NEUBIBERG (dpa-AFX) - Der einst so erfolgsverwöhnte Chipkonzern Infineon kann sich der Schwäche der Autoindustrie und den trüber werdenden Konjunkturperspektiven nicht entziehen. An der Börse läuft es für das Dax-Mitglied alles andere als rund, Investoren werden auf eine harte Probe gestellt. Doch die Hoffnung auf einen großen Deal lässt Infineon zuversichtlich in die Zukunft blicken. Was im Unternehmen los ist, wie Analysten es bewerten und wie sich die Aktie entwickelt hat.

DAS IST LOS IM UNTERNEHMEN:

Kürzlich gab es positive Nachrichten aus den Vereinigten Staaten für Infineon: Die überwiegende Mehrheit der Aktionäre des US-Konkurrenten Cypress Semiconductor stimmte Ende August für die geplante Übernahme durch den bayerischen Halbleiterspezialisten. Damit ist eine wichtige Hürde auf dem Weg zum größten Zukauf in der Unternehmensgeschichte der Neubiberger genommen. Den Cypress-Deal will sich Infineon insgesamt 9 Milliarden Euro kosten lassen - und damit die Basis für eine erfolgreiche Zukunft legen. Gestemmt werden soll die Übernahme zum Teil über eine bereits erfolgte Kapitalerhöhung, die bei den Anlegern aber auf wenig Begeisterung stieß.

Konzernchef Reinhard Ploss will den Zukauf bis Anfang 2020 abgeschlossen haben. Voraussetzung dafür ist aber die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden. In der Vergangenheit war die angedachte Übernahme des US-Halbleiterspezialisten Wolfspeed am Veto der Kartellwächter gescheitert. Ploss gibt sich dennoch zuversichtlich, dass es diesmal klappen wird.

Er ist ohnehin überzeugt davon, dass die langfristigen Wachstumsaussichten von Infineon gut sind - trotz der derzeitigen Probleme in der volatilen Halbleiterbranche und eines insgesamt schwierigen Marktumfelds. Vor allem die Flaute in der Autoindustrie und die schwächer wachsende chinesische Wirtschaft belasten Infineon. In der Sparte mit Chips für die Autoindustrie, die den Löwenanteil des Konzerumsatzes erwirtschaftet, spüren die Neubiberger ein deutlich geringeres Wachstum. Die Autoschwäche brockte Infineon im Frühjahr auch eine gekappte Jahresprognose ein, die den gesamten Technologiesektor in Mitleidenschaft zog.

Ungeachtet dessen ist der Infineon-Aufsichtsrat mit der geleisteten Arbeit des langjährigen Konzernlenkers Ploss zufrieden. Erst kürzlich wurde der Vertrag des Vorstandsvorsitzenden bis Ende 2022 verlängert. Unter Ploss ist Infineon in den zurückliegenden Jahren konsequent gewachsen. Nun soll er die Neubiberger auch durch die aktuellen Herausforderungen führen und sie weiter auf Kurs halten. Perspektivisch soll Infineon wieder zum dauerhaft hohen Wachstum der Vergangenheit zurückkehren.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Aus Sicht der Marktexperten sind die Infineon-Anteilsscheine nach wie vor ein lohnendes Investment. Der Großteil von ihnen attestiert dem Konzern immer noch viel Potenzial. Von den insgesamt 21 im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten sprechen sich gleich 14 für den Kauf der Papiere aus. Sechsmal lautet die Empfehlung, die Aktie zu halten. Mit Andrew Gardiner von der britischen Investmentbank Barclays plädiert lediglich ein Analyst dafür, sich von den Infineon-Papieren zu trennen. Aus seiner Sicht sei der Markt auf Schwächen vorbereitet gewesen, nun aber liege der Fokus auf einer fraglichen Erholung im Jahr 2020, verdeutlicht Gardiner, der zudem auf eine Serie von Gewinnwarnungen in wichtigen Kundensektoren verweist.

Dagegen gibt sich etwa Nicolas Gaudois von der Schweizer Großbank UBS zuversichtlicher. Zwar gibt er zu bedenken, dass es am globalen Halbleitermarkt derzeit einige positive wie auch negative Signale gebe und die Umsatzperspektiven für die Konzerne kurzfristig herausfordernd blieben. Allerdings rät er, bei Einzelwerten selektiv vorzugehen - und Infineon sei in diesem Fall ein Kauf. Johannes Schaller von der Deutschen Bank sprach derweil von ordentlichen Zahlen des Halbleiterspezialisten für das dritte Quartal. Wegen der angepeilten Übernahme des US-Konkurrenten Cypress hob der Analyst seine Schätzungen und das Kursziel für Infineon an.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Anteilseigner von Infineon machen derzeit eher trübe Zeiten durch. Seit Jahresbeginn hat die Aktie knapp 10 Prozent an Wert verloren. Und mit Blick auf die zurückliegenden 12 Monate sieht es noch unerfreulicher aus - hier steht sogar ein Minus von fast 30 Prozent zu Buche. Damit gehört der Chiphersteller zu den schlechtesten Titel im Dax.

Derzeit kostet das Papier nur noch rund 15,60 Euro. Von ihrem Fünfjahreshoch Mitte Juni 2018 ist die Aktie mehr als 10 Euro entfernt. Momentan kommt Infineon auf eine Marktkapitalisierung von noch 19,5 Milliarden Euro.

Längerfristig sieht es indes noch recht gut aus. So summiert sich das Kursplus auf Sicht von fünf Jahren trotz des jüngsten Rücksetzers auf etwa 100 Prozent. Seit dem Rekordtief von 0,38 Euro während der Weltfinanzkrise 2009 hat sich der Wert der Papiere mehr als vervierzigfacht./eas/mne/mis