Berlin (Reuters) - Gas-Kunden müssen ab Oktober eine neue Abgabe wegen russischer Lieferkürzungen und der rasant gestiegenen Einfuhr-Preise zahlen.

Mit der Umlage erlaubt die Regierung den angeschlagenen Importeuren die schnelle Weitergabe von Kosten an Haushalte und Industrie trotz bestehender Verträge, wie ein Reuters am Donnerstag vorliegender Entwurf der Verordnung zeigt. Die Umlage könnte zwischen 1,5 bis fünf Cent pro Kilowattstunde betragen, heißt es im Entwurf. Für einen vierköpfigen Haushalt wären dies in der Spitze 1000 Euro im Jahr. "Das ist ein schwieriger Schritt. Ein Schritt, der eine hohe Belastung mit sich bringt", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Die genaue Höhe der Umlage kenne man nicht: "Aber die bittere Nachricht ist: Es sind sicherlich einige hundert Euro pro Haushalt." Daher müssten Menschen gezielt entlastet werden.

Hintergrund des Vorgehens der Regierung ist, dass Importeure wie Uniper die ausgefallenen Russland-Lieferungen kurzfristig und teuer am Markt nachkaufen müssen. Wegen bestehender Verträge mit den Kunden dürfen sie diese aber bisher nicht weitergeben. Das hat vor allem Uniper in Existenznöte gebracht. Der Staat hat deswegen ein milliardenschweres Hilfspaket geschnürt und steigt mit 30 Prozent dort ein. Dies kann allerdings nicht auf Dauer die täglich auflaufenden Verluste absichern. Daher kommt - wie von Kanzler Olaf Scholz angekündigt - die Umlage. 90 Prozent der Extra-Kosten der Importeure können weitergegeben werden - und zwar mit einem gleichen Betrag pro Kilowattstunde für jeden unabhängig davon, wo er seinen Vertrag geschlossen hat.

Habeck sagte in Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt, mit der Umlage könne man Importeure und Versorger stützen. Diese könnten wieder Geld verdienen, eine Pleite-Gefahr könne abgewendet werden. "Jedenfalls gehen wir davon aus, dass dieser Umlage-Mechanismus den Markt beruhigt und die Unternehmen stabilisiert."

Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU), der die Stadtwerke vertritt, lobte das Vorgehen, warnte aber vor einer Überlastung der Endkunden: "Das erfordert ausreichend Zeit zur Weitergabe durch die Stadtwerke, den Einbezug aller Endkunden von Energie sowie die Möglichkeit, die Belastung zeitlich zu strecken und notfalls mit Steuermitteln zu dämpfen", sagte ein VKU-Sprecher.

HABECK: KÖNNEN NICHT ALLE KOSTEN ALS STAAT TRAGEN

Geplant ist auch eine dritte Phase, in der Haushalte etwa über eine Wohngeldreform entlastet würden. Viele können den Anstieg der Preise und die Umlage nicht mehr stemmen. Insgesamt wird grob mit einer Verdreifachung der Gas-Kosten gegenüber 2021 gerechnet. Habeck stellte aber keine Hilfen für alle in Aussicht: "Gezielt entlastet heißt: Wir können nicht alle Kosten als Staat tragen." Aber Menschen, die durch die höheren Energiepreise in Armut geführt werden, die müssten geschützt werden. "Die Arbeit daran läuft mit Hochdruck."

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, forderte eine umgehende Erhöhung der Sozialleistungen um 100 Euro pro Person und Monat. Eine ähnliche Summe sollten Haushalte mit Einkommen von weniger als 40.000 Euro bis Ende 2023 bekommen. Zudem müsse der Gaspreis für geringe und mittlere Einkommen für 80 Prozent des Grundverbrauchs gedeckelt werden, sagte er der "Rheinischen Post".

FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigte dort auch die geplante Umlage und die Rettung von Uniper: Dies sei ein Schritt für die Energie-Sicherheit. "Es geht uns nicht darum, Verluste eines Unternehmens auf die Gesellschaft umzulegen, sondern darum, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten."

90 PROZENT DER EXTRA-KOSTEN WERDEN WEITERGEGEBEN

Technisch gesehen wird jetzt dem Entwurf zufolge der Paragraph 26 des Energie-Sicherungsgesetz per Rechtsverordnung in Kraft gesetzt, der die Weitergabe erlaubt. Die Verordnung muss zunächst das Kabinett passieren. Ab Oktober kann dann die Differenz zwischen den laufenden Tarifen und den Extra-Kosten der Importeure für einen Zeitraum bis Ende März 2024 geschätzt und auf die Kilowattstunden umgelegt werden. Im Nachhinein soll es aber eine genaue Abrechnung geben. Dafür muss die nötige Menge an Ersatz-Beschaffung und deren Preis zu den festgelegten 90 Prozent ermittelt werden. Abgezogen werden die ohnehin laufenden Zahlungen der Kunden. Die Differenz ergibt dann die Umlagen-Gesamtsumme, die dann gleichmäßig verteilt wird. Eine erste Berechnung soll im August veröffentlicht werden. Stadtwerke als Kunden der großen Gas-Importeure können sie dann an Industrie und Haushalte weitergeben. Unabhängig von der Umlage muss ohnehin mit kräftigen Preiserhöhungen gerechnet werden, wenn Verträge auslaufen oder regulär angepasst werden.

(Weitere Reporter: Christian Krämer, Riham Alkoussa, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)