Von Telis Demos

NEW YORK (Dow Jones)--Das größte US-Geldhaus hält sich mit seiner Kreditvergabe immer noch etwas zurück und wartet auf den wirtschaftlichen Aufschwung. Die gute Nachricht des Quartalsberichts von JP Morgan: Das Wiederauftauchen der Delta-Variante von Covid-19 und die Verknappung der Lieferketten haben den starken Kern der Bank nicht getroffen. Die Bank löste weiterhin Rückstellungen für Kreditausfälle auf und senkte sogar ihre Prognose für die Nettoabschreibungen von Kreditkartenschulden 2021 von rund 2,5 Prozent zu Beginn des Jahres auf rund 2 Prozent.

Selbst das Kreditwachstum, das bisher insgesamt schwach ausfiel, da Verbraucher und Unternehmen auf riesigen Bargeldbeständen sitzen, zeigt eine gewisse Robustheit. Die Bank hob hervor, dass sich "die Kartenzahlungsraten stabilisiert haben" und meldete zum Quartalsende einen Anstieg der Kartenkredite im Vergleich zum Vorquartal.

Finanzchef Jeremy Barnum erklärte gegenüber Analysten, dass die Bank "Anzeichen dafür sieht, dass sich überschüssige Einlagen in Bevölkerungsgruppen, die daran traditionell festhalten, zu normalisieren beginnen." Das bedeutet im Gegenzug: Die Bargeldpolster einiger Leute nehmen ab und sie müssen in Zukunft möglicherweise sogar Kredite aufnehmen. Selbst das gewerbliche Immobilienkreditgeschäft der Bank habe jetzt potenziell eine wirklich robuste Zukunft vor sich.


   JP Morgan sitzt auf gigantischem Bargeldpolster 

Dennoch ist es keine Goldgrube. "Es wird Zeit brauchen", räumt Barnum über die weitere Erholung der Kartenkredite ein. Nach Unternehmensangaben legt die Kreditausnutzung bei mittelständischen Unternehmen zwar zu, bei größeren Unternehmen verharre sie jedoch auf einem stabilen, aber sehr niedrigen Niveau. Der durchschnittliche Gesamtkreditbestand von JP Morgan wuchs vom zweiten auf das dritte Quartal um 2 Prozent, etwas schneller als im zweiten Quartal, aber ähnlich wie im ersten Quartal.

Die Bank setzt jedoch auf die Zukunft, was sie heute etwas an Einnahmen kostet. Laut dem Konzern kletterten die Ausgaben fürs Marketing im Kreditkartengeschäft rasant und sie könnten sogar noch weiter steigen. Das Hinzufügen von Kunden erhöht das letztendliche Kreditvergabepotenzial der Bank, führt aber vorerst zu einem Rückgang der Erträge aus Kartenkrediten.

JP Morgan könnte seine Zinserträge jetzt generell steigern, indem es mehr von seinem riesigen Bargeldpolster - das größtenteils durch die Flut von Einlagen angetrieben wird - auf dem Markt einsetzt. Aber das tut das Geldhaus nicht. Die Bank verfügt theoretisch über Hunderte von Dollar-Milliarden an Barmitteln, die sie in höher verzinsliche Instrumente wie US-Staatsanleihen oder Hypothekenanleihen umschichten könnte. Aber der Quartalsdurchschnitt ihres Wertpapiervermögens schrumpfte vom zweiten zum dritten Quartal.


   JP Morgan spekuliert auf die Zukunft 

Die Bank erklärte zwar, dass die Zinssätze in letzter Zeit etwas gestiegen seien und eher ihren Erwartungen entsprechen, doch sind die angebotenen Zinssätze wegen der im System zirkulierenden Bargeldmenge immer noch recht niedrig. Bank-Chef James Dimon erklärte gegenüber Analysten, dass er die verfügbare Liquidität von JP Morgan als Vorbereitung auf eine mögliche Inflation betrachtet, die die Zinssätze und Kreditbeträge in der Zukunft in die Höhe treibt.

Generell scheint JP Morgan gut positioniert zu sein, um von einer Konjunkturbelebung zu profitieren, sobald sich die Lieferketten entwirren und die Nachfrage nach Krediten wieder zulegt. Das Unternehmen erhöht seinen Marktanteil bei den Privatkundeneinlagen und eröffnet weiterhin Filialen in neuen Märkten. Selbst unter dem Ertragsdruck der niedrigen Zinssätze rangiert die Kernkapitalquote der Bank immer noch über ihrem eigenen Zielwert. Und auch die geschätzte zusätzliche Verschuldungsquote hat sich im dritten Quartal gegenüber dem zweiten Quartal verbessert. Die Kapitalspeicher platzten aus allen Nähten, erläutert Dimon.


   Aktie entwickelte sich in diesem Jahr bisher solide 

Diese solide Grundlage führt jedoch nicht unbedingt zu kurzfristigen Kursgewinnen. Die insgesamt solide Aktienkurs-Entwicklung der Bank, die in diesem Jahr bisher um mehr als 25 Prozent zulegte, könnte der Sache im Moment sogar schaden. Die Attraktivität von Aktienrückkäufen für das Management nimmt nämlich ab, je höher die Bewertung der Aktie wird, die sich bereits um das 2,5-Fache des materiellen Buchwerts bewegt.

Natürlich könnte das Kapital, das andernfalls in Aktienrückkäufe fließen würde, später in einem viel besseren Ertragsumfeld eingesetzt werden. Die Aktionäre müssen sich möglicherweise auf eine etwas verzögerte Belohnung einstellen.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/DJN/axw/smh

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October 14, 2021 07:18 ET (11:18 GMT)