DUBAI (awp international) - Der US-Flugzeugbauer Boeing gewinnt in seiner schweren Krise offenbar etwas Vertrauen bei seinen Kunden zurück. Auf der Luftfahrtmesse in Dubai rangen sich erste Fluggesellschaften wieder zum Kauf von Boeings Katastrophenjet 737 Max durch, für den seit März nach zwei Abstürzen mit 346 Todesopfern ein weltweites Flugverbot gilt. Weitere Gespräche mit Kunden laufen. Wann die Maschinen der Reihe wieder abheben dürfen, ist jedoch immer noch unklar. Die Boeing-Aktien gewannen am Dienstag im vorbörslichen US-Handel etwas mehr als ein Prozent hinzu.

So beliess es die Fluggesellschaft Air Astana in Dubai vorerst auch bei einer Absichtserklärung. Die Staatsfluglinie aus Kasachstan will 30 Exemplare des Mittelstreckenjets ordern und bei ihrer neuen Billigtochter FlyArystan einsetzen, wie beide Seiten am Dienstag mitteilten. Der Deal soll erst in den kommenden Monaten finalisiert werden.

Laut Preisliste hätte die Bestellung einen Gesamtwert von 3,6 Milliarden US-Dollar (3,3 Mrd Euro). Allerdings dürften sich die Airlines mit ihrem Bekenntnis zu dem Flugzeugtyp bessere Preise gesichert haben. Denn die Preislisten der Hersteller Boeing und Airbus sind bei den Kaufverhandlungen nur die Grundlage. In der Realität sind immense Rabatte üblich - besonders bei wenig gefragten Modellen.

Air Astana hatte bei ihren Mittelstreckenjets bisher auf Modelle des Boeing-Rivalen Airbus gesetzt. Nun konnte Boeing bei den Kasachen punkten. "Wir glauben, dass die 'Max' eine gute Plattform für das Wachstum von FlyArystan in unserer Region wird, sobald das Flugzeug erfolgreich zurück in den Dienst geht", sagte Air-Astana-Chef Peter Foster. Auch der indische Billigflieger SpiceJet spricht nach eigenen Angaben mit Boeing über eine mögliche Bestellung von Max-Jets.

Bereits am Montag hatte der zu Lufthansa und Turkish Airlines gehörende Ferienflieger SunExpress seine bestehende Max-Bestellung von 32 auf 42 Maschinen aufgestockt. Es war der erste verbindliche Auftrag für den Flugzeugtyp seit Beginn des Flugverbots. Zwar hatte die British-Airways-Mutter IAG im Juni überraschend eine Grossbestellung über 200 Maschinen angekündigt, hat diese aber bis jetzt noch nicht festgezurrt.

Für Boeing sind solche Bestellungen und Vorverträge ein wichtiges Zeichen. Seit dem Absturz zweier "Max"-Jets bei den Fluggesellschaften Lion Air und Ethiopian Airlines im Herbst 2018 und Frühjahr 2019 steht das Unternehmen schwer in der Kritik. Dabei geht es nicht nur um die Cockpit-Software MCAS, die die Unglücke nach bisherigen Erkenntnissen zumindest mitverursacht haben soll. Das Management rang sich erst spät zu Selbstkritik durch und gab lange Zeit nur so viel zu, wie kaum noch zu bestreiten war.

Neben der Steuerungssoftware, deren Probleme Boeing mit einem Update lösen will, geht es inzwischen auch um weitere Elemente des Flugzeugs. Zudem steht die US-Luftfahrtbehörde FAA wegen des Zulassungsverfahrens in der Kritik. Behörden anderer Staaten, darunter die europäische Luftaufsicht EASA, nehmen die "Max" inzwischen selbst unter die Lupe und wollen nicht mehr wie früher einfach die FAA-Zulassung übernehmen.

Die Boeing 737 Max ist die Neuauflage des seit den 1960er Jahren gebauten Verkaufsschlagers 737. Der US-Konzern soll den Flieger seit dem Jahr 2011 unter hohem Zeit- und Kostendruck entwickelt haben und dabei an die Grenzen des technisch Möglichen gegangen sein. Denn der europäische Rivale Airbus hatte seinem Konkurrenzmodell A320 zuvor eine Neuauflage mit sparsameren Triebwerken spendiert. Der A320neo genannte Jet jagte Boeing einige Kunden ab.

Wann die "Max" wieder abheben darf, ist weiterhin offen. Die Behörden halten sich dazu bedeckt, und vieles spricht dafür, dass die FAA nicht im Alleingang grünes Licht geben will. Die Boeing-Führung hofft, dass sie die Auslieferung neuer Jets im Dezember wieder aufnehmen darf. Im neuen Jahr sollen dann eine erweiterte Schulung der Piloten und danach die Wiederaufnahme von Linienflügen mit Passagieren folgen.

Kunden planen bereits vorsichtiger. Die Fluggesellschaft American Airlines, die bereits einige Maschinen des Typs in ihrer Flotte hat, hat alle Flüge mit der 737 Max bis Anfang März 2020 gestrichen. Und der Chef von Europas grösstem Billigflieger Ryanair , Michael O'Leary, erwartet die Auslieferung seiner ersten Max-Jets nicht vor März oder April. Ursprünglich wollte er sie schon im abgelaufenen Sommer einsetzen.

Boeing hat wegen der Flugverbote bereits milliardenschwere Belastungen verbucht. Neben Entschädigungszahlungen an die Angehörigen der Absturzopfer geht es dabei vor allem um Schadenersatz für die Airlines, die ihre Maschinen nicht einsetzen dürfen oder gar nicht erst bekommen.

Zudem musste Boeing die Produktion des Modells drosseln und hat Schwierigkeiten, genügend Lagerflächen für die Maschinen zu finden. Da die Flieger nicht ausgeliefert werden, bekommt der Hersteller auch kaum Geld dafür. Ryanair hat die üblichen Anzahlungen bereits gestoppt und verhandelt wie viele andere Airlines mit Boeing über eine finanzielle Entschädigung. Diese könnte es auch in Form höherer Rabatte bei künftigen Aufträgen geben.

Während Boeing in Dubai wieder Vertrauen gewann und zudem mit der Regierung von Ghana einen Vorvertrag über drei "Dreamliner"-Langstreckenjets schloss, fielen die Bestellungen bei Konkurrent Airbus teils deutlich grösser aus. Am Dienstag orderte der zum US-Konzern General Electric gehörende Flugzeugfinanzierer Gecas 12 Grossraumjets vom Typ A330neo und 20 Exemplare des kleinen neuen Langstreckenjets A321XLR.

Auch der saudi-arabische Billigflieger Flynas zurrte einen Auftrag über zehn A321XLR fest. Der britische Ryanair-Rivale Easyjet bestellte zwölf weitere Mittelstreckenjets vom Typ A320neo, und die afrikanische Gesellschaft Air Senegal unterschrieb einen Vorvertrag über acht Exemplare des kleineren Modells A220. Bereits am Montag hatte Airbus von den arabischen Airlines Emirates und Air Arabia Bestellungen über 170 Flugzeuge eingesammelt, darunter 50 für den Grossraumjet A350./stw/kro/mis