2. Dezember 2020

Es ist genau ein Jahr her, seitdem die Gaspipeline Power of Siberia feierlich in Betrieb genommen worden ist.

Sie stellt nicht bloß eine Arterie für den Transport von 'blauem Brennstoff' dar. Es ist ein Kernprojekt, das im Rahmen des Östlichen Gasprogramms konzipiert worden ist und umgesetzt wird. Hauptziel dieses Programms ist es, die Gasbranche in Ostsibirien und im Fernen Osten zu etablieren, wirtschaftliches Wachstum zu fördern und die Gasinfrastruktur auszubauen sowie eine neue Exportroute, moderne Produktionsstätten und Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Ferngasleitung, die sich heute über mehr als 2.000 Kilometer erstreckt, verleiht bereits der Entwicklung mehrerer Regionen im russischen Osten einen gewaltigen Antrieb. Darunter ist auch das Verwaltungsgebiet Amur. Es klingt nicht übertrieben, wenn man behauptet, dass die Power of Siberia ein neues Kapitel in der Geschichte dieser Region aufgeschlagen hat. Wir sind daraufhin ins Amur-Gebiet gereist, um zu sehen, wie die Gaspipeline funktioniert.

Im 17. Jahrhundert erschlossen Kosakentrupps von Wassili Pojarkow und Jerofei Chabarow die Gegenden, die zum heutigen Verwaltungsgebiet Amur gehören. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde hier die Transsibirische Eisenbahn, bekannt als Transsib, gebaut. Im 20. Jahrhundert wurde mit der Errichtung der Baikal-Amur-Magistrale ein neuer Meilenstein in der Geschichte dieser Region gesetzt. Nun hat die Region im 21. Jahrhundert mit dem Bau von Objekten der Power of Siberia einen wichtigen Platz auf der Landkarte der russischen Gasindustrie eingenommen.

Die Gaspipeline wurde in menschenleeren Gegenden errichtet, wo Wälder von Sümpfen und wilde Wiesen von Salsen abgelöst werden. Hier wurden Straßen, Brücken, Hochspannungs- und Fernmeldeleitungen von null auf gebaut und verlegt. Dadurch konnte die ingenieurtechnische und Verkehrsinfrastruktur der Region 'nachziehen'.

In Gedenken an die Wegbereiter, die den Fernen Osten erschlossen haben, wurden Verdichterstationen (VS) der Power of Siberia nach ihnen benannt. Am bereits betriebenen Abschnitt der Gaspipeline wird es acht Verdichterstationen geben: Iwan Rebrow, Pjotr Beketow, Maxim Perfiljew, Iwan Moskwitin, Wassili Pojarkow, Jerofei Chabarow und Wassili Kolesnikow. Die achte und leistungsstärkste Verdichterstation hat den Namen Atamanskaja erhalten. Sie ist bereits in Betrieb. Die Atamanskaja nimmt ein Gelände von zwölf Hektar ein, fast fünf Mal so viel wie der Rote Platz in Moskau.

Vergleicht man das Gasversorgungssystem mit einem Organismus, so stellt eine Verdichterstation sein Herz dar, das Gas durch die Rohre wie durch Blutgefäße pumpt. Hier wird der 'blaue Brennstoff' gereinigt, komprimiert, gekühlt und weitergeleitet.

Hauptelement einer Verdichterstation ist die Vorverdichteranlage. In der Atamanskaja gibt es fünf davon: zwei mit einer Leistung von jeweils 16 Megawatt und drei mit einer Leistung von jeweils 32 Megawatt. Diese Kombination aus Vorverdichteranlagen mit verschiedener Leistung ermöglicht es, den Betriebsmodus der Station flexibel einzustellen.

Den 16-Megawattanlagen (VVA-16U) liegen modernisierte Flugzeugtriebwerke zugrunde. Sie werden in Perm hergestellt.

Die Anlagen mit einer Leistung von 32 Megawatt (VVA-32 Ladoga) stammen aus dem Nevsky Zavod in Sankt Petersburg. Daher auch ihr Name - in Anlehnung an den Ladogasee, der zu den größten in Europa gehört. Diese Anlagen wurden speziell für die russische Gasbranche produziert. Das Konzept ist relativ neu, hat aber seine Verlässlichkeit bewiesen: Derartige Turbinen werden seit zehn Jahren erfolgreich bei der Gazprom betrieben. Der Ladoga-Verdichter leistet 95 Drehungen pro Sekunde, etwa vier Mal so viel wie die Trommel in der Waschmaschine bei Ihnen zu Hause.

Die Ladoga-Anlage ist schon an den blauen Stahlschirmen, die an eine Pagode erinnern, leicht zu erkennen, wenn man sich der Atamanskaja nähert.

