Ein kurzer Rückblick: Die Formel „short Wall Street, long Main Street“ beschreibt eine Strategie oder eine Haltung – nämlich gegen die spekulative Hochfinanz (Wall Street) zu wetten und gleichzeitig auf die Realwirtschaft zu setzen, also auf kleine Unternehmen und den Alltag der Bürger (Main Street). Diese Denkweise wurde – zumindest kurzzeitig – sogar von der Trump-Administration vertreten, als sich Handelszölle zwischen den USA und China abzeichneten und die Märkte ins Wanken gerieten. Doch ein Einbruch an der Wall Street bleibt selten ohne Folgen für die Main Street, weshalb es bald zu einer politischen Kehrtwende kam – unter dem Druck der Finanzmärkte.

Der Ferrari/Dollar General-Index

In der jüngsten Ausgabe ihres wöchentlichen „Flow Show“ – einem ebenso chaotischen wie unterhaltsamen Überblick über das Marktgeschehen – hat die Bank of America einen „short Wall Street, long Main Street“-Index vorgestellt. Grundlage ist das relative Preisverhältnis zwischen Ferrari und Dollar General, also zwischen Luxus pur und absoluten Basiskonsumgütern:

Graphique BofA

Ein starkes Symbol: Der Index, der Luxus (Ferrari) gegen Alltagsbedarf (Dollar General) stellt, ist auf den tiefsten Stand seit neun Monaten gefallen. Während die Wall Street an Wert verliert – das Finanzvermögen der US-Haushalte ist 2025 um rund 6 Billionen Dollar geschrumpft – feiert Main Street ein Comeback. Die Botschaft: In der aktuellen Wirtschaftslage lohnt sich der Fokus auf das Notwendige mehr als auf das Begehrliche. Oder einfacher gesagt: Ein gut gefüllter Einkaufswagen ist derzeit wertvoller als eine gut bestückte Garage.

Amateure gegen Profis

Das Wall Street Journal wiederum beleuchtet ein bemerkenswertes Phänomen: Seit Jahresbeginn haben Hedgefonds ihre Nettoaktienpositionen um über 1.000 Milliarden Dollar abgebaut – zur gleichen Zeit investierten Privatanleger monatlich rund 50 Milliarden Dollar netto in Aktien, „ohne nennenswerte Unterbrechung“, wie JPMorgan feststellte. In einer bemerkenswerten Umkehrung blieben die Amateure ruhig, während die Profis ins Schwitzen gerieten.

Dafür gibt es mehrere Erklärungen, zwei stechen jedoch hervor. Erstens: Immer mehr amerikanische Haushalte besitzen Altersvorsorgepläne, die stark auf Aktien setzen – etwa die bekannten 401(k)-Pläne. Die Amerikaner wurden darauf gedrillt, langfristig investiert zu bleiben und daran zu glauben, dass die Aktienmärkte über Zeit stets steigen – vorausgesetzt, man lässt Zinseszinseffekte und Zeit für sich arbeiten. Hinzu kommt: ETFs ermöglichen ihnen eine breite und kostengünstige Marktabdeckung. Laut Vanguard haben bis Mitte April über 97 % der 401(k)-Sparer keinerlei Umschichtungen vorgenommen. Daten von Goldman Sachs zeigen zudem, dass Hedgefonds allein am 3. und 4. April mehr Aktien verkauft haben als in jedem anderen Zwei-Tages-Zeitraum der letzten 15 Jahre.

Zweitens: Hedgefonds arbeiten in der Regel mit Hebeleffekten. Wenn die Märkte fallen, müssen sie überproportional reagieren, um Verluste zu begrenzen. Viele unterliegen zudem Verlustschwellen, die sie zum raschen Umschichten zwingen – eine strukturelle Schwäche, die Privatanleger nicht betrifft.

Unterm Strich zeigt sich: Anfang des Jahres war die Angst offenbar stärker auf Seiten der Wall Street als der Main Street – auch wenn letztlich doch die Wall Street, genauer gesagt der Anleihemarkt, die Trump-Regierung unter Zugzwang setzte.

Vielleicht liegt hier also die neue Position des berühmten „Trump Put“ – mitten auf der Straße, wie einige alte Marktstrategen augenzwinkernd bemerkten. Denn in den USA verlaufen die Interessen von Main Street und Wall Street am Ende doch meist parallel.