Von Carol Ryan

LONDON (Dow Jones)--Die Spezialschiffe zur Regasifizierung sind im Energiekrieg zwischen Europa und Russland von entscheidender Bedeutung. Das ist Pech für andere Regionen, die für ihren eigenen Energiebedarf eigentlich auf sie zählen. Seit der Kreml in diesem Sommer die Gaslieferungen über Pipelines nach Europa gestoppt hat, hat der Kontinent die schwimmenden Speicher- und Regasifizierungseinheiten (FSRUs) regelrecht aufgesaugt.

Diese Schiffe können Ländern helfen, ihre Importfähigkeit von verflüssigtem Erdgas (LNG) schnell zu verbessern. Aber es gibt nur 50 davon auf der Welt. FSRUs werden an bestehende Häfen angeschlossen, wo sie das flüssige LNG wieder in Gas umwandeln, das dann in die Anschlussleitungen an Land gepumpt wird.


Schnelle und preiswertere Lösung 

Diese Schiffe können von Grund auf in etwa der Hälfte der Zeit und zu 60 Prozent der Kosten eines festen Gasterminals an Land gebaut werden. Das macht sie besonders attraktiv für Regierungen in Entwicklungsländern mit knappen Kassen.

Brüssel sieht sie nun als Teil der Lösung für seine Energiekrise. Die EU muss ihre Abhängigkeit von russischem Gas schnell verringern, aber auch den Übergang von LNG zu saubereren Energieformen stemmen. So will die EU, dass erneuerbare Energien wie Wind und Sonne bis 2030 mindestens 40 Prozent ihres Energiemixes ausmachen. Die Anmietung eines FSRU ist die perfekte Überbrückung.

Während Spanien und Großbritannien über ordentliche LNG-Importkapazitäten verfügen, waren Deutschland und die Niederlande traditionell auf Pipeline-Gas aus Russland angewiesen. Sie müssen jetzt ihre Fähigkeit verbessern, Ladungen auf dem Seeweg zu erhalten.


Deutschland und die Niederlande setzen auf die Schiffe 

In den Niederlanden werden derzeit zwei FSRU-Schiffe im Hafen von Eemshaven eingerichtet, die nach ihrer Fertigstellung jährlich 8 Milliarden Kubikmeter importieren können. Zusammen mit dem Ausbau eines bestehenden LNG-Importterminals in Rotterdam wird das Land damit seine Importkapazität seit Beginn der Energiekrise verdoppelt haben.

Deutschland hat sechs FSRUs gechartert und installiert derzeit eines in Lubmin - in der Nähe des Hafens, in dem früher das Gas aus der russischen Nord Stream-Pipeline ankamen.

Diese und andere Hafenausbauprojekte dürften die Gesamtkapazität der EU für die Verarbeitung von LNG für diesen Winter um 15 Prozent erhöhen. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine wurden nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) 21 FSRUs für verschiedene Anlagen in der EU gesichert oder werden in den nächsten Jahren benötigt.


Werften in Südkorea sind voll ausgelastet 

Dies bedeutet eine Wende für die Eigner dieser zuvor kaum genutzten Schiffe. Vergangenes Jahr lagen die Kosten für das Chartern eines dieser Schiffe bei nur 100.000 US-Dollar pro Tag. Die Nachfrage war so gering, dass eine Reihe von Schiffen für die Beförderung von LNG von A nach B eingesetzt wurde, anstatt Ladungen zu regasifizieren.

Die Tagessätze haben sich in den vergangenen zwölf Monaten verdoppelt und dürften hoch bleiben. Das Angebot wird knapp bleiben, da die Werften in Südkorea, wo die Schiffe normalerweise gebaut werden, für mehrere Jahre ausgebucht sind.

Seit dem Börsengang im April dieses Jahres haben die Aktien von Excelerate Energy, dem ein Fünftel der weltweiten FSRU-Schiffe gehört, um 20 Prozent zugelegt. Seine Schiffe sollten eine Schlüsselrolle bei der Erschließung neuer LNG-Märkte in Ländern wie Pakistan spielen. Das Unternehmen plant nun, mehr Schiffe nach Europa zu schicken.


Europa statt Dritte Welt 

Ein anderes US-Unternehmen, New Fortress Energy, ist Eigentümer eines der FSRU, die derzeit in den Niederlanden installiert werden. Mit der Abkühlung des Wetters ziehen die LNG-Preise in Europa wieder an, nachdem sie in diesem Herbst erheblich gesunken waren.

Der Durst der Region nach diesem Rohstoff hat bereits dazu geführt, dass Entwicklungsländer, die länger als geplant auf schmutzige Brennstoffe wie Kohle angewiesen sind, ihren Preis nicht mehr zahlen können. Aber selbst, wenn die Preise sinken, werden die FSRUs, die sie für den Gasimport benötigen, nach Europa aufbrechen.

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December 01, 2022 09:29 ET (14:29 GMT)