HANNOVER (awp international) - Die Corona-Krise macht nun auch die Gewinnpläne des Rückversicherers Hannover Rück und seines Mehrheitseigners Talanx (HDI) zunichte. Wegen zu erwartender Versicherungsschäden und der Turbulenzen an den Finanzmärkten zogen beide Unternehmen aus Hannover am Dienstagabend ihre Gewinnziele für 2020 zurück. An weitere Rekordgewinne ist derzeit kaum zu denken. Bei den geplanten Dividenden für 2019 wollen die Vorstände allerdings keine Abstriche machen, auch wenn die Europäische Versicherungsaufsicht Eiopa das gefordert hatte.

An der Börse wurden die Nachrichten am Mittwochmorgen positiv aufgenommen. So bezeichnete ein Aktienhändler die Solvenzquote der Hannover Rück als positiv. Für die im MDax gelistete Aktie des Rückversicherers ging es um 1,87 Prozent auf 136,20 Euro nach oben. Seit dem Jahreswechsel hat das Papier damit aber immer noch mehr als ein Fünftel an Wert verloren. Die im SDax notierte Talanx-Aktie legte am Morgen um 0,39 Prozent auf 30,74 Euro zu. Damit steht seit im bisherigen Jahresverlauf weiterhin ein Kursverlust von rund 30 Prozent zu Buche.

Noch Mitte März hatte Hannover-Rück-Chef Jean-Jacques Henchoz für den weltweit drittgrössten Rückversicherer einen Jahresgewinn von 1,2 Milliarden Euro angepeilt. Das wäre das zweithöchste Ergebnis der Unternehmensgeschichte gewesen, nachdem die Gesellschaft 2019 dank eines positiven Sondereffekts fast 1,3 Milliarden Euro verdient hatte.

Doch diese Pläne sind jetzt passé. Die negativen Folgen der Corona-Krise liessen sich wegen der grossen Unsicherheiten derzeit noch nicht abschätzen, teilte das Unternehmen mit. Vor allem bei den Kapitalanlagen und in der Schaden-Rückversicherung rechnet das Management mit erhöhten Belastungen. Der weltgrösste Rückversicherer Munich Re hatte sein Gewinnziel bereits Anfang April gestrichen und den Rückkauf eigener Aktien gestoppt.

Kurz nach der Hannover Rück zog der Versicherer Talanx nach, zu dem Marken wie HDI und Neue Leben gehören. Das bisherige Ziel eines Überschusses zwischen 900 und 950 Millionen Euro sei aus heutiger Sicht mit zu vielen Unsicherheiten behaftet, um es weiter aufrechtzuerhalten, begründete die Konzernführung um Vorstandschef Torsten Leue den Schritt. Talanx besitzt gut die Hälfte der Hannover-Rück-Aktien. Die Ergebnisse des Rückversicherers schlagen daher immer auch deutlich auf den Gewinn des Talanx-Konzerns durch.

Im ersten Quartal bekamen beide Unternehmen die Krise noch vergleichsweise wenig zu spüren. Auf Basis vorläufiger Zahlen rechnet die Hannover Rück mit einem Quartalsüberschuss von rund 300 Millionen Euro, rund zwei Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der operative Gewinn (Ebit) dürfte hingegen von 450 Millionen auf etwa 426 Millionen Euro gesunken sein.

Die Solvenzquote des Rückversicherers habe Ende März nach vorläufigen Schätzungen dennoch deutlich über dem Schwellenwert von 200 Prozent gelegen, hiess es. Zum Jahreswechsel hatte die Quote noch 251 Prozent erreicht. Die Quote zeigt an, wie gut ein Versicherer mit Eigenmitteln ausgestattet ist.

Talanx selbst rechnet für das erste Quartal auf Basis vorläufiger Zahlen mit einem Gewinn von 223 Millionen Euro, rund fünf Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Diese Entwicklung könne man aber nicht auf das Gesamtjahr hochrechnen, hiess es. Das Unternehmen erwartet coronabedingte Belastungen bei den Kapitalanlagen und bei den versicherten Schäden, die es zu tragen hat. Die Solvenzquote liege - ohne Anrechnung von Übergangsmassnahmen - voraussichtlich aber auch Ende März noch innerhalb der Zielspanne von 150 bis 200 Prozent. Ende 2019 hatte sie 211 Prozent erreicht.

An der geplanten Ausschüttung der Dividenden halten beide Unternehmen fest. Für das Geschäftsjahr 2019 sollen die Aktionäre der Hannover Rück 5,50 Euro je Aktie erhalten, 25 Cent mehr als im Vorjahr. Die Anteilseigner - allen voran Talanx - sollen darüber bei der Hauptversammlung ohne persönliche Präsenz am 6. Mai abstimmen. An diesem Tag will die Hannover Rück auch die gesamten Zahlen zum ersten Quartal veröffentlichen.

Die Talanx-Aktionäre können für 2019 weiterhin mit einer Dividende von 1,50 Euro rechnen. Sie fällt damit 5 Cent höher aus als im Vorjahr. Die Hauptversammlung ist für 7. Mai geplant - wegen der Coronavirus-Pandemie ohne physische Anwesenheit der Aktionäre.

Die Europäische Versicherungsaufsicht Eiopa hatte die Unternehmen der Branche aufgefordert, ihre Dividendenzahlungen für 2019 wegen der Krise auszusetzen. Allerdings hatte sie damit auch bei der Munich Re und bei Europas grösstem Versicherer Allianz kein Gehör gefunden. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin hat klargestellt, dass sie ein "pauschales Ausschüttungsverbot für Versicherungsunternehmen nicht für geboten" halte. Aus ihrer Sicht kommt es auf die Lage des einzelnen Versicherers an./stw/mne/mis