Werfen wir einen Blick auf die Verdichterstation aus der Vogelperspektive. Sehen Sie die gelben Rohre, die von jedem Block abgehen und anschließend im Boden verschwinden?

Mit einer Geschwindigkeit von 10,5 Metern pro Sekunde fließt durch sie das für Verbraucher komplett aufbereitete, von Begleitstoffen gereinigte, komprimierte und gekühlte Gas.

Sämtliche Versorgungsleitungen, einschließlich Gasrohre und Kabelstränge, verlaufen in der Verdichterstation auf Gerüstbrücken. So gelangen die Arbeiter leichter und sicherer zu jedem Netzabschnitt, um ihn zu sichten und zu warten.

Um den Betrieb des komplizierten 'Organismus' der Station zu kontrollieren, sind bereits in der Bauphase hochqualifizierte Fachkräfte aus verschiedenen russischen Regionen hergekommen. Einer von ihnen ist Maxim Egorov, stellvertretender Leiter der VS Atamanskaja. Er hat zuvor zehn Jahre lang in einer Gazprom-Tochtergesellschaft in Jekaterinburg gearbeitet. Im April 2019 hat er zur Gazprom Transgaz Tomsk gewechselt (sie betreibt die Gaspipeline Power of Siberia) und die Endphase der Bauarbeiten erwischt. 'Damals waren auf der Baustelle Hunderte von Arbeitern gleichzeitig im Einsatz', erinnert er sich. 'Ich hatte sofort das Gefühl, Teil einer großartigen Geschichte geworden zu sein.'

Atamanskaja ist eine 'intelligente' Station: Technologische Prozesse sind maximal automatisiert, verlangen also kaum Personaleinsatz. So sieht der Hauptschaltraum in der VS Atamanskaja aus. Auf einem Dutzend Monitore kann man die Funktionsfähigkeit von jedem Mechanismus nachvollziehen. Momentan halten sich im Saal nur ein paar Fachkräfte auf. Im Allgemeinen wird jedoch für die Kontrolle über die Anlagen ein Ingenieur pro Schicht benötigt. Technologien mit geringem Personalaufwand in Aktion.

Der Betrieb der Station wird für keinen Augenblick unterbrochen. Wenn die Sonne am Horizont untergeht, beginnt die Nachtschicht.

Sobald es dunkel wird, gehen an den Masten Scheinwerfer an. An ihren Lichtern erkennt man die Verdichterstation aus der Ferne, wie einen Leuchtturm auf See.

Die VS Atamanskaja ist nur eines von vielen Objekten der Power of Siberia. Um alle Bindeglieder dieser technologischen Kette zu sehen, muss man eine Reise von mehreren Tagen unternehmen. Sie führt die durch malerische Wälder, über Flachland und vorbei an Salsen.

Entlang der Pipeline liegen fünf Betriebsverwaltungen für Ferngasleitungen. Wir haben eine von ihnen in der Stadt Swobodny besucht. Betriebsverwaltungen sind so etwas wie Leitzentralen, die für den reibungslosen Betrieb einer Gaspipeline sorgen.

Hier haben auch Teams, die für die Wartung und bei Bedarf für Instandsetzungsarbeiten zuständig sind, ihren Stützpunkt. Auf dem Gelände der Betriebsverwaltung erblickt man eine lange Reihe von Hallen mit sämtlichen benötigten schweren Maschinen, von Rohrlegern (im Vordergrund) bis hin zu Feuerwehrautos, Schnee- und Sumpffahrzeugen.

Eine große Satellitenantenne ermöglicht eine ununterbrochene Kommunikation. Sie wird von Weltraumsatelliten der Gazprom, 'Jamal' genannt, gestützt.

Das ist die Dispatcherzentrale. Fast die gesamte Arbeit wird hier von elektronischen Geräten geleistet. Ohne den Menschen kommt man allerdings nicht aus: Ein Fachmann beobachtet ständig die Daten auf dem Bildschirm, wertet sie aus und steht in Kontakt mit anderen Dienststellen.

Auf dem Monitor werden über 150 Eckdaten angezeigt, darunter Druck, Temperatur und Zustand der Ventile. Sollte plötzlich eine Kennzahl vom Richtwert abweichen, wird ein Ton- und Lichtzeichen an der Warnanlage ausgelöst.

Um bei Bedarf - zum Beispiel für Wartungsarbeiten - einen Abschnitt der Gaspipeline zu isolieren, sind Absperrventile eingebaut. Die Betriebsverwaltung Swobodnenskoje überwacht 18 davon. Der Dispatcher kann diese Ventile per Fernbedienung öffnen und schließen. Wartungsarbeiten werden an Abschnitten der Gaspipeline regelmäßig vorgenommen, zum Beispiel vor Wintereinbruch. Ebenso wie Wasserdruckproben in städtischen Wärmeversorgungsnetzen, dienen sie dazu, um ein übriges Mal zu prüfen, ob das System von Beginn der kalten Jahreszeit störungsfrei funktioniert.

