METZINGEN (dpa-AFX) - Der Modehändler Hugo Boss gehörte vergangenes Jahr zu den großen Verlierern. Der ohnehin im Umbau befindliche Konzern bekam durch die Corona-Pandemie nochmals massiven Gegenwind. Investoren nahmen Abstand. Und mitten in der Krise verlor der für seine Herrenanzüge bekannte Konzern auch noch seinen Chef. Mit der weiter fortschreitenden Pandemie steht Hugo Boss auch im neuen Jahr vor großen Herausforderungen. Was bei dem Unternehmen los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DIE LAGE BEI HUGO BOSS:

Den Edelschneider aus Metzingen am Fuße der Schwäbischen Alb hat die Corona-Pandemie hart erwischt: Geschlossene Geschäfte sorgten für herbe Verluste im vergangenen Frühjahr. Für das dritte Quartal konnte Hugo Boss dann zwar dank eines massiven Tritts auf die Kostenbremse wieder eine Erholung und eine Rückkehr in die Gewinnzone vermelden, die Hoffnungen auf eine Normalisierung der Entwicklung wurde durch den neuerlichen Lockdown in vielen für Hugo Boss wichtigen Regionen jedoch zuletzt wieder zunichte gemacht. Das vierte Quartal können die Manager daher womöglich auch schon abgeschrieben haben. Dies ist besonders bitter, da Hugo Boss zum Jahresende immer traditionell starke Geschäfte macht.

Ein Problem des Unternehmens bleibt das vergleichsweise kleine Online-Geschäft. Wie viele andere Händler auch verzeichnete der Konzern hier starke Zuwächse - im dritten Quartal waren es stramme 66 Prozent. Doch der Umsatzanteil betrug damit etwa 10 Prozent. Hugo Boss will das Geschäft forcieren - in diesem Jahr soll die Marke von 200 Millionen Euro Umsatz im E-Commerce geknackt werden, 2022 sollen es 400 Millionen Euro sein. Zum Vergleich: Die Erlöse im E-Commerce lagen 2019 bei 151 Millionen Euro - bei einem Gesamtumsatz von knapp unter 3 Milliarden Euro.

Dabei setzt Hugo Boss nicht nur auf den eigenen Shop, sondern auch auf Plattform-Partnerschaften wie etwa Zalando. Die Zahl der Partner, über deren Online-Marktplätze der Konzern seine Ware anbietet, soll weiter ausgebaut werden. Auch will Hugo Boss sein Sortiment, das allein im Internet verkauft wird und auf die Kundschaft dort speziell zugeschnitten ist, ausbauen.

Und das Unternehmen steht vor einer weiteren Herausforderung: Der Wandel der Nachfrage in der Bekleidung. Generell geht der Trend mehr zum Freizeit-Look. Auch das Onlinegeschäft sei davon getrieben gewesen, weniger vom formellen Anzug, sagte Interimschef Yves Müller zum dritten Quartal. Deswegen will der Konzern den Freizeitbereich erweitern. Dabei erziele Hugo Boss bereits 80 Prozent des Umsatzes jenseits des klassischen Anzugs, so der Manager. Allerdings verspricht gerade der Anzug höhere Margen. Dabei verneint Hugo Boss bislang, dass der Klassiker "ausgedient" habe. Hoffnungen setzt der Konzern vor allem auf China - in diesem für den Konzern wichtigen Markt hatte die Pandemie zuletzt kaum noch eine Rolle gespielt.

Nach dem Abgang von Mark Langer als Chef Mitte Juli vergangenen Jahres hat Müller die Rolle des Vorstandssprechers übernommen. Der neue Vorstandschef Daniel Grieder wird sein Amt erst im Juni antreten. Ein Führungsvakuum sieht Müller dabei nicht. Die Gründe für Langers plötzlichen Abgang waren nicht genannt worden. Allerdings wurde in der Presse zuvor über Spannungen mit dem Aufsichtsrat spekuliert. Langers Bilanz ist denn auch durchwachsen. Der Manager war 2016 angetreten, um die schwächelnde Marke wieder auf Erfolgskurs zu bringen. So war das Unternehmen durch eine zu schnelle Expansion und eine verfehlte Markenstrategie in die Bredouille geraten.

Langer richtete Boss Schritt für Schritt neu aus. Unrentable Läden wurden geschlossen, die Rabatte eingedampft, die Preise angeglichen und an den Marken gefeilt. Zudem setzte Hugo Boss mehr auf Digitalisierung. Die viel beschworene Erholung war jedoch ausgeblieben - unabhängig von der Corona-Krise. Diese hat dem Manager lediglich einen weiteren Strich durch seine Rechnung gemacht.

