Bangalore/San Francisco (Reuters) - Mitten in einer der größten Krisen der Firmengeschichte muss sich Intel einen neuen Chef suchen.

Pat Gelsinger habe sein Amt zum 1. Dezember aufgegeben und sei in den Ruhestand getreten, teilte der einst weltgrößte Chip-Hersteller am Montag überraschend mit. Damit überlässt er die Umsetzung seines ehrgeizigen und milliardenschweren Sanierungsplans, der den Konzern technologisch zurück an die Weltspitze führen soll, jemand anderem.

Die Gründe für Intels aktuelle Schieflage sind vielfältig und reichen teilweise bis in die Zeit vor Gelsingers Aufstieg an die Konzernspitze 2021 zurück. Eine Serie von Fehlentscheidungen und verpassten Chancen führte unter anderem dazu, dass die US-Firma den Boom bei Künstlicher Intelligenz (KI) verschlafen hat. Nun fehlt es ihr an konkurrenzfähigen Produkten für diese rechenintensiven Anwendungen. Gleichzeitig produziert das von Gelsinger als zukunftsträchtig betrachtete Geschäft mit der Halbleiter-Auftragsfertigung trotz milliardenschwerer Investitionen in neue Fabriken bislang nur Verluste. Hier hinkt Intel der Konkurrenz, namentlich TSMC aus Taiwan, technologisch ebenfalls hinterher.

"Wir haben zwar erhebliche Fortschritte bei der Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit sowie beim Auf- und Ausbau einer Auftragsfertigung von Weltrang gemacht", sagte Verwaltungsratschef Frank Yeary. "Aber wir wissen, dass noch viel Arbeit vor uns liegt, und wir sind entschlossen, das Vertrauen der Investoren wiederherzustellen." Die Aussicht auf frischen Wind bei Intel ermunterte am Montag zahlreiche Anleger zum Einstieg. Die Aktie stieg im frühen Handel der Wall Street zeitweise um mehr als vier Prozent. Damit notiert sie aber immer noch rund 50 Prozent unter dem Niveau vom Jahresbeginn.

FÜHRUNGSDUO FÜR DEN ÜBERGANG - VIEL ARBEIT FÜR NACHFOLGER

Gelsingers Aufgaben werden weiteren Angaben zufolge übergangsweise vom Finanzchef David Zinsner und der Managerin Michelle Johnston Holthaus übernommen. Gleichzeitig kümmere sich eine Findungskommission des Verwaltungsrats um eine dauerhafte Nachfolge-Regelung.

Auf den künftigen Chef wartet eine Menge Arbeit: Intel verbuchte zuletzt den größten Quartalsverlust der Firmengeschichte. Ein von Gelsinger angestoßenes milliardenschweres Sparprogramm, dem unter anderem der geplante Bau einer Chipfabrik in Magdeburg zum Opfer fiel, trägt bislang keine Früchte. Vor etwa einem Monat musste Intel zudem nach 25 Jahren seinen Platz im US-Standardwerteindex Dow Jones an Nvidia abgeben, den Weltmarktführer bei KI-Spezialprozessoren.

Für eine erfolgreiche Trendwende seien innovative und konkurrenzfähige Produkte sowie eine konsequente Umsetzung der Firmenstrategie die Grundvoraussetzungen, sagte Analyst Hans Mosesmann von der Investmentbank Rosenblatt. "Nichts davon haben wir während Gelsingers Amtszeit gesehen."

(Bericht von Arsheeya Bajwa; geschrieben von Hakan Ersen. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)