Die Verbindung zwischen den Computern in der Dispatcherzentrale und den Ventilstandorten wird zur maximalen Sicherheit von drei Fernmeldearten gewährleistet: über Lichtfaserkabel, Richtfunk und Satelliten.

Darüber hinaus fahren Fachkräfte der Verwaltung regelmäßig zu den Ventilstandorten, um die Ausrüstung zu sichten.

Übrigens können elektronisch gesteuerte Prozesse bei Bedarf auf manuellen Betriebsmodus umgestellt werden.

So modern und technologisch fortgeschritten die Ausrüstung auch sein mag, die wertvollsten Ressourcen der Gazprom sind dennoch die Menschen. Deshalb werden für Mitarbeiter der Betriebsverwaltung bestmögliche Arbeits- und Alltagsbedingungen geschaffen. Unmittelbar auf dem Gelände der Betriebsverwaltung Swobodnenskoje liegt neben der Dispatcherzentrale und den technischen Hallen ein Städtchen für Schichtarbeiter mit einem zweistöckigen Wohnheim, in dem hundertfünfzig Zimmer eingerichtet sind. Davon, wie gemütlich sie sind, haben wir selbst einschätzen können, nachdem wir ein paar Tage dort verbracht haben.

Die meisten Zimmer sind für eine Person bestimmt und haben einen eigenen Sanitärraum mit Duschkabine. Nach der Schicht können sich die Mitarbeiter in ruhiger und wohnlicher Atmosphäre ausruhen. Ingenieur Yury Kinzersky versucht, ein neues Level im Computerspiel zu bewältigen.

Man braucht nicht selber zu kochen: Im Erdgeschoss ist eine Kantine untergebracht. Die Köche wissen ganz genau, was die Insassen des Wohnheims zum Frühstück, Mittagessen und Abendbrot bevorzugen.

Die Speisekarte ist jeden Tag neu, darauf stehen aber immer Fleisch- und Fischgerichte, Suppen, Gemüsesalate und Kompott.

Zwischen den Schichten kann man die Sportanlage besuchen. Sie liegt in einem gesonderten Block und umfasst eine Sporthalle, einen Fitnessraum mit Geräten für Krafttraining, Dusch- und Umkleideräume.

Hier findet man alles, um gut in Form zu bleiben: Gewichte, Hanteln und Cardio-Fitnessgeräte.

In der Sporthalle werden derzeit Innenarbeiten abgeschlossen, nur der letzte Tupfer ist geblieben - der Bodenbelag. Basketballringe und Fußballtore stehen bereits parat. Bald können Mannschaftsspiele stattfinden.

Es sind drei Stunden Fahrt von der Betriebsverwaltung zur Gasmessstation der Power of Siberia. Weiter jenseits des Amur-Flusses liegt bereits China.

Eine Gasmessstation stellt im Grunde genommen einen riesengroßen Gaszähler dar. Hier wird gemessen, wie viel Brennstoff exportiert wird.

Für präzise Messungen sind moderne Messgeräte zuständig. Sie sind im technologischen Block installiert. Die Zähler befinden sich in Metallschränken, durch die acht Gasmesslinien verlaufen.

Aus der Gasmessstation wird der blaue Brennstoff nach China weitergeleitet. Die Gastransportsysteme beider Länder treffen am Boden des Amur aufeinander. Um Schäden für das empfindliche Ökosystem vollständig auszuschließen, wurde 20 Meter tief unter dem Flussboden ein spezieller Tunnel gebaut.

Gas, das aus ostsibirischen Lagerstätten ins Verwaltungsgebiet Amur geleitet wird, besteht aus mehreren Komponenten. Neben Methan enthält es Ethan, Propan, Butan, Pentan-Hexan-Fraktion und Helium. Um diese hochwertigen Komponenten zu extrahieren, wurde im Jahr 2015 auf einem Freigelände, 20 Kilometer weit von der Stadt Swobodny, mit dem Bau des Gasverarbeitungswerkes Amur begonnen. Dies ist eine weitere neue Industriebranche für diese Region.

Der Betrieb erstreckt sich über eine Fläche von mehr als 800 Hektar. Dieses Gelände könnten durchaus 1.100 Fußballplätze beherbergen.

Nach Abschluss der Bauarbeiten sollen im Gasverarbeitungswerk Amur 42 Milliarden Kubikmeter Erdgas aufbereitet werden. Es wird zu einem der weltweit leistungsstärksten Betriebe.

