HAMBURG (dpa-AFX) - Der ohnehin brummende Online-Handel hat durch die Corona-Krise noch mehr Schwung bekommen. Immer mehr Waren müssen immer schneller von A nach B. Eine zentrale Rolle kommt dabei nicht nur Versandunternehmen zu, ohne moderne Technik zur Steuerung des Warenflusses in den Lagern sowie zum Verladen geht heutzutage kaum etwas. Zu den bekanntesten Herstellern sogenannter "Flurförderzeuge" gehört Jungheinrich. Das Hamburger Traditionsunternehmen denkt aber schon länger weiter und hat noch viel mehr zu bieten.

DAS IST LOS BEI JUNGHEINRICH:

Die Geschichte der Hamburger Firma Jungheinrich reicht zurück bis ins Deutsche Kaiserreich. 1908 gründete Hermann Jungheinrich das Im- und Exporthaus H. Jungheinrich. Dessen ältester Sohn Friedrich stellte zunächst im väterlichen Betrieb Sackkarren, Hebelrollen und Handhubwagen her, die nach dem Zweiten Weltkrieg beim Wiederaufbau halfen, bevor er dann 1953 mit der H. Jungheinrich & Co. Maschinenfabrik den Grundstein für das heutige Unternehmen legte. In der Zeit des deutschen "Wirtschaftswunders" wurde Jungheinrich zum Weltkonzern. Der Börsengang erfolgte im Jahr der Wiedervereinigung.

2019 produzierte Jungheinrich fast 113 000 Flurförderzeuge. Im laufenden Jahr aber wurden auch die Hamburger nicht von der Corona-Pandemie verschont. In den ersten neun Monaten gingen Umsatz und Ergebnis von Jungheinrich wegen der Krise zurück. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern brach um fast ein Viertel auf gut 150 Millionen Euro ein.

Zuletzt zeigte sich Jungheinrich zuversichtlicher für das laufende Jahr, denn die Kundennachfrage hat sich seit mehreren Wochen sukzessive belebt. Deshalb erwartet der Staplerhersteller im Restjahr nun höhere Umsätze als zunächst gedacht. Zudem dürften sich die eingeleiteten Sparmaßnahmen weiter positiv im Ergebnis niederschlagen. Allerdings stellte der Vorstand die Prognose unter die Voraussetzung, dass es bis zum Jahresende nicht zu umfangreicheren weiteren Lockdowns aufgrund der Corona-Pandemie kommt.

Grundsätzlich ist das Unternehmen aber ein Profiteur des wachsenden Onlinehandels. Mit seinen automatisieren Lagersystemen können die Kunden den Warenfluss in ihren Lagern präzise steuern und so neuen Anforderungen wie immer schnelleren Lieferzeiten und geringeren Losgrößen gerecht werden. Zudem sorgt Jungheinrich mit Software für eine intelligente Lagerverwaltung und Warensteuerung.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Experten sind unter dem Strich optimistisch. Bei den im dpa-AFX Analyser vertretenen Fachleuten raten sieben zum Kauf und nur drei zum Halten der Jungheinrich-Aktien.

Das operative Ergebnis des Gabelstapler-Herstellers sei unerwartet stark ausgefallen, schrieb zum Beispiel der Experte Peter Rothenaicher von der Baader Bank. Doch Lob gab es vor allem für die frischen Unternehmensziele: "Der neue Ausblick fällt abermals herausragend aus", schrieb Fachmann Stefan Augustin vom Analysehaus Warburg Research.

Augustin hob vor allem die Kostenkontrolle und die im dritten Quartal auf bereinigter Basis nochmals deutlich stärkere Profitabilität positiv hervor. Experte Stefan Maichl von der Landesbank Baden-Württemberg ergänzte, Jungheinrich profitiere von seinem robusten, servicelastigen Geschäftsmodell. Stützend wirkten die intakten Sektortreiber E-Commerce und Lagerautomatisierung.

