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EQS-WpÜG: Stichting Tranquilitati / Befreiung
Befreiung / Zielgesellschaft: Fielmann Aktiengesellschaft; Bieter: Stichting
Tranquilitati

23.12.2022 / 17:10 CET/CEST
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Für den Inhalt der Mitteilung ist der Bieter verantwortlich.

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Veröffentlichung des Bescheids der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht vom 14.04.2022 über eine Befreiung nach § 37
WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG-AngebVO von den Verpflichtungen nach §
35
Abs.1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Bezug auf die Fielmann
Aktiengesellschaft, Hamburg (ISIN DE0005772206)

Der Stichting Tranquilitati ("Antragstellerin"), Dr. Poelsstraat 63c, 7572
ZV Oldenzaal, Niederlande, wurde mit Bescheid vom 14.04.2022 von der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ("BaFin") eine Befreiung
nach § 37 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG-AngebVO ("Befreiung") mit
folgendem Tenor erteilt:

Die Antragstellerin wird gemäß § 37 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 2
WpÜG-AgebVO
für den Fall, dass sie aufgrund ihres Beitritts zum Poolvertrag vom
04.04.2013 (wie nachstehend definiert) in Erfüllung der Auflage zur
Zustiftungs- und Abtretungsvereinbarung über die schenkweise Übertragung von
8.899.615 Aktien der Fielmann Aktiengesellschaft, Hamburg von Herrn Prof.
Dr. Günther Fielmann, Lütjensee, auf die Antragstellerin die Kontrolle über
die Fielmann Aktiengesellschaft, Hamburg, erlangt, von den Pflichten nach §
35 Abs.1 Satz 1 WpÜG die Kontrollerlangung zu veröffentlichen, nach § 35
Abs. 2 Satz 1 WpÜG der BaFin eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach
§ 35 Abs. 2 Satz 1, § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu
veröffentlichen befreit.

Nachstehend werden die wesentlichen Gründe für die Befreiung dargestellt:

A.

  I. Zielgesellschaft

Zielgesellschaft ist die Fielmann Aktiengesellschaft mit Sitz in Hamburg,
eingetragen im Handelsregister des Amtsgericht Hamburg unter HRB 56098
("Zielgesellschaft").
Das Grundkapital der Zielgesellschaft beträgt EUR 84.000.000,00 und ist in
84.000.000 auf den lnhaber lautende Stückaktien, jeweils mit einem
rechnerischen Anteil am Grundkapital von EUR 1,00 eingeteilt. Die Aktien der
Zielgesellschaft sind unter der ISIN DE0005772206 in Düsseldorf, Frankfurt
am Main, Hannover, Hamburg, München und Stuttgart zum Handel im Regulierten
Markt zugelassen.

  II. Antragstellerin

Die Antragstellerin ist eine Stiftung niederländischen Rechts mit dem Ort
der Geschäftsleitung in Hamburg, Deutschland und Satzungssitz in Odenzaal,
Niederlande. Stifter ist Herr Prof. Dr. Günther Fielmann, wohnhaft in
Lütjensee ("Prof. Dr. Günther Fielmann").

Stiftungszweck ist nach der Stiftungssatzung u.a. die finanzielle
Unterstützung für die Gesundheit, die Ausbildung und die gewohnte
Lebensweise der Nachkommen von Prof. Dr. Günther Fielmann ("Destinatäre").

Organe der Stiftung sind der Aufsichtsrat (raad van commissarissen) und der
Vorstand (bestuur).

Ausweislich der Stiftungssatzung wird die Anzahl und Person der
Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat festgelegt. Zum Zeitpunkt der
Antragstellung wurde die Funktion des Vorstands von der Tranquilitati B.V.,
einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Besloten vennootschap met
beperkte aansprakelijkheid) niederländischen Rechts mit Sitz in Oldenzaal,
Niederlande wahrgenommen, deren Gesellschafter zu gleichen Teilen der Sohn
von Prof Dr. Günther Fielmann, Herr Marc Fielmann und die Tochter von Prof.
Dr. Günther Fielmann, Frau Sophie Fielmann sind. Der Aufsichtsrat besteht
aus zwei Mitgliedern. Diese werden durch die Fielmann Familienstiftung, eine
Stiftung des bürgerlichen Rechts mit Sitz in Hamburg bestellt. Zum Zeitpunkt
der Antragstellung hält die Antragstellerin keine Aktien der
Zielgesellschaft.