Die aus Erdgas gewonnenen Komponenten werden als Rohstoff für die Fertigung verschiedener Produkte dienen: beispielsweise Polyethylen, Polypropylen, Kunststoffe und Synthesekautschuk, hochoktaniger Kraftstoff, Lösemittel und Schmierstoffe.

Die Komponenten werden in solchen Gastrennungstürmen extrahiert. Der höchste Turm - für die Trennung von Methan - hat fast die Höhe von einem 30-stöckigen Haus.

Das Gasverarbeitungswerk Amur wird zu einem absoluten Spitzenreiter in Bezug auf die Produktion von Helium (bis zu 60 Millionen Kubikmetern jährlich), einer höchst wertvollen Komponente von Erdgas. Dieses Gas ist für viele forschungsintensive Branchen vonnöten: Mikroelektronik, Medizin und Weltraumindustrie.

Das Helium wird mit Zugmaschinen KAMAZ-5490 Neo transportiert, die in Russland speziell entwickelt worden sind und mit umweltfreundlichem verflüssigtem Erdgas betrieben werden. Container dieser Zugmaschinen, die auf Fernstrecken zum Einsatz kommen, werden ständig unter Niedrigtemperaturen von minus 269 Grad Celsius gehalten. Das Helium wird aus dem Gasverarbeitungswerk Amur zum weltweit größten Helium-Hub in der Nähe von Wladiwostok befördert. Von dort aus wird es in Containern auf dem Seeweg an Kunden geliefert.

Im Jahr 2020 laufen die Bauarbeiten auf Hochtouren. Hier sind über 30.000 Arbeiter gleichzeitig im Einsatz: Nahezu die gesamte Bevölkerung einer Kreisstadt. Das Projekt für das Gasverarbeitungswerk Amur ist bereits fast zu 70 Prozent umgesetzt.

Es wurde ausgerechnet: Wenn man alle Metallkonstruktionen, die für den Bau dieses Betriebes verwendet worden sind, zusammenlegt, kann man daraus 23 Eiffeltürme bauen.

Dabei entsteht das Gasverarbeitungswerk Amur in einer Bauweise, bei der die Natur im Fernen Osten verschont bleibt. Umweltfreundlichkeit gehört zu den wichtigsten Ansätzen, an die sich Gazprom hält. Noch vor Baubeginn wurde hier die Umwelt aufs Gründlichste untersucht: Wasser-, Luft- und Bodenproben wurden entnommen, die örtliche Tier- und Pflanzenwelt wurde erforscht.

Die erhobenen Daten dienen nunmehr als Richtwerte: Die Labors unternehmen auf deren Grundlage das regelmäßige Monitoring in der Umgebung der Baustelle. Die Umweltsicherheit beim Bau des Gasverarbeitungswerkes Amur ist durch Ergebnisse von mehr als 2.000 Proben nachgewiesen.

Mit den Megaprojekten in der Gasbranche, die im Verwaltungsgebiet Amur gestartet worden sind, werden in der Region neue feste Arbeitsplätze geschaffen, deren Anzahl zunehmen wird.

Künftige Mitarbeiter des Gasverarbeitungswerkes Amur werden in einem neuen Wohngebiet in der Stadt Swobodny leben. Bauarbeiter errichten 36 Reihen- und 42 Mehrfamilienhäuser für 5.000 Einwohner sowie einen Kindergarten, eine Schule, eine Poliklinik, eine Sportanlage, ein Kultur- und Freizeitzentrum.

Ähnlich wie die Wegbereiter den Fernen Osten einst erschlossen haben, entfaltet Gazprom im Osten des Landes kontinuierlich das Potenzial von Erdgas, einem umweltfreundlichen Energieträger. Die Power of Siberia, die vom Lena-Fluss bis zum Amur verläuft, endet damit nicht in Russland. In der zweiten Phase wird ein 800 Kilometer langer Pipelineabschnitt gebaut. Er wird die beiden größten Lagerstätten im Osten des Landes verbinden: Tschajandinskoje in Jakutien und Kowyktinskoje im Verwaltungsgebiet Irkutsk. Es steht außer Zweifel, dass all diese großangelegten Aufgaben, vor denen die Power of Siberia steht, gemeistert werden.

Slava Stepanov, Vyacheslav Gorchakov, Redaktion der Website der PAO Gazprom

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OAO Gazprom veröffentlichte diesen Inhalt am 02 Dezember 2020 und ist allein verantwortlich für die darin enthaltenen Informationen.
Unverändert und nicht überarbeitet weiter verbreitet am 07 Dezember 2020 09:12:06 UTC.

Originaldokumenthttp://www.gazprom.de/press/news/reports/2020/power-of-siberia-inside/

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