Von Jon Sindreu

NEW YORK (Dow Jones)--Die Luftfahrtsparte von General Electric (GE) ist bereit für den Alleinflug. Der Weg dorthin könnte aber schwieriger sein, als die Investoren, die einfache Unternehmensstrukturen lieben, glauben möchten.

Gerade gab GE bekannt, sich in drei Unternehmen aufspalten zu wollen, was den Höhepunkt eines jahrelangen Prozesses darstellt, in dem das Management Geschäftsfelder wie Finanzdienstleistungen, Lokomotiven und Haushaltsgeräte verkaufte. GE wird seine Triebwerkssparte behalten, die im vergangenen Quartal ein Drittel des Umsatzes ausmachte, während die Bereiche Medizintechnik und Energie abgespalten werden sollen.


   Fragezeichen hinter Sinn der Trennung von Energie- und Triebwerkssparte 

Die Aktie verbesserte sich als Reaktion auf die Ankündigung. Nachdem die Pandemie die Rentabilität der Luftfahrtsparte stark beeinträchtigte und der Rest von GE schon vor der Krise schwächelte, ist für Konzern-Chef Larry Culp der Versuch sehr sinnvoll, zusätzlichen Wert zu schaffen in einem Marktumfeld, das fokussierte Unternehmen bevorzugt. Insbesondere die Ausgliederung der Gesundheitssparte ist dafür ein klarer Fall.

Ob es hingegen sinnvoll ist, die Sparten Luft- und Raumfahrt sowie Energie abzutrennen, erscheint fraglich. Es gibt einen Grund dafür, dass sowohl GE als auch sein britischer Konkurrent Rolls-Royce traditionell Flugzeugtriebwerke mit Anlagen für die Stromerzeugung kombiniert haben, was auf Überschneidungen in Forschung und Entwicklung hindeutet.

Turbinen sind das offensichtlichste Beispiel, da sie sowohl für die Stromerzeugung als auch für den Antrieb von Flugzeugen verwendet werden. Auf dem Papier ist es vorteilhaft, sie in der Energiesparte zu testen, wo die Investitionszyklen kürzer sind, bevor sie in einem angrenzenden Markt wie der Luftfahrt eingesetzt werden. Bei der Entwicklung von Elektroflugzeugen in der Zukunft könnte es zu ähnlichen Überschneidungen zwischen Batterie- und der sogenannten Microgrid-Technologie kommen.


   Triebwerke sind ein zyklisches Geschäft 

GE argumentiert nun, dass die Forschungsbudgets der beiden Sparten unabhängig geworden sind. Und es stimmt tatsächlich, dass die Synergien nie ganz das gehalten haben, was sie versprachen, vielleicht da Gasturbinen und Düsentriebwerke sehr unterschiedlichen Sicherheitsvorschriften und Kundengruppen haben. Die Kosten für die Anpassung von Turbinen, die für die Stromerzeugung verwendet werden, für den Einsatz in der Luftfahrt waren oft höher als erwartet. Aus diesem Grund verkaufte Rolls seine Industriegasturbinen des Typs Trent 60 im Jahr 2014 an Siemens.

Aber es gibt noch ein weiteres Problem. Wie die Covid-19-Krise gezeigt hat, sind Triebwerkshersteller stärker als die meisten anderen Unternehmen von Abschwüngen betroffen. Der Grund: Sie verkaufen ihre Produkte in der Regel mit Verlust und das Geld holen sie dann durch jahrelange Reparaturen und Wartungen uf dem sogenannten Aftermarket wieder herein. In der Vergangenheit wurde GE Aviation von anderen GE-Sparten finanziert, wenn Fluggesellschaften ihre Werkstattbesuche einschränkten. Das Gleiche gilt für Rolls-Royce, das jetzt mehr Wert auf Diversifizierung legt.


   GE verbündet sich bei Triebwerksprogramm mit französische Safran 

Natürlich ist Rolls viel kleiner und hat sich - problematischerweise während einer Pandemie - auf größere Jets spezialisiert. Dennoch stellt sich die Frage, ob der Verkauf der Jet-Leasing-Einheit von GE Anfang des Jahres eine gute Idee war, da sie große Vorbestellungen für Jets mit GE-Triebwerken lieferte und Ersatzteile vermietete, was ebenfalls zur Glättung der Zyklen beitrug.

Letztendlich erwartet der Markt, dass sich die Einnahmen aus dem Triebwerksgeschäft nach dem Verkauf weiter stark erholen, was es GE Aviation ermöglichen sollte, zumindest vorläufig allein zurechtzukommen. Das Energiegeschäft wird sich auf Offshore-Windkraft und die Umrüstung großer Gasturbinen auf Wasserstoffbetrieb konzentrieren.

Der Luftfahrtbereich wird sich wahrscheinlich mehr auf Projekte wie das sogenannte Open-Fan-Triebwerksprogramm konzentrieren, das es zusammen mit dem französischen Unternehmen Safran entwickelt.


   Nächste Krise ist gewiss 

Doch die nächste Krise wird unweigerlich kommen. Um sich zu schützen, könnte die neue GE es vorziehen, die Komplexität zu reduzieren und eine Firma aus dem Rüstungssektor mit stabileren Cashflows zu kaufen, für eine Struktur ähnlich der des Rivalen Pratt & Whitney innerhalb von Raytheon Technologies.

Selbst in einem Markt, der Konglomerate nicht mag, dürfte ein eigenständiges Triebwerksunternehmen mehr Turbulenzen ausgesetzt sein, als vielen Investoren gefallen könnte.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/DJN/axw/smh

(END) Dow Jones Newswires

November 10, 2021 03:31 ET (08:31 GMT)