Die Bundesregierung stehe zu der Selbstverpflichtung der Nato-Länder in Wales, die Ausgaben bis 2024 weiter Richtung zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen, versicherte sie US-Präsident Donald Trump. Allerdings zeigt sich schon bei den laufenden Haushaltsverhandlungen der großen Koalition, dass dies alles andere als einfach ist. Denn die BIP-Bindung internationaler Verpflichtungen im Verteidigungs- und Entwicklungsbereich bringt die Regierung nun genauso in die Bredouille wie die Festlegung im Koalitionsvertrag, dass für jeden Euro mehr für Verteidigung auch ein Euro mehr für Entwicklungshilfe ausgegeben werden muss.

Will die Koalition ihre beiden Zusagen erfüllen, muss sie in den kommenden Jahren zweistellige Milliardenbeträge zusätzlich in die Hand nehmen - internationale Glaubwürdigkeit steht plötzlich gegen innenpolitische Ausgabewünsche. Denn die Haushälter, die sich gerne als Hüter eines ausgeglichenen Bundesetats sehen, machen eine einfache Rechnung auf, die die Dimension des Problem verdeutlicht: Bei einem BIP von 3,26 Billionen Euro 2017 würde schon eine 0,1-prozentige Steigerung des Wachstums theoretisch Mehrausgaben von 3,26 Milliarden Euro bedeuten - nur um die Quote der deutschen Militärausgaben auf dem prozentualen Niveau zu halten. Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel hatte deshalb schon in Wahlkampf die Festlegung seiner eigenen Regierung kritisiert, dass diese 70 Milliarden für Verteidigung aufwenden müsste, um auf das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu kommen.

Noch bedenklicher ist aus Sicht der Haushälter, dass laut Koalitionsvertrag dieselbe Summe dann noch einmal in die Entwicklungshilfe fließen müsste. Das Dilemma: Je stärker die Wirtschaft wächst, desto größer wird das Finanzierungsproblem - zumal Wachstum nicht unbedingt parallel zu Steuermehreinnahmen des Bundes verläuft.

Nun betont man auch in der Bundesregierung, dass niemand plane, bis 2024 wirklich auf zwei Prozent der Verteidigungsausgaben zu kommen. Aber zumindest der Wachstumspfad müsse stimmen, heißt es in Regierungskreisen. Darauf drängt nicht nur Trump, sondern auch die wichtigsten EU-Partner wie Frankreich oder Polen. Deshalb kam Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen für ihr Ressort auf einen Mehrbedarf von zwölf Milliarden Euro in der laufenden Wahlperiode. Die mittelfristige Finanzplanung von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht aber bisher bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 nur eine Steigerung des Wehretats von 5,5 Milliarden Euro vor.[nL8N1S60DM]

Erschwerend kommt hinzu, dass Ausgaben für Verteidigung, Außen und Entwicklung im Koalitionsvertrag bis auf eine Erhöhung von insgesamt zwei Milliarden Euro bis 2021 nicht einmal als Priorität verankert wurden. Das garantiert CDU, CSU und SPD Jahr für Jahr nervenaufreibende Haushaltsverhandlungen und Unruhe.

Dazu kommt, dass bei der Berechnung der sogenannten ODA-Quote für die Entwicklungshilfe zwei Neuerungen eintreten. Zum einen wird die deutsche Quote trotz der Versprechen im Koalitionsvertrag sinken, weil die Ausgaben für die Betreuung von Flüchtlingen nur vorübergehend eingerechnet werden dürfen. Weil die Zahl der Neuankömmlinge in Deutschland aber stark sank, rutschte die deutsche ODA-Quote trotz steigender Ausgaben für Hilfen im Ausland bereits im vergangenen Jahr auf 0,66 Prozent und damit unter die UN-Selbstverpflichtung der Industriestaaten von 0,7 Prozent am BIP. Im Jahr 2018 dürfte sie trotz weiter steigender Zahlungen erneut bröckeln, wahrscheinlich unter 0,6 Prozent - was international ein schiefes Licht auf die Anstrengungen der Bundesregierung wirft.

Dazu kommt eine Neuberechnung der ODA-Quote, bei der künftig bei Milliardenkrediten etwa der KfW nicht mehr der gesamte Betrag, sondern nur noch die Differenz zwischen verbilligten Zinssätzen und den auf dem Märkte üblichen Konditionen einberechnet würden. Mittelfristig kann dies zwar ein Vorteil sein, weil zurückgezahlte Kredite wieder von der ODA-Quote des betreffenden Jahren abgezogen werden - kurzfristig kann dies die Quote aber zusätzlich senken.

Das alles klingt zwar nach spröder Haushaltstechnik, ist aber hoch politisch. Denn in der Öffentlichkeit dienen diese Prozentzahlen als politisches Kampfinstrument: Trump betonte beim gemeinsamen Auftritt mit Merkel, dass die Nato-Staaten "ihre Zusage erfüllen (müssten), zwei Prozent und hoffentlich noch mehr des Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung auszugeben". Und die Kanzlerin steht unter Druck, sich international zu den Zielen zu bekennen - denn Deutschland wird als reiches Land wahrgenommen.

Innenpolitisch setzt nun eine doppelte Kritik an den BIP-Bindungen ein. "Die Grünen hatten in den Sondierungsverhandlungen die Orientierung am Bruttoinlandsprodukt generell infrage gestellt - weil dies nichts über die Sinnhaftigkeit der Ausgaben aussagt", sagt etwa der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, zu Reuters. Mehr Geld für Verteidigung empfinde er angesichts mangelnder Effizienz der Bundeswehr und in Europa nur "verbranntes" Geld. Bei der Entwicklungshilfe plädiert er zwar für größere Finanzmittel, kritisiert aber auch hier die mangelnde Evaluierung unter Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU).

Und die Koalitionshaushälter schrecken auf, seit die internationalen Ziele anders als in früheren Jahren ernsthaft verfolgt werden. Denn das könnte theoretisch die schwarze Null in Gefahr bringen. "Als Haushaltspolitiker sehe ich verbindliche Quoten für den Bundeshaushalt kritisch", sagte der Chefhaushälter der Unions-Bundestagsfraktion, Eckhardt Rehberg, am Montag zu Reuters. Denn die Quoten würden den Haushaltsgesetzgeber unzulässig einengen und die hohen absoluten Geldbeträge würden aus dem Blick geraten. Deshalb geht schon der Scherz um, dass eigentlich nur eine Rezession Entlastung bringen könnte.