NEW YORK/SANTA CLARA (dpa-AFX) - Eigentlich sollte es so richtig rund laufen beim weltweit wohl bekanntesten Hersteller von Computerchips. Die Corona-Pandemie verlieh der ohnehin rasant fortschreitenden Digitalisierung der Welt zusätzlichen Schwung, Tech-Konzerne machen glänzende Geschäfte, Aktienkurse schießen seit Monaten durch die Decke.

Anders bei Intel: Der Konzern ringt mit Problemen bei der Entwicklung einer neuen Chipgeneration; zudem wollen einige Kunden lieber eigene Chips entwickeln, um unabhängiger zu werden. Die Intel-Aktien waren 2020 unter den größten Verlierern im US-Leitindex Dow Jones Industrial. Jetzt soll es ein neuer Chef richten. Was bei Intel los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht:

DAS IST LOS BEI INTEL:

Vor rund einem Jahr war die Welt noch in Ordnung in Santa Clara. Ein starkes Geschäft mit Prozessoren für Rechenzentren, aber auch die zunehmende Technisierung von Autos etwa mit Fahrassistenzsytemen hatten Umsatz und Gewinn von Intel gegen Ende 2019 weiter angetrieben. Anleger rissen sich Anfang 2020 um die Aktien.

Zunächst brummten die Geschäfte weiter, der Beginn der Corona-Pandemie ließ die Nachfrage nach Technik für Rechenzentren zur Datenverarbeitung und -speicherung sowie nach Laptops für Heimarbeit nach oben schnellen.

Das böse Erwachen folgte im Sommer. Erst brach der iPhone-Konzern Apple aus der eingefahrenen Spur der PC-Branche aus und stellte seine Mac-Computer von Intel-Prozessoren auf Chips aus eigener Entwicklung um.

Und dann auch noch das: Intel musste abermals die Einführung einer neuen Chip-Generation verschieben. So sollen Prozessoren mit Strukturbreiten von 7 Nanometern nun voraussichtlich erst Ende 2022 in Computer kommen - ein Jahr später als ursprünglich anvisiert. Die Produktion warf schlicht noch zu viele unbrauchbare Chips ab. Gerade in der Chipfertigung sind jedoch niedrige Fehlerquoten wichtig, um mit Gewinn arbeiten zu können.

Die Verzögerung warf auch ein neues Licht auf Apples Entscheidung, auf eigene Chips zu setzen. So hatten die Kalifornier in der Vergangenheit wiederholt die Erneuerung ihrer Modellpalette bremsen müssen, weil die erforderlichen Intel-Prozessoren nicht verfügbar waren. Mittlerweile arbeitet auch der Software-Konzern Microsoft an eigenen Chips, und zwar für Rechenzentren, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg jüngst unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen berichtet hatte.

Der kleinere Konkurrent AMD und seine Produktionspartner fertigen unterdessen bereits 7-Nanometer-Chips. Das Interesse der Kunden ist entsprechend hoch. Denn je niedriger die Strukturbreiten, desto mehr Prozessoren passen auf eine Halbleiter-Scheibe bei der Produktion. Zudem arbeiten die Chips dadurch effizienter und stromsparender.

Und auch anderweitig sitzt AMD dem größeren Konkurrenten im Nacken. Mit dem geplanten rund 35 Milliarden US-Dollar schweren Kauf des Branchenkollegen Xilinx baut AMD sein Geschäft mit Chips für Rechenzentren aus - ein Bereich, in dem vor allem Intel traditionell stark aufgestellt ist.

Der zunehmende Druck auf die Geschäfte kostet nun Intel-Chef Bob Swan den Job. Er hatte den Posten erst 2018 vom langjährigen Konzernlenker Brian Krzanich übernommen, der damals wegen einer Beziehung im Unternehmen seinen Hut nehmen musste. Swan sagte damals mehrfach, dass er den Chefposten nicht wolle - und nahm ihn dann doch an.

