Vom Monopol zur Identitätskrise
„Intel Inside“ galt einst als Qualitätssiegel für jeden Computer. AMD war der ewige Zweite. Intel war Standard, Innovation und Marktführer zugleich. Diese Ära ist vorbei. Heute wirkt Intel wie ein gefallener Champion: noch mächtig, aber orientierungslos. Das Unternehmen ist ein industrieller Eckpfeiler, doch die Doppelstrategie – sowohl Design als auch Fertigung aus einer Hand – wurde zur Schwäche in einem Markt, der von hochspezialisierten Playern dominiert wird. Die Konsequenz: Intel hat zentrale Marktbewegungen – vor allem im KI-Sektor – verpasst.
Zwei Geschäftsbereiche, zwei Fronten
Die CPU-Sparte kämpft an mehreren Fronten: ARM-Architekturen gewinnen Marktanteile, insbesondere durch Qualcomm, Apple (M4-Chips) und sogar Nvidia mit seiner Grace-Plattform. Im angestammten x86-Geschäft hat Intel die Führungsrolle längst an AMD verloren, das mit EPYC-Prozessoren die Serverdomäne beherrscht.
Parallel verfolgt Intel mit „Intel Foundry“ ambitionierte Ziele: Man will bis 2030 zur weltweiten Nummer zwei hinter TSMC aufsteigen. Doch 2024 setzte TSMC 96,5 Mrd. USD um – Intel Foundry kam lediglich auf 4,67 Mrd. USD und liegt hinter Wettbewerbern wie SMIC, UMC, GlobalFoundries – und vermutlich auch Samsung. Der Konzern setzt alles auf die nächste Generation der Chipfertigung, namentlich den 18A-Prozess.
Technologieoffensive: Hoffnung heißt 18A
Intels 18A-Verfahren soll es mit TSMCs 2-Nanometer-Technologie aufnehmen können – mit einem entscheidenden Vorteil: PowerVia, eine rückseitige Stromversorgung, verspricht effizientere Energienutzung und höhere Leistungsdichte. TSMC plant Ähnliches erst für 2027 mit dem 16A-Knoten. Sollte Intel liefern, könnte man tatsächlich technologisch vorübergehend die Führung übernehmen. Microsoft und Mediatek zeigen bereits Interesse – unter Vorbehalt.
Doch der Erfolg hängt maßgeblich an der Fertigungsdivision. Die kommenden Chipfamilien Panther Lake (für PCs) und Clearwater Forest (für Server) sind direkt abhängig vom Zeitplan der Foundry.
Risiken und Herausforderungen
Verlorene Marktanteile: AMD dominiert im Servergeschäft, ARM erobert das Mobilsegment. Intels Kundenbasis ist erodiert.
Fehlende Position im KI-Markt: Nvidia, Google und Amazon haben ihre Lieferketten etabliert – Intel hat noch keinen zentralen Großkunden.
Technologische Risiken: Sollte der 18A-Knoten enttäuschen, wäre ein erheblicher Rückschlag unvermeidlich.
Strategische Unsicherheit: Die GPU-Sparte ist bislang unbedeutend. Die geheimnisumwobene Jaguar-Shores-Architektur deutet auf Ambitionen – doch es bleibt spekulativ.
Was der Markt jetzt erwartet
Stabilisierung des Data-Center-Segments: Schwankende Einnahmen müssen konsolidiert werden, etwa durch die AI-Chips der Gaudi-Serie.
Margen verbessern: Aktuell liegt Intels EBITDA-Marge bei rund 20 %, während Branchengrößen wie TSMC oder Nvidia 50 % erreichen.
Ein großer Foundry-Kunde: Microsoft gilt als möglicher Ankerkunde für den 18A-Prozess – ein Vertragsabschluss wäre ein wichtiges Signal.
Veräußerung als Option: Sollte der technologische Turnaround scheitern, könnte Intel die Foundry-Sparte abspalten oder verkaufen.
Roadmap halten: In dieser Branche ist Zuverlässigkeit alles. Verzögerungen kann sich Intel nicht leisten.
Fazit: Viel Hoffnung, wenig Spielraum
Technologisch zeigt Intel derzeit Ansätze eines Comebacks – finanziell bleibt der Abstand zur Konkurrenz groß. Der neue CEO Lip-Bu Tan, seit März im Amt, verkörpert die Hoffnung auf einen echten Neustart. Sein Ruf als Sanierer – erworben bei Cadence Design – eilt ihm voraus. Doch Intel agiert auf einem Hochseil ohne Netz. Ein Fehler, eine Verzögerung – und das Vertrauen wäre erneut verspielt. Anleger tun gut daran, erst einmal die Umsetzung abzuwarten.