 2019, ein höherer Grundfreibetrag für Steuerzahler und ein höherer Kinderfreibetrag. Dazu kommt eine Entlastung mittlerer und unterer Einkommen bei der sogenannten kalten Progression, wie am Montag aus Regierungskreisen verlautete. Union und SPD hatten Entlastungen im Koalitionsvertrag vereinbart, einige Maßnahmen gehen aber darüber hinaus - und betreffen nicht nur Familien.

Scholz zupass kommen dabei sprudelnde Steuereinnahmen. Bis 2022 können Bund, Länder und Gemeinden mit bis zu 63,3 Milliarden Euro mehr an Einnahmen rechnen, wie die neueste Steuerschätzung im Mai ergeben hatte. "Familien halten unsere Gesellschaft zusammen. Sie zu stärken und zu entlasten, ist unser Ziel", hatten Union und SPD im Vertrag für die erneute große Koalition betont. Die Reform zielt vor allem auf Haushalte mit geringen oder mittleren Einkommen ab.

Aber auch höhere Einkommen werden noch etwas entlastet. Bei einem Familieneinkommen von 120 000 Euro brutto soll die Entlastung 380 Euro im Jahr betragen - das sind 1,8 Prozent an Einsparungen im Vergleich zu 2018. Ziel sei eine sozial gerechtere Steuerpolitik, hieß es dazu aus dem Bundesfinanzministerium. Wegen der hohen Steuereinnahmen, die ein Resultat aus der weiterhin gut laufenden Konjunktur und geringen Arbeitslosenzahlen sind, hatte Scholz zusätzliche Entlastungen bei der Einkommenssteuer angekündigt - diese sind im Familienpaket miteingerechnet worden.

Insgesamt soll die "kalte Progression" gemäß des Pakets um 2,2 Milliarden Euro im kommenden Jahr abgebaut werden, diese Summe ist in der Gesamtentlastung von 9,8 Milliarden Euro 2019 eingerechnet. 2020 soll diese Entlastung dann 2,1 Milliarden Euro betragen.

Das Problem der "kalten Progression" entsteht, wenn Einkommens- und Lohnerhöhungen nur die Inflation, also die Teuerung von Produkten, ausgleichen, die Kaufkraft aber kaum steigt. Durch den Tarifverlauf bei der Einkommensteuer zahlt man dann überproportional mehr Steuern an den Fiskus - quasi eine schleichende Steuererhöhung.

Bei den Berechnungen der Entlastungen wird von der Regierung eine Inflationsrate von 1,84 Prozent (2019) und 1,95 Prozent (2020) angenommen. Der Grundfreibetrag der Steuerzahler soll von 9000 auf 9168 Euro (2019) und 9408 Euro (2020) steigen, ebenso wie der Höchstbetrag für den Abzug von Unterhaltsleistungen.

Der Kinderfreibetrag soll zudem von 7428 auf 7620 Euro (2019) und auf 7812 (2020) steigen. In einer zweiten Stufe soll das Kindergeld gemäß des Koalitionsvertrags bis 2021 um insgesamt 25 Euro pro Kind im Monat zunehmen, die zweite Erhöhung um 15 Euro ist ab Januar 2021 geplant.

Allerdings ist ein Teil der Entlastungen gesetzlich ohnehin geboten. Grundlage ist der Existenzminimumbericht - danach richtet sich zum Beispiel die Höhe steuerlicher Freibeträge. Der stellvertretende FDP-Fraktionvorsitzende Christian Dürr kritisierte, die Koalition mache nicht viel mehr als das verfassungsrechtlich Gebotene. "Angesichts gigantischer Steuermehreinnahmen ist das zu wenig. Die Mitte der Gesellschaft darf von einer Regierung, der das Geld bis zum Hals steht, mehr erwarten", betonte er. Dazu gehört zum Beispiel auch ein Steuertarif, der die kalte Progression automatisch ausgleiche "sowie die Komplettabschaffung des Solidaritätszuschlags." Dürr warnte vor einem Nullsummenspiel, gerade wegen der Belastungen durch die Rentenverbesserungen, die würden den Familien noch "wie ein Mühlstein" um den Hals" gelegt./ir/DP/she