BERLIN (dpa-AFX) - Der Ausbau der Windkraft an Land kommt nicht richtig in Schwung. Die Zahl der neu installierten Windräder in Deutschland war in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 zwar mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahreszeitraum - es war aber dennoch das zweitschwächste Ausbau-Halbjahr der vergangenen 15 Jahre. Das geht aus vorläufigen Zahlen der Fachagentur Windenergie an Land hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen.

Bis Ende Juni wurden bundesweit 186 Windenergieanlagen mit einer Bruttoleistung von 587 Megawatt in Betrieb genommen. Weil auch alte Anlagen stillgelegt wurden, lag der sogenannte Nettozubau bei 528 Megawatt. Neue Windenergieanlagen sind deutlich leistungsstärker als alte. Zwischen Januar und Juni 2019 waren gerade einmal 81 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 271 Megawatt ans Netz gegangen.

Die meisten neuen Windenergieanlagen gingen den vorläufigen Zahlen zufolge im ersten Halbjahr in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz in Betrieb. In allen Bundesländern außer den drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen wurden neue Windräder gebaut.

Ökostrom aus Wind ist ein zentraler Pfeiler der Energiewende - dem Umstieg von fossilen auf klimafreundlichere erneuerbare Energiequellen. Seit einiger Zeit aber stockt der Ausbau vor allem der Windkraft an Land. Als Hauptgründe gelten lange Genehmigungsverfahren, zu wenig Flächen für neue Windparks und viele Klagen von Anwohnern. Vor Ort gibt es oft erhebliche Proteste.

Eine Baugenehmigung erhielten bis Ende Juni 289 Windturbinen mit zusammen 1168 Megawatt Leistung - die meisten in Schleswig-Holstein. Auch diese Zahlen sind gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 deutlich gestiegen. Dennoch liegt die Zahl der neu genehmigten Anlagen laut Fachagentur um 60 Prozent unter den durchschnittlichen Genehmigungen der "guten" Ausbaujahre 2014 bis 2016.

Wie es weiter hieß, war im ersten Halbjahr noch kein Trend zu stark steigenden Stilllegungszahlen erkennbar. Das könnte noch passieren, denn 2021 läuft nach 20 Jahren die feste Einspeisevergütung nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) für die ersten Windenergieanlagen aus. Über die milliardenschwere EEG-Umlage, die auf die Stromrechnung aufgeschlagen wird, finanzieren privaten Verbraucher und die meisten Unternehmen den Betrieb von Ökostrom-Anlagen mit. Derzeit liegt die Umlage bei 6,76 Cent pro Kilowattstunde. Im kommenden Jahr wird sie erstmals über einen Zuschuss aus Steuergeldern bei 6,5 Cent gedeckelt, 2022 dann bei 6,0 Cent. Das soll den Strompreis entlasten.

Die Zahlen dürften die Debatte um den Ausbau der erneuerbaren Energien anheizen. Bis 2030 soll der Ökostrom-Anteil auf 65 Prozent steigen, und das bei deutlich mehr Elektroautos auf der Straße. Die Windenergiebranche hält einen Zubau von rund 5000 Megawatt pro Jahr nötig, um das Ziel zu erreichen.

2019 lag der Ökostrom-Anteil in Deutschland bei mehr als 42 Prozent. Im ersten Halbjahr 2020 kletterte er zwar auf mehr als 50 Prozent. Das war aber auch dem geringeren Stromverbrauch geschuldet - denn die Corona-Krise bremste die Wirtschaft aus. Um den Ausbau auf 65 Prozent zu schaffen, will Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nach der Sommerpause eine Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes vorlegen. Geplant ist auch ein regelmäßiges Monitoring, um schnell nachsteuern zu können, falls die Branche nicht auf Kurs ist.

Zudem sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie juristische Auseinandersetzungen beschleunigt werden. Gemeinden und ihre Bewohner sollen künftig finanziell etwas davon haben, wenn bei ihnen Windräder gebaut werden - davon erhofft die Politik sich mehr Akzeptanz./ted/DP/zb