(neu: Hintergrund zu Wintershall Dea, Aktienkurs und Analyst)

LUDWIGSHAFEN (dpa-AFX) - Der Rückzug der BASF-Tochter Wintershall Dea aus Russland brockt ihrem Mutterkonzern für 2022 einen Milliardenverlust ein. Unter dem Strich blieb bei BASF ein Fehlbetrag von rund 1,4 Milliarden Euro, wie der Dax-Konzern überraschend am Dienstagabend nach Börsenschluss in Ludwigshafen mitteilte. Hauptursache waren Abschreibungen auf Wintershall Dea von 7,3 Milliarden Euro. Die Tochter beklagt eine faktische Enteignung ihrer Beteiligungen in Russland. Sie plant den Angaben zufolge einen vollständigen Rückzug aus dem Land unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen. Die BASF-Aktie lag am Mittwochnachmittag noch mit rund 0,2 Prozent im Minus und machte stärkere Kursverluste am Morgen weitgehend wett.

Die hohen Abschreibungen seien eigentlich ein offenes Geheimnis gewesen, sagte ein Aktienhändler. Und Analyst David Varga vom Bankhaus Metzler kann den Wintershall-Abschreibungen in Bezug auf Russland sogar Positives abgewinnen. Diese stellten die Flexibilität der Sparte wieder her und ebneten den Weg für den Börsengang des Geschäftsbereichs. Da zudem Abschreibungen nicht zahlungswirksame Aufwendungen sind, sehen Experten zunächst keine Gefahr für die Dividendenzahlung von BASF. Maßgeblich für die Ausschüttung der Ludwigshafener seien typischerweise die freien Barmittelzuflüsse, merkte Analystin Georgina Fraser von der US-Investmentbank Goldman Sachs an.

Seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine hatte Wintershall Dea in der Kritik gestanden, weil das Unternehmen an seinem Russlandgeschäft festgehalten hatte. Andere Energiekonzerne wie Shell und Enel haben sich zeitig von ihrem Geschäft in dem Land getrennt.

Wintershall-Dea-Chef Mario Mehren hatte jüngst noch gesagt, es gebe dort zwar kein Neugeschäft, "aber die einzige Möglichkeit, uns aus Russland zurückzuziehen, wäre es, dem russischen Staat unsere Aktivitäten zu schenken". Die Vermögenswerte in Russland betrügen rund 2,5 Milliarden Euro. Das Unternehmen hatte Ende Oktober angekündigt, eine rechtliche Trennung des Geschäfts zu prüfen. Zuletzt stammte etwa die Hälfte seiner Öl- und Gasproduktion aus Russland.

"Eine Fortführung unseres Geschäftes in Russland ist nicht tragbar", sagte Mehren nun laut Mitteilung am Dienstagabend. Der Angriffskrieg auf die Ukraine habe die Zusammenarbeit zwischen Russland und Europa zerstört. Außerdem habe die russische Regierung die Tätigkeit westlicher Unternehmen eingeschränkt. "Die Joint Ventures wurden de facto wirtschaftlich enteignet", sagte Mehren.

Wintershall Dea verwies dabei auf russische Regelungen von Ende Dezember. Diese reduzierten rückwirkend die Preise, zu denen die Gemeinschaftsunternehmen ihre produzierten Kohlenwasserstoffe an den russischen Konzern Gazprom verkaufen können.

Künftig will Wintershall Dea die Kennzahlen seiner russischen Gemeinschaftsunternehmen nicht mehr in den Konzernabschlüssen ausweisen. Ausgenommen seien Änderungen des Zeitwerts der finanziellen Vermögenswerte, hieß es.

Derweil will BASF seine Mehrheitsbeteiligung Wintershall Dea nach dem angekündigten Russland-Rückzug weiterhin an die Börse bringen. "BASF steht zu ihrem strategischen Ziel, ihre Anteile an der Wintershall Dea AG zu veräußern", sagte ein Sprecher auf Anfrage. Entsprechend werde ein Börsengang des Unternehmens weiterhin angestrebt.

Wintershall Dea war 2019 aus der Fusion der Wintershall Holding und der Dea hervorgegangen. BASF hält gut 70 Prozent an Wintershall Dea. Der Rest gehört der Beteiligungsgesellschaft LetterOne. Ursprünglich hatte BASF den Börsengang für das zweite Halbjahr 2020 geplant, ihn aber inzwischen mehrfach verschoben.

Auf Ebene des Mutterkonzerns BASF summierten sich die Abschreibungen auf Wintershall Dea allein im vierten Quartal auf 5,4 Milliarden Euro. Dabei nahm der Konzern auch Wertberichtigungen auf das europäische Gastransport-Geschäft der Gesellschaft vor und schrieb die Beteiligung an der Pipeline-Gesellschaft Nord Stream AG komplett ab.

Auch im Tagesgeschäft lief es für BASF eher trüb. Zwar stieg der Umsatz im abgelaufenen Jahr dank Währungseffekten und höherer Preise um elf Prozent auf 87,3 Milliarden Euro und erreichte damit die vom Vorstand angepeilte Spanne. Vor Sonderposten und vor Zinsen und Steuern verdiente BASF mit knapp 6,9 Milliarden Euro aber gut elf Prozent weniger als im Jahr zuvor.

Das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen habe die Markterwartungen im vierten Quartal um 17 Prozent verfehlt, schrieb Analyst Andrew Stott von der Schweizer Großbank UBS. Hauptverantwortlich seien die Bereiche Chemicals sowie Nutrition & Care. In der erstgenannten Sparte stellt BASF Basischemikalien und im zweiten unter anderem Inhaltsstoffe für Konsumgüter her. Auch Analyst Chetan Udeshi von der US-Bank JPMorgan hatte für das Schlussquartal mit einem höheren operativen Ergebnis gerechnet. Die Abschreibungen auf das Russlandgeschäft seien hingegen keine Überraschung.

Mit einem Nettoverlust hatten Analysten laut BASF aber nicht gerechnet. Im Jahr 2021 hatte der Konzern rund 5,5 Milliarden Euro verdient. Allerdings hatten sich Belastungen infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der in der Folge stark gestiegenen Energiepreise vor allem in Europa bereits abgezeichnet. Die Konzernspitze um Vorstandschef Martin Brudermüller hat daher bereits ein Sparprogramm angekündigt. Chemieunternehmen hatten vor allem mit dem stark gestiegenen Gaspreis zu kämpfen.

BASF will am 24. Februar seine Bilanz für 2022 vorlegen./mne/stw/jha/