Von Carol Ryan

NEW YORK (Dow Jones)--Europas Luxusmarken haben die Pandemie und die Inflation bisher bestens weggesteckt. Aber der schwankende Modegeschmack kann ihnen immer noch zu schaffen machen. Die Aktien des Gucci-Eigentümers Kering gaben zuletzt um 5 Prozent als Reaktion auf die zuvor veröffentlichten Quartalsergebnisse nach. Zwar schnellten die Umsätze in den drei Monaten bis März im Vergleich zum Vorjahr um 21 Prozent empor. Aber die Marke Gucci, Kerings wichtigster Umsatz- und Gewinnbringer, schien bei den chinesischen Käufern zu schwächeln, da die Umsätze des Labels in der Asien-Pazifik-Region um 6 Prozent zurückgingen. Das Management machte dafür die erneuten Corona-Lockdowns auf dem chinesischen Festland verantwortlich, obwohl nur ein Zehntel der Gucci-Läden dort während eines typischen Monats im Quartal geschlossen war. Zugleich konnte das zweitgrößte Label Saint Laurent, das zugegebenermaßen etwas weniger von chinesischen Kunden abhängig ist, seinen Umsatz in Asien dennoch um 15 Prozent verbessern.

Die Sorge, ob Gucci seinen Trend beibehalten kann, hat die Kering-Aktie lange Zeit unbeständiger gemacht als die des wichtigsten Konkurrenten LVMH. Zu diesem wird Kering derzeit mit einem Abschlag von 30 Prozent auf die prognostizierten Gewinne gehandelt. Das Geschäft von LVMH ist breiter gefächert, und die Umsätze von Marken wie Christian Dior sowie Louis Vuitton scheinen weniger von plötzlichen Trendwechseln betroffen zu sein. Die Aktionäre der wichtigsten europäischen Luxusmarken machen sich möglicherweise über die falschen Dinge Sorgen. So haben die fünf größten Luxusaktien der Region seit Jahresbeginn durchschnittlich 15 Prozent ihres Wertes verloren. Der Grund: Die Anleger beunruhigen sich über die Inflation, steigende Zinsen und die möglichen Auswirkungen des Krieges zwischen Russland sowie der Ukraine auf die Weltwirtschaft und die Nachfrage nach Luxusgütern.


   Modetrends als Unsicherheitsfaktor 

Doch bislang gibt es keine Anzeichen für eine Abschwächung des Geschäfts. Von den größten Luxusmarken, die bereits ihre Ergebnisse für das erste Quartal vorgelegt haben - Hermès, LVMH und Kering - konnten alle ihren Umsatz um mindestens 20 Prozent nach oben schrauben. In Europa hat die Nachfrage laut Kering wieder das Niveau der Vorpandemie erreicht. Früher wurde die Hälfte des Umsatzes in der Region mit Touristen erwirtschaftet, und das Unternehmen hat dieses verlorene Geschäft inzwischen durch einheimische Käufer ersetzt. Die Inflation bremst die Ausgaben nicht, auch wenn Luxusmarken die Preise stärker anheben als die meisten anderen Unternehmen.

LVMH stellte keine Veränderung des Kaufverhaltens fest, nachdem es Anfang des Jahres einige seiner Louis Vuitton-Handtaschen um 20 Prozent verteuerte. Das nicht-börsennotierte Unternehmen Chanel hat sich während der gesamten Pandemie am aggressivsten verhalten. Für eine kleine klassische Tasche mit Überschlag, die im November 2019 rund 5.200 Dollar kostete, muss heute 8.200 Dollar hingeblättert werden, so eine Analyse von Jefferies. Die Pandemieeinschränkungen in China bedeuten, dass das zweite Quartal für Luxusmarken, die einen großen Teil ihres Umsatzes auf diesem wichtigen Markt machen, wahrscheinlich schwieriger sein wird. Für die stärkeren Marken dürfte dies jedoch nur eine vorübergehende Erscheinung sein. Die Launen der Mode sind immer noch die größte Bedrohung für Marken wie Gucci.

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April 22, 2022 09:34 ET (13:34 GMT)