Zürich (Reuters) - Die Pleite der österreichischen Immobiliengruppe Signa stürzt die Privatbank Julius Bär in Turbulenzen.

Nach hohen Kreditverlusten und einer Halbierung des Jahresgewinns muss Konzernchef Philipp Rickenbacher den Hut nehmen. Die Privatbank dampft einen Teil des Kreditgeschäfts ein und streicht die Boni von Rickenbacher und fünf an den Kreditentscheiden beteiligten Geschäftsleitungsmitgliedern. "Mit der vollständigen Wertberichtigung ziehen wir einen Schlussstrich unter unser größtes Private-Debt-Engagement und eliminieren damit jedes weitere finanzielle Risiko aus dieser Position", erklärte Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher. Die Anleger reagierten erleichtert, die Aktie kletterte acht Prozent.

Er bedauere zutiefst, dass ein einziges Kreditereignis zu einem Gewinneinbruch geführt habe, erklärte Lacher. "Ich möchte mich bei unseren Aktionären, unseren Kunden und unseren Mitarbeitern entschuldigen." Die Kredite an Signa im Volumen von 586 Millionen Franken schreibt die Bank vollständig ab. Die Wertberichtigung führte zu einem Gewinnrückgang von 52 Prozent auf 454 Millionen Franken im vergangenen Jahr, den die Analysten so nicht erwartet hatten.

Bär sucht nun außerhalb der Firma nach einem neuen Konzernchef. "Dies wird einige Zeit in Anspruch nehmen", sagte Lacher. Bis ein neuer Konzernchef antrete, übernehme der stellvertretende CEO Nic Dreckmann das Steuer. David Nicol, der im Verwaltungsrat den Governance- und Risikoausschuss leitet, trete bei der nächsten Generalversammlung zurück.

"EINLAGEN BLIEBEN SEHR, SEHR STABIL"

Rickenbacher hatte den Chefposten 2019 mit dem Auftrag übernommen, das von Skandalen in Zusammenhang mit zweifelhaften Kunden gebeutelte Institut in ruhigere Gewässer zu steuern. Dies glückte ihm vorerst weitgehend, das Signa-Debakel beendete nun aber die lange Karriere des früheren McKinsey-Beraters bei der Bank. Bär habe unter der Leitung Rickenbachers die richtigen strategischen Schritte unternommen, erklärte Citi-Analyst Andrew Coombs. "Aber letztlich haben der hohe Verlust aus dem Signa-Engagement und der noch größere Verlust an Marktkapitalisierung und der Einfluss auf das Unternehmen dazu geführt, dass dies (der Rücktritt) irgendwie unvermeidlich wirkt." Auch Daniel Bosshard, Analyst der Luzerner Kantonalbank, begrüßte die personellen Konsequenzen. Dieser Schritt hätte aber schon viel früher geschehen müssen. "Der Reputationsschaden ist immens, da sich das Institut immer als reine Privatbank vermarktet hat."

Bär sehe indes bisher keine Anzeichen, dass Kunden als Folge der Kreditverluste Geld abzögen, sagte Finanzchefin Evie Kostakis. "Nach den Nachrichten über das größte Private-Debt-Engagement im November und Dezember gab es weitere Zuflüsse, und unsere Einlagen blieben sehr, sehr stabil." Im Gesamtjahr sammelte die Bank unter dem Strich 12,5 Milliarden Franken an frischem Geld ein. Zum Jahresende verwaltete Bär damit 427 Milliarden Franken. Die Bank profitierte früheren Angaben zufolge auch vom Untergang der Credit Suisse.

STRATEGIE BLEIBT

Die Bank Julius Bär gehört zu den größten Kreditgebern der Immobiliengruppe des Tiroler Investors Rene Benko. "Es gab zwar keine Verstöße gegen interne oder externe Regeln und Vorschriften, aber wir haben das Risiko im Zusammenhang mit diesem besonderen Engagement falsch eingeschätzt", sagte Lacher. Er wollte sich nicht direkt zur Frage äußern, ob die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma Druck auf einen Wechsel an der Firmenspitze gemacht habe. Der Präsident erklärte, der Rücktritt sei eine Entscheidung des Verwaltungsrates und Rickenbachers. "Wir sind unseren Berichtspflichten nachgekommen und haben unsere Entscheidungen natürlich mit unserer Aufsichtsbehörde, der Finma, besprochen." Die Finma erklärte, die Behörde stehe im Zusammenhang mit Signa seit einiger Zeit in engem Kontakt mit verschiedenen beaufsichtigten Instituten und habe frühzeitig Maßnahmen ergriffen. Signa ist das bisher prominenteste Opfer der Immobilienkrise in Europa.

Bär will das sogenannte Private-Debt-Geschäft, das sehr reichen Kunden Finanzierungen gegen zukünftige Cash Flows und nicht börsennotierte Wertpapiere zur Verfügung stellt, im Volumen von weiteren 0,8 Milliarden Franken bis Ende 2026 vollständig abwickeln. Herkömmliche Hypotheken- und Lombardkredite sollen dagegen im Angebot bleiben. An der Strategie will der Verwaltungsratspräsident nicht rütteln und weiterhin reiche und superreiche Kunden bedienen. "Wir haben nicht die Absicht, in andere Geschäftsbereiche zu expandieren, ins Privatkundengeschäft, ins Firmenkundengeschäft oder in andere Bereiche", machte Lacher klar.

(Redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Oliver Hirt und Noele Illien