  III. Poolvertrag in Bezug auf die Zielgesellschaft

Zwischen der KORVA SE, einer Europäischen Aktiengesellschaft (Societas
Europaea) mit Sitz in Lütjensee, eingetragen im Handelsregister des
Amtsgerichts Berlin unter H RB 141925 ("KORVA SE"), Prof. Dr. Günther
Fielmann, Marc Fielmann und Sophie Fielmann (zusammen "Poolmitglieder")
besteht eine Poolvereinbarung ("Poolvertrag"). Nach den Regelungen des
Poolvertrags sind die Poolmitglieder verpflichtet, ihre Stimmrechte gemäß
den in Versammlungen der Poolmitglieder ("Poolversammlung") gefassten
Beschlüssen einheitlich auszuüben. Ausweislich des Poolvertrags unterliegen
diesem sämtliche Aktien der Zielgesellschaft, die die Poolmitglieder im
Zeitpunkt des Abschlusses des Poolvertrags oder künftig halten (nachfolgend
"poolgebundene Aktien").

  IV. Transaktion

Prof. Dr. Günther Fielmann beabsichtigt, 8.899.615 Aktien der
Zielgesellschaft, entsprechend 10,59% des Grundkapitals und der Stimmrechte,
im Rahmen eines Stiftungsgeschäfts der Antragstellerin zu schenken und auf
diese zu übertragen. Aufschiebende Bedingung der schenkweisen Übertragung
wird ausweislich der Zustiftungs- und Abtretungsvereinbarung sein, dass die
Antragstellerin mit den zugestifteten Aktien der Zielgesellschaft dem
Poolvertrag beitritt.

B.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

  I. Zulässigkeit des Antrags

Der Antrag ist zulässig.

Die Antragstellerin hat dem Schriftformerfordernis der §§ 37 Abs. 1, 45 Satz
1 WpÜG entsprochen.

Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass er schon vor
Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft gestellt worden ist. § 8
Satz 2 WpÜG-AngebVO lässt dies ausdrücklich zu. Das erforderliche
Sachbescheidungsinteresse liegt in diesem Fall aber nur vor, wenn die
Kontrollerlangung zum Zeitpunkt der Antragstellung vorhersehbar (vgl. Begr.
RegE, BT-Drucks, 14/7034 v. 05.10.2001, S. 81), d.h. mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Diekmann, in: Handbuch Übernahmerecht
nach dem WpüG, § 12 Rn. 137). Dies ist vorliegend der Fall.

Die Antragstellerin wird infolge der geplanten schenkungsweisen Übertragung
von 8.899.615 Aktien der Zielgesellschaft, entsprechend 10,59% des
Grundkapitals und der Stimmrechte, auf die Antragstellerin und ihres
Beitritts zum Poolvertrag die Kontrolle an der Zielgesellschaft im Sinne von
§ 29 Abs. 2 WpÜG erlangen, da ihr ein Stimmrechtsanteil von rd. 72,61% aus
insgesamt 60.988.391 Aktien der Zielgesellschaft zustehen wird.

Zum einen wird die Antragstellerin durch den Vollzug der Zustiftungs- und
Abtretungsvereinbarung, die die Antragstellerin beabsichtigt, mit Prof. Dr.
Günther Fielmann zu schließen, 8.899.615 Aktien der Zielgesellschaft,
entsprechend rund 10,59 % des Grundkapitals und der Stimmrechte, erwerben.
Zum anderen werden der Antragstellerin mit ihrem Beitritt zum Poolvertrag,
der aufschiebende Bedingung zur Zustiftungs- und Abtretungsvereinbarung sein
wird, die Stimmrechte aus den weiteren 52.088.776 poolgebundenen Aktien der
Zielgesellschaft, entsprechend rd. 62,01% des Grundkapitals und der
Stimmrechte, gemäß § 30 Abs. 2 WpÜG zuzurechnen sein. Denn ab diesem
Zeitpunkt unterliegt die Antragstellerin den Bindungen des Poolvertrags,
insbesondere der Verpflichtung, die ihr zustehenden poolgebundenen Aktien
der Zielgesellschaft nur im Einklang mit den Beschlüssen der Poolversammlung
auszuüben. Damit ist sie Beteiligte einer Vereinbarung über die
Verständigung zur Ausübung von Stimmrechten aus Aktien der Zielgesellschaft
im Sinne von § 30 Abs. 2 WpÜG.

  II. Begründetheit des Antrags

Der Antrag ist auch begründet. Die Voraussetzungen für eine Befreiung der
Antragstellerin nach § 37 Abs. 1 WpüG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 2
WpüG-AngebVO
liegen vor, und die Interessen der Antragstellerin überwiegen das Interesse
der außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft an einem öffentlichen
Pflichtangebot.

  1. Kontrollerwerb der Antragstellerin

Die Antragstellerin wird infolge des Vollzugs der Zustiftungs- und
Abtretungsvereinbarung und ihres Beitritts zum Poolvertrag über einen
Stimmrechtsanteil von 72,61% aus insgesamt 60.988.361 Aktien der
Zielgesellschaft verfügen (s. vorstehend B.I.). Hierdurch erlangt sie die
Kontrolle über die Zielgesellschaft im Sinne von § 29 Abs. 2 WpüG.