Mitte Februar soll nun der erfahrene Tech-Manager Pat Gelsinger den Spitzenjob übernehmen. Er führte zuletzt den Software-Spezialisten VMWare - und hatte zuvor Jahrzehnte bei Intel verbracht, unter anderem als Technologiechef.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Für Stacy Rasgon vom Analysehaus Bernstein ist Gelsinger eine gute Wahl. Der Name dürfte bei den meisten Investoren auch wegen seiner langen Karriere bei Intel gut ankommen, schätzt er. Der Manager dürfte als Treiber für die Lösung der technischen und kulturellen Probleme des Konzerns gesehen werden. Allerdings dürfte all das viel Zeit brauchen.

Und zumindest die nächsten drei Jahre schienen bereits mehr oder weniger in Stein gemeißelt zu sein, glaubt Rasgon. Marktanteile dürften an AMD verloren gehen, Kunden dürften zur Konkurrenz wechseln oder auf eigene Lösungen setzen. Und auch beim Technikfahrplan drohten weitere Verzögerungen.

Wie auch immer die Pläne des neuen Konzernchefs aussähen - es bleibe nur zu hoffen, dass sie Intel auf die längere Sicht von mehr als fünf Jahren zurück in die Spur brächten. Kurzfristig aber erschienen die Erwartungen vieler Experte noch viel zu hoch. Daher hält Rasgon die Aktien für überbewertet und rät bei einem Kursziel von 40 Dollar zum Verkauf.

Auch Mitch Steves von RBC Capital geht davon aus, dass ein Wandel Zeit braucht. Vor 2023 werde sich mit Blick auf den Anlagehintergrund wohl nicht viel tun. Dass Intel für das Schlussquartal von einer wohl besseren Geschäftsentwicklung gesprochen habe als vom Konzern selbst erwartet, überrasche angesichts der starken PC-Nachfrage nicht. Auch Steves rät zur Vorsicht mit Blick auf die Aktien.

Deutlich optimistischer ist da Harlan Sur von der US-Bank JPMorgan. Er errechnet ein Kursziel von 70 Dollar und stuft die Aktien mit "Overweight" ein. Auch Sur hält Gelsinger für eine gute Chef-Wahl angesichts seines technischen Hintergrunds und seiner Erfolge bei VMWare, EMC und in seiner früheren Rolle bei Intel. Positiv wertet der Experte auch, dass Intel im Zuge der Ankündigung des Chefwechsels auch von starken Fortschritten bei der 7-Nanometer-Prozessortechnik gesprochen habe.

Die drei Stimmen zeigen, wie weit die Meinungen der Analysten auseinander gehen. Von 28 seit Dezember von der Nachrichtenagentur Bloomberg erfassten Experten raten elf zum Kauf, elf zum Halten und sechs zum Verkauf der Aktien. 24 von ihnen nennen ein Kursziel, das im Durchschnitt bei 60 Dollar liegt.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Investoren reagierten zwar positiv auf die Ankündigung des Wechsels an der Konzernspitze, dennoch notieren die Anteilsscheine mit rund 59 Dollar aktuell gerade einmal auf dem Niveau von Ende 2019.

Im Gegensatz zu vielen anderen Tech-Werten und auch der direkten Konkurrenz konnte Intel 2020 nicht vom Digitalisierungsboom profitieren. Im Gegenteil: Technikprobleme & Co sorgten für ein Kursminus von knapp 17 Prozent, was einen der letzten Plätze im Dow Jones Industrial sowie Technologieindex Nasdaq 100 bedeutete. Für letzteren war es 2020 um fast die Hälfte nach oben gegangen.

Weit vorne dabei im Tech-Index waren dagegen die Aktien des kleineren Konkurrenten AMD. Sie verdoppelten ihren Wert 2020. Auch langfristig liegen die AMD-Aktien deutlich vorn. Seit ihrem Tief während der Weltfinanzkrise 2008 haben sie ihren Wert bis auf das 61-Fache gesteigert. Intel bringt es in dem Zeitraum auf einen Zuwachs auf das Fünffache.

Damit holte AMD auch in Sachen Marktkapitalisierung in den letzten Jahren ein gutes Stück auf. Mit aktuell rund 109 Milliarden Dollar ist der Konzern an der Börse aber noch weniger als halb so viel wert wie Intel mit rund 243 Milliarden Dollar./mis/so/tav/ag/jha/