MÜNCHEN (Dow Jones)--Der neue Chef des Münchner Chip-Konzerns Infineon, Jochen Hanebeck, rechnet nicht mit einem schnellen Ende der Halbleiterkrise, sondern in einigen Bereichen sogar mit einer weiteren Verknappung. "Engpässe bei Halbleitern, die wir von Auftragsfertigern beziehen, etwa im Bereich der Mikrokontroller und der Konnektivität, werden wir noch bis ins kommende Jahr sehen", sagte Hanebeck der Süddeutschen Zeitung (Dienstagausgabe). Wenn er etwas weiter in die Zukunft schaue, dann sei es sogar "sehr wahrscheinlich, dass bald die nächste Verknappung bei Leistungshalbleitern um die Ecke kommt". Die starke Nachfrage in der Elektromobilität und bei erneuerbaren Energien komme zusammen, da gebe es einen Riesenschub, in den USA und in Europa wird kräftig investiert. "Wir stehen zwar auf dem Gaspedal und bauen die Kapazität aus. Aber ob wir die hohe Nachfrage bedienen werden können, ist unsicher", so Hanebeck, der seit April Vorstandsvorsitzender bei Infineon ist.

Sorgen mache ihm auch die Zuspitzung des Konfliktes um Taiwan. "Wir haben in den vergangenen Jahren während der Halbleiterkrise gemerkt, was es bedeutet, wenn die Hersteller in Taiwan nicht genügend Chips liefern können. Wenn aus Taiwan aber gar keine Chips mehr kommen würden, hätte das tiefgreifenden Auswirkungen auf alle Wirtschaftsbereiche, und zwar weltweit", warnte der Chipmanager. Europa sei von Halbleitern aus Taiwan noch abhängiger als von Energie aus Russland. "Bei sehr ausgefeilten Halbleiterprodukten, etwa Prozessoren für Smartphones und Mikrokontroller der neusten Generation für Anwendungen im Auto, ist die Abhängigkeit sehr groß", sagte Hanebeck der SZ. Es gebe keine Möglichkeit, diese Fertigungen im nötigen Umfang in den nächsten fünf bis zehn Jahren an anderer Stelle zu ersetzen.

Für Infineon, einer der größten Chiphersteller in Europa, kündigte er weitere Akquisitionen an. "Aus heutiger Sicht peile ich durchaus Übernahmen an, in kleinerer oder mittlerer Größenordnung, was sich dann durchaus auch im Milliardenbereich abspielen könnte", sagte Hanebeck. Neue große Standorte würden nicht geplant. "Ich bin ein großer Anhänger von Skaleneffekten, deshalb lautet unsere Strategie: Wir wollen unsere drei großen bestehenden Standorte für die Waferproduktion noch größer machen und diese ausbauen - also Dresden, Villach in Österreich und Kulim in Malaysia." Zur Frage, ob demnächst in Dresden investiert werde, meinte er: "Das kann ich erst sagen, wenn wir es entschieden haben."

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August 15, 2022 18:00 ET (22:00 GMT)