ESSEN (awp international) - Der Spezialchemiekonzern Evonik blickt nach einem Gewinnsprung 2018 wie erwartet vorsichtig auf das neue Jahr. Die Essener rechnen mit anhaltenden politischen Unsicherheiten und einem schwächeren Wirtschaftswachstum, weshalb das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) stabil bleiben oder - wie von Analysten im Mittel erwartet - leicht fallen dürfte. "2019 wird sicher kein einfaches Jahr, aber wir stellen uns diesen Herausforderungen", sagte Konzernchef Christian Kullmann laut Mitteilung vom Dienstag.

Um die Anfälligkeit für konjunkturelle Schwankungen zu verringern, richtet Kullmann Evonik stärker auf die profitablere Spezialchemie aus. Ein weiterer Schritt in diesem Prozess ist der am Montagabend bekannt gegebene Verkauf des Methacrylat-Geschäfts für netto rund 2,5 Milliarden Euro. Der Bereich entwickelte sich 2018 dank einer guten Nachfrage auch der Autoindustrie aussergewöhnlich stark, ist aber recht schwankungsanfällig.

Das Geld kann Evonik gut gebrauchen. So hatte Kullmann erst im November die Einkaufstour in der Spezialchemie mit der angekündigten Übernahme des US-Herstellers von Wasserstoffperoxid, Peroxychem, fortgesetzt. An der Börse sorgte vor allem der Anteilsverkauf für eine positive Überraschung - die Aktie zog deutlich an.

Der Umbau sowie fortgesetzte Kostensenkungen sollen letztendlich der Profitabilität zugute kommen. So wurden von der bis Ende 2020 dauerhaft angestrebten Senkung der Kosten um 200 Millionen Euro im vergangenen Jahr 50 Millionen Euro realisiert. Evonik profitierte 2018 mitunter über weite Strecken von einer guten Nachfrage in allen drei Konzernbereichen, die Preiserhöhungen ermöglichte. Alles in allem konnten die Essener denn auch die bereinige Ebitda-Marge 2018 um rund 1 Prozentpunkt auf 17,3 Prozent verbessern. Mittelfristig werden dann 18 bis 20 Prozent angepeilt.

Für 2018 bedeutete die Margenentwicklung bei einem Umsatzwachstum um 4 Prozent auf rund 15 Milliarden Euro ein bereinigtes Ebitda von 2,6 Milliarden Euro. Das waren zehn Prozent mehr als 2017 und so viel, wie der Konzern am untere Ende seiner Prognosespanne in Aussicht gestellt hatte. Auch die durchschnittlichen Erwartungen von Analysten wurden erfüllt.

Allerdings liess die Entwicklung zum Jahresende hin nach: Das bereinigte Ebitda stieg im Schlussquartal nur noch um 1 Prozent. Neben dem zeitweise sehr niedrigen Rhein-Pegel, der die Schifffahrt behinderte und die Logistikkosten in die Höhe trieb, bekam Evonik in einigen Bereichen auch eine trägere Nachfrage, etwa der Auto- und Bauindustrie sowie eine Zurückhaltung der Konsumenten in China, zu spüren.

So konnte nur die Sparte Resource Efficiency, die leichte Kunststoffe sowie umweltfreundliche, wasserlösliche Lacke herstellt, das operative Ergebnis im Schlussquartal steigern. Im Geschäft mit Anwendungen für Konsumgüter, Gesundheit sowie Tierfutter (Nutrition & Care) blieb der Gewinn in den letzten drei Monaten des Jahres zumindest fast stabil. In der vom niedrigen Rhein-Pegel besonders betroffenen Sparte Performance Materials, die auch Zwischenprodukten für die Gummi-, Kunststoff- und Agrarindustrie herstellt, fiel er hingegen deutlich.

Unter dem Strich verdiente Evonik 932 Millionen Euro nach 713 Millionen Euro vor einem Jahr. Der freie Mittelzufluss verbesserte sich deutlich auf 672 Millionen Euro. Diese Kennziffer ist wichtig für die Ausschüttungen an die Aktionäre. Die Dividende soll mit 1,15 Euro allerdings nur stabil bleiben. Hier hatten sich einige Analysten mehr erhofft.

Deutlich steigen soll 2019 derweil der freie Mittelzufluss (Free Cashflow). Das dürfte aber vor allem an einer neuen Strategie beim Pensionsvermögen liegen. Diese führt zu einem Sondereffekt, der nichts mit der operativen Entwicklung von Evonik zu tun hat. So erhält Evonik ab 2019 - und damit zwei Jahre eher als erwartet - Geld aus einem 2010 aufgelegten Fonds, der Schwankungen bei den Pensionsverbindlichkeiten ausgleichen soll.

Ein Grund ist eine besser als gedachte Entwicklung der Kapitalanlagen des Fonds. Das Geld wird Evonik für die Zahlung von Pensionen verwenden. Dadurch rechnet Finanzchefin Ute Wolf mit einem dauerhaften positiven Effekt von circa 100 Millionen Euro beim freien Mittelzufluss. Allein das entspricht rund 15 Prozent des 2018 generierten Free Cashflow von Evonik.

Bei Investoren kamen die Nachrichten insgesamt dennoch positiv an. Die Evonik-Aktien stiegen am Dienstagmorgen in den ersten Handelsminuten um rund 4 Prozent und setzten damit ihre jüngste Erholung fort. Damit würden sie ihren guten Lauf vom Vortag fortsetzen. Händler verwiesen in ersten Reaktionen aber weniger auf die Geschäftsentwicklung als vielmehr auf die unerwartet hohen Verkaufspreise für das Methacrylat-Geschäft./mis/elm/zb