Frankfurt (Reuters) - Die Pläne der EU-Kommission, Erdgas und Atomkraft als nachhaltige Technologien anzuerkennen, stoßen in der Fondsbranche auf Kritik.

Dennis Hänsel, Leiter für nachhaltige Anlagelösungen bei der Fondsgesellschaft DWS, sieht ein Glaubwürdigkeitsproblem bei den Plänen. "Die Entscheidung der Kommission zur EU-Taxonomie, Investitionen in Atomenergie und fossiles Gas als nachhaltig zu klassifizieren, schwächt die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit der Taxonomie und somit die gewünschte Lenkung von Geldflüssen in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten." Die Entscheidung beispielsweise, Atomenergie auf die gleiche Stufe wie die Energiegewinnung aus Wind und Sonne zu stellen, stehe im klaren Widerspruch zu den Einschätzungen der DWS-Kunden.

Ingo Speich, Leiter Corporate Governance und Nachhaltigkeit bei der Fondsgesellschaft Deka hat eine klare Position: "Wir haben durch die französische Industriepolitik eine Entwertung der Glaubwürdigkeit der Taxonomie gesehen." Die Nukleartechnologie verletze Basisprinzipien der Nachhaltigkeit. "Sie verstößt gegen den wichtigen Grundsatz der Nachhaltigkeit, dass zukünftige Generationen  durch unser Verhalten nicht über Gebühr belastet werden sollen," so der Deka-Nachhaltigkeitschef. Die Fondsgesellaschaft bewerte das Thema aus Sicht des Kapitalmarktes, nicht weltanschaulich. Es gelte, bestimmte Risiken nicht in das Portfolio aufzunehmen. Für die Deka sind Unternehmen, die mehr als fünf Prozent Umsatz in der Kerntechnik haben, nicht investierbar.

In der Branche gibt es zudem Zweifel, ob trotz eines grünen Label für eine Übergangszeit noch viele Investitionen in solche Technologien fließen werden. Henrik Pontzen, Leiter ESG im Portfoliomanagement von Union Investment, hat hier die Gaskraft im Blick. "Die Taxonomie legt die Hürde für die Gaskraft so hoch, dass sie absehbar kaum übersprungen werden kann", meint der Manager. "Die Menge und Strenge der zu erfüllenden Nebenbedingungen macht es unwahrscheinlich, dass sich viele Investitionsmöglichkeiten für nachhaltige Investoren ergeben werden."

Die in einer Taxonomie festgeschriebenen Kriterien sollen dazu beitragen, dass Investitionen in der Wirtschaft verstärkt in erneuerbare Energien fließen. Lobbyarbeit von Ländern wie Frankreich und Deutschland führten dazu, dass auch Atomkraft und Erdgas als Brückentechnologien ein "grünes" Label erhalten können. Die EU-Komission hatte sich damit gegen die Empfehlung ihrer eigenen technischen Berater gestellt. Um Mitternacht läuft eine Frist zur Stellungnahme der EU-Länder für den Vorschlag ab. Die Vorschläge der Kommission sehen ein grünes Etikett für Gaskraftwerke und Atomkraftwerke vor, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen.