HEIDELBERG (dpa-AFX) - Der neue HeidelbergCement-Chef Dominik von Achten hat seit seines Amtsantritts Anfang Februar jede Menge zu tun. Noch keine zwei Wochen im Amt musste der Manager eine schwächer als gedachte Umsatzentwicklung für das vergangenen Jahr 2019 eingestehen. Dann kam die Corona-Krise. Die Ziele für das laufende Jahr strich von Achten bereits im März und setzte Anfang Juli den Wert der HeidelbergCement-Besitztümer herab. Mit seinem Ende Februar neu aufgesetzten Sparprogramm kann der Konzernlenker erste Erfolge vorweisen. Was im Unternehmen los ist, was die Aktie macht und was Experten dazu sagen.

DAS IST LOS BEI HEIDELBERGCEMENT:

Die Übernahme des Chefsessels hatte sich von Achten wahrscheinlich anders vorgestellt - kaum im Amt, zerstörte die Corona-Pandemie die Hoffnung auf gute Geschäfte, die er noch Mitte Februar bei der Bekanntgabe der 2019er-Eckdaten in Aussicht gestellt hatte. Damals war das Coronavirus vor allem ein Problem in China und Teilen Asiens, bevor es sich dann zuerst in Europa und anschließend in Amerika rasant ausbreitete.

Den Ausblick für das Gesamtjahr 2020 zog von Achten Mitte März zurück, als schon klar war, dass sich das Coronavirus schneller ausbreitete als noch Mitte Februar gedacht. Anfang Juni auf der Online-Hauptversammlung gab von Achten keine neuen Ziele für das laufende Jahr aus. Die Krise werde aber im laufenden Jahr deutliche Spuren bei Umsatz und Ergebnis hinterlassen, räumte er ein. Ursprünglich hatte HeidelbergCement 2020 Umsatz und operatives Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr leicht steigern wollen. Mitte September will der Vorstand seine neue Strategie vorstellen.

"Es sind extrem bewegte Zeiten", sagte von Achten auf der Online-Hauptversammlung. HeidelbergCement stehe vor großen Herausforderungen. Das Unternehmen habe aufgrund staatlicher Verordnungen Werke in Italien, Indien und teilweise in Russland schließen müssen. Die Auswirkungen habe der Baustoffkonzern ab der zweiten März-Hälfte bei den Mengen zu spüren bekommen. Im April habe sich das noch einmal deutlicher fortgesetzt. "Den Verlust dieser Absatzmengen können wir in 2020 nicht mehr aufholen", sagte er.

Das Unternehmen sei robust in die Corona-Krise gegangen, betont von Achten. Um gut hindurch zu kommen, brauche HeidelbergCement weiterhin eine gute Situation bei den Barmitteln. So will das Unternehmen eine Milliarde Euro sparen.Dazu beitragen sollen etwa geringere Personalaufwendungen, freiwillige Kürzungen der Management-Gehälter, die Beschränkung von Investitionen sowie geringere Steuerzahlungen. Das Unternehmen hatte das neue Sparprogramm wegen der Corona-Krise Ende Februar aufgesetzt.

Und die Einsparungen zeigen laut HeidelbergCement bereits Wirkung: Nach vorläufigen Zahlen von Mitte Juli liegt der Umsatz bei 4,32 Milliarden Euro - und damit über den vom Kapitalmarkt prognostizierten 3,91 Milliarden Euro. Auch der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) übertrifft mit rund 1 Milliarde Euro die Markterwartungen von 707 Millionen Euro. Der Konkurrent von LafargeHolcim legt am Donnerstag (30. Juli) vollständige Zahlen für das zweite Quartal und erste Halbjahr 2020 vor.

