(neu: BfS und Staatsanwaltschaft.)

KARLSRUHE/STUTTGART/BERLIN (dpa-AFX) - Nach vorgetäuschten Sicherheitskontrollen im Atomkraftwerk Philippsburg II (Kreis Karlsruhe) muss es nach dem Willen von Politikern und Umweltverbänden Konsequenzen geben. Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) kündigte am Donnerstag an, auch das zweite im Südwesten noch betriebene Atomkraftwerk Neckarwestheim II (Kreis Heilbronn) unter die Lupe zu nehmen.

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass in Philippsburg ein Mitarbeiter eine regelmäßige Prüfung an einem Störfallmonitor zwar dokumentiert, tatsächlich aber nicht durchgeführt hatte. Das Umweltministerium als Aufsichtsbehörde kündigte eine Anordnung an, die das Wiederanfahren der Anlage untersagt. Dazu findet eine gesetzlich vorgeschriebene Anhörung statt.

Seit dem 8. April ist das Atomkraftwerk wegen einer Revision nicht am Netz. Unter anderem werden Brennstäbe gewechselt und Instandhaltungsarbeiten ausgeführt. Als geplanten Termin für das Wiederanfahren nannte der Betreiber EnBW den 14. Mai.

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe prüft, ob eine Strafbarkeit wegen Umwelt- oder Vermögensdelikten in Betracht kommt - letzteres weil möglicherweise eine Leistung abgerechnet wurde, die nicht erbracht wurde. "Es wurde noch kein Verfahren eingeleitet", sagte ein Behördensprecher auf Anfrage. Vor einer Entscheidung will die Anklagebehörde noch Unterlagen anfordern, unter anderem aus dem Ministerium.

Die Grünen-Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl forderte die Bundesatomaufsicht auf, sich des Falls anzunehmen. Vor allem müsse analysiert werden, ob es Lücken im Regelwerk gebe, die eine Vortäuschung von Prüfungen ermöglichten, teilte die Bundestagsabgeordnete mit. Für die Zukunft sollte eine konsequentere Anwendung des Vier-Augen-Prinzips und die Einschaltung von Sachverständigen geprüft werden, forderte sie. Auch müsse geklärt werden, ob es in anderen Atomkraftwerken ähnliche Fälle gegeben habe.

Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital sprach nach dem Vorfall in Philippsburg von einem schweren Mangel in der Sicherheit. Das Atomkraftwerk sei schon früher wegen ähnlicher Pannen negativ aufgefallen. Jetzt müsse man über eine endgültige Abschaltung früher als geplant nachdenken.

Nach Unterstellers Angaben sind nach dem am 5. April aufgedeckten Fall bei 450 Sicherheitsprüfungen weitere sieben Fälle aufgefallen. Stets sei derselbe Mitarbeiter eines zwei- bis dreiköpfigen Prüfteams verwickelt gewesen. Über das Motiv gebe es keine Erkenntnisse. "Wir nehmen das nicht auf die leichte Schulter", sagte der Minister. Seines Wissens nach ist es das erste Mal, dass eine vorgeschriebene Prüfung in einem deutschen Kernkraftwerk offenbar bewusst vorgetäuscht wurde.

Der Betreiber EnBW sei sehr kooperativ, sagte Untersteller. Das Unternehmen habe Informationen über die Unregelmäßigkeiten am 5. April einem Mitarbeiter des Umweltministeriums vorgelegt. Die EnBW arbeite bei den Sicherheitsüberprüfungen mit anderen Firmen zusammen - aus seiner Sicht eine "sinnvolle Kooperation".

Nach Überzeugung des Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, hängt die Sicherheit in Atomkraftwerken nicht nur von der Technik ab. Die Schwierigkeiten, wegen des Atomausstiegs noch Fachleute für diesen Bereich zu bekommen, beschrieb er im Interview von "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten" (Freitag) als wachsendes Sicherheitsproblem.

"Tatsächlich ist es eine echte Herausforderung, das politische und gesellschaftliche Bewusstsein für dieses Thema über 2022 hinaus wach zu halten, wenn das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz gehen wird." Atomenergie sei für junge Leute eine Technologie in Abwicklung und daher keine attraktive Berufsperspektive. "Das Problem ist nur: Wir werden noch sehr, sehr lange mit dem Thema zu tun haben."/jug/moe/skf/DP/men