Derweil sollte die Corona-Krise nach Auffassung des Analysten Stephan Bauer vom Bankhaus Metzler nicht nur die Einführung automatisierter Lager beschleunigen, sondern auch zu einem Paradigmenwechsel bei Investitionsentscheidungen von Unternehmen führen. Denn Handels- und Logistikkunden von Jungheinrich dürften automatisierte Warenhäuser künftig nicht als "Nice to have", sondern als "Must have" betrachten. Diese Kundengruppe mache mehr als die Hälfte des Umsatzes von Jungheinrich aus.

Analyst Frederik Bitter von Privatbank Hauck & Aufhäuser strich gleichwohl seine Kaufempfehlung für die Jungheinrich-Aktien. Der Gabelstaplerhersteller sei zwar im Vergleich zu anderen Industrieunternehmen bisher gut durch die Corona-Krise gekommen, doch angesichts einer Kursverdoppelung der Aktie seit seiner Hochstufung im Mai werde die Bewertung den Fundamentaldaten nun gerecht und erscheine fair.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Jungheinrich-Papiere hangelten sich zu Beginn des Jahrtausends zunächst an der Marke von 3 Euro entlang. Etwas Schwung kam dann ab 2003 in die Aktienstory und die jahrelange Markterholung nach dem Platzen der Tech-Blase führte die Anteilsscheine im Frühjahr 2007 über 10 Euro. Bis zum Oktober desselben Jahres ging es dann noch einmal bis auf gut 12 Euro nach oben, doch wegen der globalen Finanzkrise büßten die Papiere bis Anfang 2009 mehr als 80 Prozent an Wert ein.

Vom Tief bei gut 2 Euro aber ging es innerhalb von knapp zwei Jahren wieder über 10 Euro. In den nächsten Jahren bis Anfang 2018 gab es zwar auch immer wieder mal Rücksetzer, doch der Trend zeigte nun nachhaltig nach oben. 2015 fiel die Schwelle von 20 Euro und nur ein Jahr später wurde die 30-Euro-Marke geknackt. Im Ein-Jahres-Rhythmus ging es dann weiter und im Oktober 2017 kostete eine Jungheinrich-Aktie erstmals mehr als 40 Euro, doch die Party für die Aktionäre sollte bald enden.

Anfang 2018 erreichten die Aktien noch das Rekordhoch von rund 43 Euro, bevor Inflationsängste und die damit verbundenen weltweiten Sorgen vor steigenden Zinsen auch die Jungheinrich-Papiere mit nach unten rissen. Auffällig ist jedoch, dass die Anteilscheine im folgenden Jahr nicht an der allgemeinen Markterholung teilnahmen, sondern um knapp sechs Prozent nachgaben. Ende 2019 notierten die Papiere nur noch bei 21,50 Euro.

Im laufenden Jahr sorgte dann die Corona-Krise für den nächsten Kurssturz. Die Aktien sollten bis März auf rund 10 Euro absacken. Doch genauso schnell wie es nach unten gegangen war, erholten sich die Anteilsscheine auch wieder. So ging es quasi in einem Zug bis auf fast 38 Euro per Ende Oktober nach oben.

Dank der jüngsten Kursrally hat sich auch das Chartbild deutlich aufgehellt. So notiert der Kurs seit Anfang November über der 21-Tage-Durchschnittslinie, welche die kurzfristige Dynamik beschreibt. Auf mittlere Sicht bewegen sich die Papiere seit Ende Oktober über der 50-Tage-Linie und langfristig zeigt der Trend schon seit mehreren Monaten nach oben.

Aktuell bringt es das Unternehmen an der Börse auf einen Wert von rund 3,7 Milliarden Euro. Damit hinkt die Marktkapitalisierung der des Konkurrenten Kion noch ein gutes Stück weit hinterher. Der bring es auf 8,4 Milliarden Euro./la/bek/knd/mis