Von Carol Ryan

NEW YORK (Dow Jones)--Die Trennung von Guccis Designer war für den Mutterkonzern Kering eine unvermeidliche Entscheidung. Einen geeigneten Nachfolger zu finden, wird viel schwieriger sein. Der Kreativdirektor der italienischen Marke, Alessandro Michele, tritt mit sofortiger Wirkung zurück, teilte Kering diese Woche mit, und es gibt noch keinen Nachfolger.

Seit seiner ersten Laufstegshow Anfang 2015 hat Alessandro Michele den Umsatz von Gucci mehr als verdoppelt und den Betriebsgewinn verdreifacht, was als eine der erfolgreichsten Umstrukturierungen einer Luxusmarke seit Jahrzehnten gilt. Seit 2020 ist die Marke jedoch ins Wanken geraten, da seine Designs nicht mehr so beliebt sind.

Nach einem starken Lauf wies die in Paris notierte Kering-Aktie in den vergangenen zwei Jahren eine der schlechtesten Kursentwicklungen des Luxussektors auf. Und sie wird aktuell mit einem Abschlag von 25 Prozent gegenüber den Konkurrenten gehandelt, gemessen an den prognostizierten Gewinnen.

Darin spiegelt sich die Überzeugung der Anleger wider, dass die Erträge des Unternehmens anfälliger für Veränderungen der unbeständigen Modetrends sind als die der Konkurrenten LVMH und Hermès. Kering ist in hohem Maße von Gucci abhängig, das im vergangenen Jahr 74 Prozent des operativen Gewinns der Gruppe erwirtschaftete, während es im Jahr von Micheles Amtsantritt noch 63 Prozent waren.


Kering verschleißt zuhauf Kreativdirektoren 

Kering hat gute Arbeit bei der Erneuerung mehrerer Marken geleistet, die in die Jahre gekommen waren, wie Bottega Veneta und Balenciaga. Aber die Konzentration auf Trends statt auf klassische Designs bedeutet, dass das Unternehmen viele Kreativdirektoren austauscht.

Bottega Veneta hat bereits den dritten Designer in weniger als einem Jahrzehnt. Dieser Ansatz kann zu einem Auf und Ab führen, da die Looks bei den Käufern mal mehr und mal weniger beliebt sind. Während dies bei kleineren Labels nicht unbedingt ein Problem ist, sind die meisten Luxuskonglomerate bei den Marken, die den Löwenanteil ihrer Gewinne erwirtschaften, vorsichtiger.

Louis Vuitton, das im Besitz von LVMH ist und nach Schätzungen von Bernstein im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 18 Milliarden Euro erzielte, hat in den letzten 25 Jahren nur zweimal den Designer gewechselt. Gucci nahm 9,7 Milliarden Euro ein.

Das nicht-börsennotierte Unternehmen Chanel hat in vier Jahrzehnten zweimal den Kreativdirektor gewechselt. Keine der beiden Marken hat ihr Erscheinungsbild bei den Wechseln dramatisch verändert.

Die Entscheidung von Kering, wer als Nächstes für Gucci entwirft, ist besonders wichtig, da das Unternehmen zögerlich zu sein scheint, Geld für Fusionen und Übernahmen in die Hände zu nehmen. Kürzlich verlor das Unternehmen das Bieterrennen um Tom Ford, der Marke eines anderen ehemaligen Gucci-Chefdesigners, gegen Estée Lauder. Das Unternehmen ging für 2,8 Milliarden US-Dollar an den Konkurrenten.

Seit 2010 hat Kering nur ein einziges Geschäft im Wert von mehr als 1 Milliarde Euro getätigt, und zwar für die Brillenmarke Maui Jim. Der Erzrivale LVMH hat in diesem Zeitraum allein für vier Deals mindestens 26 Milliarden Dollar ausgegeben: Bulgari, Loro Piana, Belmond und Tiffany & Co.

Unter Micheles kreativer Leitung bei Gucci schaffte Kering eine jährliche Aktionärsrendite von 20 Prozent - eine sehr robuste Zahl nach den meisten Standards, sie liegt aber hinter den 25 Prozent, die LVMH und Hermès erzielten.

Im Idealfall würde Kering einen Designer finden, der Gucci in die zeitlosere Richtung seiner Konkurrenten lenkt. Ein weniger frecher Look könnte abenteuerlustige Luxuskäufer enttäuschen, aber er würde dazu beitragen, die unmodische Aktie von Kering wieder zu beleben.

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November 25, 2022 10:11 ET (15:11 GMT)