FRANKFURT (dpa-AFX) - Störungen in den Lieferketten und deutlich gestiegene Kosten für Material, Energie und Logistik belasten den Gabelstapler-Hersteller Kion schwer. Der MDax-Konzern rechnet im dritten Quartal wegen gestiegener Kosten im Projektgeschäft mit einem Verlust im niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich, wie er am Dienstag nach Börsenschluss überraschend in Frankfurt mitteilte. Der Aktienkurs brach am Mittwochvormittag um mehr als ein Fünftel ein.

Kurz nach dem Handelsstart sackte der Kion-Kurs um bis zu 22 Prozent auf 26,21 Euro ab. Weniger hatten die Aktien zuletzt 2014 gekostet. Für die Papiere des Konkurrenten Jungheinrich ging es im Sog um knapp 5 Prozent abwärts. Seit dem Rekordhoch von 103,70 Euro gegen Ende 2021 hat Kion an der Börse damit nun schon auf fast drei Viertel an Wert eingebüßt. Der Börsenwert liegt inzwischen nur noch bei rund dreieinhalb Milliarden Euro. Größter Anteilseigner mit einem Aktienpaket von knapp 41 Prozent ist der chinesische Konzern Weichai Power.

Das Unternehmen war lange Zeit ein Profiteur der Corona-Krise. Das rasante Wachstum des Onlinehandels ließ viele Unternehmen reichlich Geld in den Ausbau und die Automatisierung ihrer Lagerhäuser und Lieferabläufe stecken. Der Boom scheint jetzt erst einmal vorbei. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) dürfte laut Kion im dritten Quartal bei minus 100 Millionen bis minus 140 Millionen Euro liegen. Ein Jahr zuvor hatte Kion hier noch knapp 229 Millionen Euro erwirtschaftet.

Der Auftragseingang werde voraussichtlich deutlich unter dem Niveau des Vorjahresquartals von gut 3,1 Milliarden Euro liegen. Den Konzernumsatz sieht Kion auf dem Vorjahresniveau von rund 2,6 Milliarden Euro. Der freie Mittelzufluss bleibe negativ. Er dürfte deutlich unter dem Niveau des zweiten Quartals 2022 liegen. Da hatte der Free Cashflow minus 159 Millionen Euro betragen. Die endgültigen Finanzergebnisse des dritten Quartals 2022 will Kion am 27. Oktober veröffentlichen.

Analyst Fabian Semon von der Investmentbank Oddo BHF nannte die Warnung "hässlich". Das Geschäftssegment Lieferketten (SGS) sei erstmals in seiner Geschichte verlustträchtig. Der Mittelwert der für das laufende Jahr in Aussicht gestellten bereinigten operativen Ergebnisspanne (Ebit) liege um 61 Prozent unter dem Analystenkonsens. Vor 2023 sei nicht mit merklichen Verbesserungen zu rechnen. Analyst William Turner von der US-Investmentbank Goldman Sachs verwies ebenfalls auf den Ausblick, der deutlich unter den Markterwartungen liege.

Für das laufende Jahr rechnet der Konzern mit Umsätzen von 10,45 bis 11,25 Milliarden Euro. Der Auftragseingang dürfte bei 11,6 bis 12,5 Milliarden Euro liegen. Beim bereinigten Ebit werden 200 bis 310 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Die ursprüngliche Prognose hatte Kion Anfang April wegen der Konjunkturunsicherheit zurückgezogen.

Ein großer Teil der Geschäftsentwicklung im dritten Jahresviertel sei durch das Kernsegment Supply Chain Solutions (SCS) geschuldet, teilte das Unternehmen weiter mit. Kion bietet in diesem Bereich Lieferketten-Lösungen etwa in Form von Sortiersystemen und automatisierten Lagersystemen an. Es gilt als Zukunftsgeschäft des Konzerns.

Für dieses Geschäft werde ein operativer Verlust von bis zu 190 Millionen Euro erwartet, hieß es. Belastend wirkten sich gestiegene Kosten für Material, Komponenten, Lohn und Logistik auf die mehrjährigen Projekte aus. Höhere Kosten könnten nur zu einem geringen Teil an Kunden weitergegeben werden. Hinzu kämen Störungen in den Lieferketten, die die Verfügbarkeit wichtiger Teile an den Projektstandorten verringerten. Damit würden Projekte ineffizient abgearbeitet, die Projektgesamtkosten stiegen.

Darüber hinaus hätten im Juli und August Kunden in dem Segment vereinzelt Aufträge storniert. Daher will Kion weitere Maßnahmen ergreifen, um die Projektmanagement-Prozesse sowie die Projektimplementierung zu verbessern. Damit soll den erheblichen Schwankungen in den Lieferketten begegnet werden. Die Maßnahmen würden aber ihre volle Wirkung aufgrund der Langfristigkeit des Projektgeschäfts erst zeitverzögert entfalten.

Derweil bestätigte das Management das mittelfristige Ziel, eine zweistellige bereinigte Ebit-Marge von 10 bis 12 Prozent zu erwirtschaften. Der Zeitrahmen dafür werde aber aufgrund des volatilen makroökonomischen Umfelds weiter überprüft, hieß es dazu. Ein Händler sprach mit Blick hierauf von einer "diplomatischen Formulierung" und rechnet damit, dass der Konzern die Mittelfristziele verschieben wird./mne/jha/mis/zb