LONDON (dpa-AFX) - Der britische Premierminister Boris Johnson hält an seinem umstrittenen Berater Dominic Cummings trotz zunehmender Rücktrittsforderungen fest. Erstmals legte Johnson am Mittwoch als Regierungschef dem wichtigen Liaison-Committee des Parlaments Rechenschaft ab. Dabei wurde er gefragt, warum er keine Untersuchung zu Cummings' Verhalten angeordnet habe. Er sei sich nicht sicher, ob das gut investierte Zeit gewesen wäre, so Johnson. Auf die Frage, ob er das Kabinett zurate gezogen habe, antwortete er nicht.

Unterdessen wurden die Rufe nach einem Rücktritt Cummings' immer lauter. Knapp 40 Parlamentarier der Konservativen Partei verlangen britischen Medien zufolge bereits, dass Cummings seinen Hut nimmt. Johnson habe Schwierigkeiten, die wachsende Revolte in den eigenen Reihen zu kontrollieren, berichtete die "Times". Aus Protest war bereits am Dienstag Staatssekretär Douglas Ross zurückgetreten.

Der Wahlkampfstratege Cummings gilt als zweitmächtigster Mann nach Johnson. Er hatte am Montag in einer Pressekonferenz Vorwürfe, er habe mit einer Reise zu seinen Eltern nach Durham im Nordosten Englands die Ausgangsbeschränkungen in der Corona-Krise ignoriert, zurückgewiesen. Er bedaure sein Verhalten nicht und habe auch nie einen Rücktritt in Erwägung gezogen, sagte Cummings.

Der Chefberater hatte als Grund für seine Reise Ende März angegeben, dass er die Betreuung seines kleinen Sohnes sicherstellen wollte: Seine Frau sei an Covid-19 erkrankt gewesen und er selbst habe mit einer Ansteckung gerechnet. Auf Empörung stieß vor allem seine Aussage, dass er von Durham aus mit Frau und Sohn zu einem Schloss gefahren sei, um seine Sehkraft nach der Infektion zu testen. Der Vorfall war durch eine Anzeige ans Licht gekommen.

In einer YouGov-Umfrage gaben 71 Prozent der Befragten an, dass sie Cummings Reise nach Durham für einen Verstoß gegen die Ausgangsbeschränkungen halten. 20 Prozent waren anderer Meinung, 9 Prozent enthielten sich. In anderen Umfragen verloren die regierenden Konservativen deutlich an Zuspruch, während die Opposition zulegte.

Nach Ansicht von Kritikern schwächt Cummings das Vertrauen in die Regierung und in Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. In einem Interview mit dem Fernsehsender ITV sagte Johnsons Schwester Rachel am Mittwoch, sie hätte sich an Cummings' Stelle entschuldigt.

Das Liaison-Committee besteht aus den Vorsitzenden der ständigen Ausschüsse des Parlaments und ist das einzige, gegenüber dem der Regierungschef regelmäßig Rechenschaft ablegen muss. Es war Johnsons erster Auftritt als Premierminister dort. Der Vorsitzende des Liaison-Committees ermahnte den Premier, regelmäßig zu kommen./si/DP/fba