Hellofresh ist eine Neuaufnahme des Fonds Europa Fonds, für den Marketscreener als Investment Advisor tätig ist. Das Unternehmen hat seine Rentabilitätsschwelle zwar noch nicht erreicht, es kommt ihr jedoch schon sehr nahe. Das erwartet Management im nächsten Jahr ein positives Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA).

Chart HelloFresh SE

HelloFresh ist eines jener börsennotierten Unternehmen, das unter Anlegern hitzige Diskussion entfachen kann: Auf der einen Seite sind diejenigen, die das beeindruckende Wachstumstempo und die innovative Geschäftsidee hervorheben, Skeptiker wenden ein, dass sich das Geschäftsmodell notwendigerweise als unhaltbar erweisen wird - auch aufgrund logistischer Zwänge - und dass der Modeeffekt früher oder später auslaufen wird.

 

Es ist nicht zu bestreiten, dass die Rückschläge bei direkten Vergleichswerten - darunter die amerikanische Blue Apron, die selbst an der Börse notiert ist - Skeptikern solide Argumente liefern. Für sie ist HelloFresh nur eines dieser exponentiell wachsenden Startups, das nur dank Naivität und Optimismus von Investorenseite und daraus resultierenden unangemessen niedrigen Kapitalkosten überlebt.

 

Allerdings ist das Management des deutschen Unternehmens auf dem richtigen Weg: Mit einem Marktanteil von 30% (50% in den USA) im Segment der Lieferung von selbstgekochten Mahlzeiten ist seine Formel ein Hit und erfüllt ein unbestreitbares Bedürfnis, insbesondere in Familien, in denen beide Elternteile aktiv sind.

 

Der Umsatz stieg von 305 Mio. € im Jahr 2015 auf 1,7 Mrd. € im Jahr 2019, was einer annualisierten Wachstumsrate von sage und schreibe 54% entspricht. HelloFresh wird in diesem Jahr voraussichtlich 260 Millionen Mahlzeiten liefern und freut sich, dass die Kundenbindung - gemessen an Bestellfrequenzen und durchschnittlichen Warenkorbbeträgen - weiter steigt.

 

Als gesunde und wirtschaftliche Alternative zu den gelieferten Fertiggerichten (z.B. über Deliveroo oder Uber Eats) oder zum traditionellen Einkaufen in Supermärkten richtet sich das Angebot von HelloFresh an den riesigen Lebensmittelmarkt, in dem die digitale Revolution bislang nur eine geringe Rolle spielt.

 

In diesem Markt gibt es jedoch Segmente, die äußerst stark wachsen, insbesondere im Segment der hausgemachten Mahlzeiten, das sich innerhalb von fünf Jahren verdreifachen dürfte (von 3 auf 9 Milliarden USD). In Europa und den Vereinigten Staaten nutzen weniger als 3% der Haushalte einen solchen Service: Das Marktpotential ist daher vielversprechend.

 

Für HelloFresh und seine Mitbewerber handelt es sich um einen Wettlauf. Denn wer als Erster ein bestimmtes Geschäftsvolumen erreicht, kann dann erhebliche Einsparungen - z.B. bei den Wareneinkaufskosten - direkt auf die Bruttomarge übertragen und im Gegenzug seinen Wettbewerbsvorteil festigen.

 

Man rechnet damit, dass nur die großen Fische überleben werden. Das Management des deutschen Unternehmens hat dies von Anfang an sehr gut verstanden und auch umgesetzt. Es hat klar die Führung übernommen. Die geschickte Übernahme von Green Chief in den Vereinigten Staaten ist ein weiteres Beispiel für die erfolgreiche Strategieumsetzung.

 

Obwohl das operative Geschäft noch nicht auf einem profitablen Niveau ist, sind deutliche Fortschritte erkennbar: Die EBITDA-Marge sank von -7% in den ersten neun Monaten 2018 auf -0,6% in der Vergleichsperiode 2019 (die "bereinigten" Zahlen befinden sich bereits im grünen Bereich). HelloFresh generiert auch einen positiven Cashflow, was dem Unternehmen Flexibilität verleiht, um weiterhin in sein Wachstum zu investieren.

 

Darüber hinaus zeichnet sich das Geschäftsmodell trotz der oben genannten Schwachstellen durch einige wesentliche Vorzüge aus: Dank der Sichtbarkeit der Abonnements erfolgt die Bestandsführung just-in-time, während die Barmittel im Voraus eingezogen werden; dies ermöglicht es dem Unternehmen, mit reduziertem Working Capital zu arbeiten und mehr Barmittel zur Finanzierung seines externen Wachstums zu generieren.

 

Die Kosten für die Gewinnung von Abonnenten stellen einen der wichtigsten Streitpunkte zwischen Skeptikern und Fans von Hellofresh dar. Für erstere wäre das Wachstum "künstlich", d.h. durch aggressive Werbeangebote subventioniert; wenn letztere auf Eis gelegt werden, würden die Kunden desertieren und die Wachstumsraten einbrechen.

 

Diese Befürchtungen werden jedoch vom Management widerlegt, wenn es auf den anhaltenden Rückgang des Marketingbudgets (in Prozent des Umsatzes) hinweist, was bislang keine wesentlichen Auswirkungen auf die Wachstumsraten hat. In Verbindung mit der Expansion der Bruttomarge legitimiert dieser Indikator die Relevanz des Angebots, das a priori von ausreichender Qualität ist, um neue Follower ohne eine Inflation der Werbeausgaben zu konvertieren.

 

Mit 190 Millionen Euro an liquiden Mitteln und ohne Verschuldung ist die Finanzlage von Hellofresh ausgesprochen solide - trotz einer Reihe von Akquisitionen und einer der spektakulärsten Wachstumsraten des Marktes alle Branchen zusammengenommen. Kurz gesagt, der Fall Hellofresh ist für Investoren, die sich für Wachstumsunternehmen interessieren, sehr interessant: Dank Skaleneffekten sollte der Gewinn pro Nutzer ab einer bestimmten Größe theoretisch deutlich über seinen Anschaffungskosten wachsen und es dem Unternehmen ermöglichen, durchaus solide Nachsteuergewinne zu erzielen.

 

Falls dies nicht gelingen sollte, was schließlich nicht auszuschließen ist, kann man davon ausgehen, dass der Franchise, in Verbindung mit den Wachstumsaussichten, einem diversifizierten Angebot (Green Chef ganz oben, HelloFresh in der Mitte, EveryPlate ganz unten) und einem ausgewogenen Abonnentenportfolio zwischen Europa und den USA "strategische" Käufer anziehen wird, wie z.B. eine große Supermarktkette oder Amazon.com.

 

Bei einer Bewertung zu weniger als dem 2-fachen des Umsatzes besteht durchaus noch erheblich Spielraum für eine Fortsetzung des positiven Trends der Hellofresh Aktien.

 

Der Autor besitzt keine Aktien von Hellofresh.