Im Zuge der Corona-Pandemie setzte der Baustoffkonzern Anfang Juli den Wert seiner Besitztümer um 3,4 Milliarden Euro herab. Zu zwei Drittel betreffen die Abschreibungen das Portfolio, das Heidelberg Cement 2007 durch den Kauf des britischen Baustoffherstellers Hanson bekommen hat. Ein Fünftel kommt durch den Zukauf von Italcementi im Jahr 2016. In Großbritannien bekommt das Unternehmen außerdem Gegenwind durch den Brexit.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Analysten bewerten die Quartalszahlen positiv. Für Analyst Xavier Marchand von der französischen Großbank Societe Generale fielen die Eckdaten zum zweiten Quartal deutlich besser aus als erwartet. Der Umsatz habe den Marktkonsens um 11 Prozent und ihre Schätzung sogar um 18 Prozent überboten, schrieb Analystin Elodie Rall von der US-Bank JPMorgan in einer Studie. Der operative Gewinn (Ebitda) liege sogar um mehr als 40 Prozent über den Markterwartungen. Sie geht davon aus, dass HeidelbergCement sich in allen Regionen dank höherer Preise und Kosteneinsparungen besser geschlagen hat als angenommen.

Analyst Gregor Kuglitsch von der Schweizer Großbank UBS geht davon aus, dass Kosteneinsparungen einen schwächeren Umsatz weitgehend ausgleichen konnten. Das Zahlenwerk sei sehr gut und dürfte positive Rückschlüsse auch auf die Geschäfte anderer Baustoffproduzenten zulassen. Ab dem zweiten Halbjahr sollte HeidelbergCement nach Einschätzung von Analyst Thorsten Reigber von der DZ Bank dann auch von einer niedrigeren Basis der Energiekosten profitieren. Das Unternehmen sei in der Krise gut aufgestellt.

Analyst Sven Diermeier von Independent Research lobte zwar die Zahlen, monierte aber, dass der Baustoffproduzent weiterhin einen Ausblick schuldig bliebe. Positive Impulse könnten aber vom Kapitalmarkttag im September ausgehen.

In diesem Jahr sind Prognosen laut JPMorgan-Analystin Rall besonders schwer. Die Umsatzentwicklung im zweiten Quartal hänge stark von der geographischen Ausrichtung der Baustoffkonzerne und den damit verbundenen virusbedingten Beschränkungen ab, während die Margen wegen unterschiedlicher, temporärer Kostenmaßnahmen schwierig zu beurteilen seien. Sie sei aber deutlich positiver gestimmt für den Baustoffsektor.

Die Abschreibungen des Zementherstellers spiegelten dem UBS-Experten Kuglitsch zufolge die hohen Übernahmepreise früherer Akquisitionen wider. Die Abschreibungen seien aber wohl bereits in den Aktienkurs eingepreist.

Von den im dpa-AFX-Analyser erfassten Analysten, die sich seit der Vorlage der vorläufigen Zahlen Mitte Juli geäußert haben, hat noch keiner sein Votum maßgeblich geändert. Eine Expertin rät weiter zum Verkauf, einer ist fürs Halten und drei empfehlen den Kauf der Papiere.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Mitte Februar schlugen sich die Ängste um die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Aktie des Zementherstellers nieder. Die Aktie verlor binnen eines Monats mehr als die Hälfte an Wert und rutschte Mitte März auf ein Jahrestief von 29 Euro, nachdem HeidelbergCement den Ausblick für das laufende Jahr wegen der Pandemie ausgesetzt hatte.

Seitdem konnte sich das Papier wieder erholen und kostet nun wieder rund 52 Euro. Seit Jahresbeginn hat die Aktie damit jedoch rund ein Fünftel an Wert verloren und deutlich mehr als der Leitindex Dax. Dieser konnte seine Verlust aus dem Corona-Crash fast wieder aufholen.

Das Papier des Baustoffkonzerns knüpfte damit an die schwache Entwicklung der vergangenen Jahre an. Seit dem Mehrjahreshoch von 96 Euro Anfang 2018 ging es stets bergab - das einstige Rekordhoch von 112 Euro ist meilenweit entfernt. Mit einem Börsenwert von rund 10 Milliarden Euro zählte HeidelbergCement damals wie heute zu den Leichtgewichten im Dax./mne/nas/fba