  2. Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG-AngebVO

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Befreiungstatbestands des § 9 Satz
1 Nr. 2 WpÜG-AngebVO sind erfüllt, denn die Antragstellerin wird die
Kontrolle an der Zielgesellschaft im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang
mit der Schenkung von einem Schenker erlangen, mit dem sie nicht im Sinne
des § 36 Nr. 1 WpÜG verwandt ist.

  a. Schenkung

Die Übertragung von 8.899.615 Aktien der Zielgesellschaft auf die
Antragstellerin wird auf der Grundlage eines Schenkungsvertrags im Sinne der
§§ 516 ff. BGB erfolgen. Die Schenkung erfüllt die an eine Schenkung im
Sinne von § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG-AngebVO zu stellenden Voraussetzungen. Denn
für eine solche ist es nicht erforderlich, dass der Bieter die Kontrolle
unmittelbar (und allein) aufgrund der Schenkung erlangt; ein sachlicher und
zeitlicher Zusammenhang ist ausreichend. Die schenkweise Übertragung der
Aktien der Zielgesellschaft steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass
die Antragstellerin auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Aktien der
Zielgesellschaft dem Poolvertrag beitritt. Die Schenkung und der Eintritt
zum Poolvertrag werden folglich zeitgleich wirksam.

  b. Fehlendes Verwandtschaftsverhältnis zwischen Schenker und
    Antragstellerin

Die Schenkung von Prof. Dr. Günther Fielmann an die Antragstellerin ist als
Schenkung zwischen Parteien anzusehen, die nicht verwandt im Sinne des § 36
Nr.1 WpÜG sind. § 36 Nr. 1 WpÜG erfasst Schenkungen unter Ehegatten,
Lebenspartnern oder Verwandten in gerader Linie und bis zum dritten Grade. §
9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG-AngebVO erweitert nicht nur diesen Kreis der
Verwandtschaftsverhältnisse, sondern lässt es auch genügen, wenn zwischen
Schenker und Bieter überhaupt kein Verwandtschaftsverhältnis besteht
(BT-Drucks. 14/7034 vom 05.10.2001, S.81). Dementsprechend können auch
Schenkungen an Stiftungen oder andere juristische Personen von § 9 Satz 1
Nr. 2 WpüG-AngebVO erfasst sein (Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpüG, § 9 WpÜG-AngebVO, Rn. 15). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die
Übertragung auf eine juristische Person oder Stiftung erfolgt, an der
Verwandte, verdiente Mitarbeiter oder sonst in einem besonderen
Näheverhältnis zum Schenker stehende natürliche Personen Anteile halten oder
aus der sie Zuwendungen erhalten und die Übertragung so der nicht nur
kurzfristigen Fortführung familiär geprägter Unternehmen dient. Denn
ausweislich der Gesetzesbegründung soll durch § 9 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2
WpüG-AngebotsVO ".insbesondere die Nachfolge bei kleinen und mittleren
Unternehmen ohne Pflichtangebot ermöglicht werden, bei denen eine
Nachfolgelösung in der Familie nicht in Betracht kommt, beispielsweise aber
geeignete Mitarbeiter zur Verfügung stehen" (vgl. BT-Drucks. 14/7034 vom
05.10.2001, S. 81).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend durch die Gestaltung des
Stiftungszwecks der Antragstellerin und die Bestimmung des Kreises der durch
die Antragstellerin Begünstigten erfüllt. Durch diese wird eine adäquate
Nachfolgeregelung im fortwährenden Bewusstsein der Prägung der
Zielgesellschaft als Familiengesellschaft geschaffen.

  3. Ermessen

Die Erteilung der Befreiung liegt im Ermessen der BaFin.

Nach Abwägung der Interessen der Antragstellerin einerseits und der
außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft andererseits ist eine
Befreiung von den Pflichten nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG
gerechtfertigt. Das Interesse der Antragstellerin, nicht den finanziellen
Belastungen eines Pflichtangebots ausgesetzt zu sein, überwiegt das
Interesse der außenstehenden Aktionäre an einem Pflichtangebot. Die
Veränderung in der Beteiligungsstruktur der Zielgesellschaft rechtfertigt
für die übrigen Aktionäre keine

außerordentliche Desinvestitionsentscheidung. Die schenkweise Übertragung
der Aktien auf die Antragstellerin und die durch das abgestimmte Verhalten
entstehende Kontrollposition der Antragstellerin dient dem Zweck, die bisher
familiär geprägte Beteiligungsstruktur der Zielgesellschaft durch die neue
Struktur in gewisser Weise lediglich fortzuführen. Eine materielle
Veränderung in der Kontrollstruktur, die ein Festhalten an den
Verpflichtungen im Sinne des § 35 WpüG rechtfertigen oder sogar verlangen
würde, ist gerade nicht zu erkennen.


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1521347 23.12.2022 CET/CEST

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