Von Megha Mandavia

AUSTIN, TEXAS (Dow Jones)--Am Freitag vergangener Woche twitterte Tesla-Chef Elon Musk, dass sein Unternehmen nirgendwo eine Produktionsstätte errichten werde, wo es nicht zuerst Autos verkaufen und auch warten darf. Sein Tweet war die Antwort auf die Frage eines Nutzers nach Plänen, Elektroautos in Indien zu produzieren. Seit drei Jahren streiten sich Indien und Tesla über den Marktzugang und die Bedingungen, unter denen Tesla dort produzieren würde.

Die Regierung von Premierminister Narendra Modi möchte, dass Tesla von Anfang an Autos vor Ort herstellt. Musk pocht auf niedrigere Kfz-Einfuhrsteuern, die derzeit bis zu 100 Prozent betragen können. Es scheint, als wolle Tesla zuerst den Markt mit importierten Fahrzeugen testen, bevor das Unternehmen eine Produktionsstätte in Indien in Planung nimmt.


   Kurzsichtigkeit oder Kalkül? 

Die mangelnde Kompromissbereitschaft Indiens scheint kurzsichtig zu sein, da die strenge chinesische Covid-Kontrollpolitik viele ausländische Unternehmen dazu veranlasst, sich ernsthaft um eine Diversifizierung ihrer Fabrikstandorte zu bemühen. Die indische Regierung könnte hingegen befürchten, dass eine Importlockerung für Tesla die Pläne, andere Elektroauto-Hersteller ins Land zu holen, erschweren würde. Indiens eigener Markt für solche hochwertigen Elektroautos ist immer noch winzig.

Außerdem könnte Indien Gefahr laufen, den Wettlauf mit dem nickelreichen Indonesien zu verlieren. Der indonesische Präsident besuchte Musk Anfang Mai in Texas. Lokale Medien hatten über optimistische Äußerungen des indonesischen Investitionsministers berichtet, die vermuten lassen, dass bereits Verhandlungen über ein Tesla-Werk in Indonesien im Gange sind. Das südostasiatische Land hat schon beträchtliche Investitionen im Bereich der Elektroautobatterien von Unternehmen wie etwa von LG Energy Solution und Chinas Contemporary Amperex Technology angezogen.

Indien strebt bis 2030 an, dass 30 Prozent der Privatfahrzeuge und 70 Prozent der Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb verkauft werden. Unterstützend wurden Anreize für die Herstellung und die Förderung der Nachfrage geschaffen. Doch trotz des offensichtlichen Potenzials und des rasanten Wachstums ist der Anteil der E-Autos an den gesamten Autoverkäufen derzeit noch sehr gering und liegt nur bei etwa einem Prozent. Beliebter sind hingegen E-Zweiräder. Der Durchschnittspreis der in Indien verkauften Autos liegt bei 926.708 indischen Rupien, was rund 12.000 US-Dollar entspricht. Das geht aus Daten von JATO Dynamics, einem Marktforschungsunternehmen für die Automobilindustrie hervor. Der durchschnittliche Preis für einen Tesla beträgt allerdings 52.200 US-Dollar.


   Gemischte Erfolgsbilanz 

Für Indien sprechen einige Faktoren. Da sind vor allem die große Bevölkerung und die günstigen Arbeitskräfte. Woran es jedoch fehlt, sind ausreichend vorhandene Rohstoffe für Batterien.

Indiens Erfolgsbilanz bei der Anwerbung von Investitionen anderer Elektroauto-Hersteller ist bislang gemischt. Während Mercedes-Benz plant, in diesem Jahr einen lokal gefertigten EQS als Elektroversion der S-Klasse-Limousine auf den Markt zu bringen, hat sich Ford kürzlich von seinen Plänen zur Herstellung von Elektroautos in Indien komplett verabschiedet.

Wenn Indien mit Südostasien, geschweige denn mit China, als Drehscheibe für Elektroautos konkurrieren will, braucht es entweder einen großen und lukrativen Inlandsmarkt oder eine exportfreundliche Politik. Die Brüskierung des weltgrößten Elektroauto-Herstellers ist eine denkbar schlechte Werbung.

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June 01, 2022 04:30 ET (08:30 GMT)