Einen Ausblick für das vergangene Jahr hat Hugo Boss bis zuletzt gescheut. In einer von der Nachrichtenagentur Bloomberg zusammengestellten Schätzung gehen Analysten im Schnitt von einem Umsatzrückgang von rund 2,9 Milliarden auf gut 2 Milliarden Euro und einem operativen Verlust (Ebit) von rund 167 Millionen aus. Auch unter dem Strich dürften die Zahlen dabei tiefrot sein. Und auch wenn die Analysten erwarten, dass Hugo Boss 2021 wieder in die Gewinnzone zurückkehrt, dürften sich die Umsätze nur langsam erholen - im Schnitt auf knapp 2,7 Milliarden Euro im Jahr 2023.

Finanziell stand Hugo Boss dagegen zum Ende des dritten Quartals gut da. So konnte der Konzern seinen freien Mittelzufluss mit 155 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppeln. Zudem hatte sich Hugo Boss mehrere Kreditlinien gesichert.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die Marktexperten betrachten Hugo Boss derzeit verstärkt von der Seitenlinie aus. So herrscht eine deutliche Skepsis über die kurzfristige Entwicklung des Modehändlers. Dazu gehört etwa die Privatbank Hauck & Aufhäuser. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Infektionen verzögerten die geschäftliche Erholung, schrieb etwa Analyst Christian Salis in einer im Dezember vorliegenden Studie. Das vergleichsweise schwache Online-Geschäft sei nicht in der Lage, die Einbußen im stationären Einzelhandel auszugleichen.

Ebenfalls zur "Halten"-Fraktion gehört das Analysehaus Independent Research. Die Aktie des Modekonzerns habe zwar zuletzt deutlich vom verbesserten Aktienmarktumfeld profitiert, so Analyst Lars Lusebrink. Als kritisch sieht er aber angesichts der Herausforderungen durch die Pandemie für das operative Geschäft sowie die dynamischen Veränderungen der Modebranche, dass der neue Vorstandschef Daniel Grieder erst im Juni 2021 sein Amt antritt.

Die letzten Wochen des Jahres verursachten angesichts von Lockdowns Bauchschmerzen, kommentierte Ashley Wallace von der Bank of America. Dabei sei der Monat Dezember sehr wichtig, da normalerweise die Hälfte der Umsätze des Schlussquartals in der Luxusgüterbranche auf diesen Monat fielen.

Und auch die Analysten, die Hugo Boss zum Kauf empfehlen, sind kurzfristig wenig optimistisch. Wegen des neuen, harten Lockdowns in Deutschland erwarte er nun im Schlussquartal einen deutlicheren Umsatzrückgang als bisher, sagte Jörg Frey von Warburg Research. Er senkte zudem seine Schätzungen für die Erlöse des Modekonzerns 2021. Der Markt übersehe aber viele positive Faktoren, begründete Frey die gültige Kaufempfehlung.

Viele Unternehmen interpretierten das zurückliegende Quartal als Zeichen einer Erholung, so NordLB-Experte Karsten Rahlf mit Blick auf Konsumgüterwerte. Allerdings dürfte bald Ernüchterung einkehren vor allem bei Firmen, die stark von der Expansion des Internethandels profitiert hätten. Bei Hugo Boss sieht Rahlf aber Potenzial dank der Expansion des Modekonzerns in China.

Zu denen, die einen Verkauf der Aktie empfehlen, gehörte zuletzt Herbert Sturm von der DZ Bank. Er erwarte, dass Hugo Boss frühestens im Jahr 2023 wieder das Ergebnisniveau von 2019 erreichen wird, schrieb er in einer im November veröffentlichten Studie.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Hugo-Boss-Aktie übernahm im vergangenen Jahr die rote Laterne im MDax, knapp hinter dem Großhändler Metro. 2020 verlor die Aktie dabei 37 Prozent. Ein noch schlechteres Abschneiden verhinderte nur ein Schlussspurt ab dem November. Nach Vorlage der vergleichsweise soliden Zahlen zum dritten Quartal kletterte die Aktie von knapp unter 20 Euro auf mehr als 28 Euro bis Mitte Dezember. Dabei kam es trotz neuer Lockdown-Ankündigungen nur noch zu kleineren Rücksetzern. Derzeit notiert das Papier um die Marke von 27 Euro.

Aktionäre von Hugo Boss sind dabei ohnehin leidgeprüft. An der guten Entwicklung an den Aktienmärkten 2019 nahmen sie nicht teil, das Papier gehörte bereits da zu den Schlusslichtern im MDax. Seit Ende Februar 2020 ging es dann nochmals rasant bergab, im Corona-Crash fiel das Papier unter die Marke von 20 Euro und damit auf den tiefsten Wert seit 2009. Das Minus allein im Corona-Crash: bis zu rund 56 Prozent.

Von alten Glanzzeiten ist die Aktie ohnehin weit entfernt. Vor mehr als fünfeinhalb Jahren hatte die Aktie in ihren Hochzeiten noch etwa 120 Euro gekostet. Die Marktkapitalisierung beläuft sich derzeit auf nicht einmal mehr zwei Milliarden Euro und belegt damit einen Platz unter den letzten Fünf im MDax./nas/ngu/he