Von Rochelle Toplensky

LONDON (Dow Jones)--Die Zeiten, in denen der Verkauf von ESG-konformen Fonds ein bequemes Marketing-Manöver war, sind vorbei. Investieren nach Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungskriterien (Environmental, Social, Governance) war für Asset Manager, die mit günstigen Indexfonds konkurrieren müssen, bisher ein sehr beliebter, relativ neuer Markt. Während ethisches Investieren für jeden etwas anderes bedeuten kann, schauen die Behörden beim umweltgerechten Investieren jedoch zunehmend genauer hin.

Am Mittwoch nahm Asoka Wöhrmann, Chef der DWS, der Asset-Management-Tochter der Deutschen Bank, seinen Hut. Er gibt seinen Posten nach der Hauptversammlung nächsten Donnerstag ab. Am Dienstag hatten Staatsanwaltschaft Frankfurt, Bundeskriminalamt und Bafin Geschäftsräume sowohl der DWS als auch der Deutschen Bank durchsucht. Es geht dabei um Greenwashing-Vorwürfe gegen die DWS, was bedeutet, dass die Gesellschaft irreführende Angaben zu ESG-Fonds gemacht haben soll. Auch in den USA laufen Ermittlungen.


   ESG-Definitionen bisher schwammig 

Das Investieren in ESG-Fonds ist bisher eine Wohltat für die Branche. Fondsmanager versprechen den Anlegern oft höhere Renditen, während sie mit ihrem Geld gleichzeitig etwas Gutes tun. Jedoch ist ESG kein eindeutiges Konzept. Es gibt keine breit akzeptierten Definitionen, Kriterien und Kennzahlen. Ein ESG-Rating eines einzelnen Unternehmens kann je nach Rating-Firma sehr unterschiedlich ausfallen.

Die Varianz kommt nicht von Ungefähr. Es gibt viele Möglichkeiten, die drei Kriterien zu einer Bewertung zu kombinieren. Und für jedes einzelne Kriterium kann es gerechtfertigte Meinungsverschiedenheiten darüber geben, was nun tatsächlich gut ist und was schlecht. Beispielsweise kann Shell mit "E" und damit hoch bewertet werden, weil der Konzern einen Plan hat, sein Geschäft zu dekarbonisieren, oder man stuft ihn sehr schlecht ein, weil er Öl verkauft und auch über viele Jahre noch Gas vertreiben will.

Jedoch beginnt sich die Schwankungsbreite bei den Umwelt-Ratings nach und nach einzuengen. In der EU wurden neue Regeln für verschiedene Kategorien nachhaltigen Investments festgelegt, und es wird an Definitionen gearbeitet, was grün ist und was nicht. Die US-Börsenaufsicht SEC arbeitet an ihrem eigenen Regelwerk. Während die Standards die Compliance-Arbeit der Fondsmanager erhöhen, sollten sie außerdem sicherstellen, dass die Investoren bekommen, was ihnen versprochen wurde, und nicht nur eine Menge heißer Luft.

Die Bedenken wegen Greenwashing - wenn die Realität nicht mit den grünen Behauptungen übereinstimmt - sind weitverbreitet. Die jüngsten Ereignisse haben die Sache weiter angefacht. Die SEC hat der Bank of New York Mellon jüngst ein Bußgeld von 1,5 Millionen Dollar wegen irreführender ESG-Angaben auferlegt.

Die DWS meldete in ihrem Jahresbericht 2021 deutlich weniger "ESG Assets" als "ESG integrated"-Assets im Vorjahr. Eine Whistleblowerin hat die Veröffentlichungen der DWS im vergangenen Jahr als irreführend bezeichnet. Es ist jetzt an dem neuen Chef, Stefan Hoops, einen Schlussstrich unter die Affäre zu ziehen.


   Kann man sich auf eine ESG-Einstufung verlassen? 

Der Chef des "Responsible Investment" beim Asset Manager der HSBC sagte im Mai in einer Rede mit dem Titel "Warum sich Investoren über Klimarisiken keine Sorgen machen müssen", dass die finanziellen Auswirkungen des Klimawandels "de minimis", also zu vernachlässigen seien. Das verstärkte nur den Eindruck, dass das Denken innerhalb einer Organisation oft den Marketing-Versprechungen widerspricht. Die Topmanager der Bank hatten es eilig, sich von den Aussagen des mittlerweile suspendierten Mitarbeiters zu distanzieren.

Die Probleme bei der DWS sind eine Warnung an andere Asset Manager, ihre grünen Behauptungen zu unterfüttern oder sie zurückzufahren. Die Einführung strengerer Regeln darüber, was als umweltfreundlich zu qualifizieren ist - auch wenn Sozial- und Governance-Kriterien weiterhin weniger klar definiert sind - könnte bedeuten, dass man das "E" aus dem ESG-Investing herausnehmen sollte. Wenn man die ESG-Einstufung nicht gar komplett abschaffen sollte. Sie hat Investoren noch nie geholfen, und jetzt hat sich auch für Fondsmanager keinen Nutzen mehr.

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June 01, 2022 10:40 ET (14:40 GMT)