DANBURY/PULLACH (dpa-AFX) - Die Geschäfte könnten für den weltgrößten Gasekonzern Linde nicht besser laufen. Für das laufende Jahr zeigt sich der Dax-Konzern dank einer hohen Nachfrage aus der Gesundheits- und Elektronikindustrie sowie zyklischen Branchen zunehmend optimistischer und erhöhte zuletzt erneut die Messlatte für den Jahresgewinn. Dies spiegelt sich auch im Aktienkurs wider. Die wichtigsten Punkte für den Konzern, was Experten sagen und wie es für die Aktie läuft.

DAS IST LOS BEI LINDE:

Linde ist seit der Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair 2018 der weltgrößte Anbieter von Industriegasen. Der Konkurrent der französischen Air Liquide beliefert die Auto-, Öl-, Chemie- und Metallindustrie genauso wie Lebensmittelhersteller und Krankenhäuser. Den Löwenanteil der Umsätze und Gewinne erwirtschaftet Linde in der Region Amerika, rund 25 Prozent der Erlöse kommen aus Europa und rund 20 Prozent aus Asien.

Die Geschäfte laufen immer besser. Im zweiten Quartal machte der Konzern erneut mehr Gewinn und erhöhte abermals das Ertragsziel für 2021. Vor allem profitiert der Konzern von einer hohen Nachfrage aus der Gesundheits- und Elektronikindustrie sowie zyklischen Branchen. Mit Blick auf die Zukunft ist Konzernchef Steve Angel zuversichtlich, dass das Linde ein weiteres hervorragendes Jahr liefern wird.

Der ehemalige Praxair-Chef Angel führt Linde nach US-Stil: Das Unternehmen schüttet jedes Quartal eine Dividende aus und bilanziert in Dollar. Zudem startete der Konzern Anfang des Jahres ein neues Aktienrückkaufprogramm. Linde will bis Mitte 2023 Papiere für bis zu fünf Milliarden Dollar erwerben.

Seit dem Zusammenschluss trimmt Angel den Konzern auf Profitabilität. Allein im Gasegeschäft sei die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland seit August 2018 über Freiwilligenprogramme und nicht wieder besetzte Stellen von knapp 3900 auf knapp 2700 gesunken, hieß es zuletzt aus Arbeitnehmerkreisen. Nun sollen weitere 500 Arbeitsplätze in Deutschland bis Ende 2022 gestrichen werden. Weltweit beschäftigte Linde plc Ende Juni rund 71 700 Mitarbeiter, das waren gut sechs Prozent weniger als noch vor einem Jahr.

Derweil will der Linde-Chef künftig das Geschäft mit Wasserstoff deutlich ausbauen. Der Konzern erzielt laut Angel schon heute mehr als zwei Milliarden Dollar Umsatz mit Produktion, Vertrieb, Speicherung und Anwendung von Wasserstoff. "Und angesichts der erwarteten Investitionsvorhaben von mehr als 100 Milliarden Dollar denke ich, dass sich unser Wasserstoffgeschäft in Zukunft vervierfachen könnte", sagte er vor einigen Monaten. Gerade bei großen Transportmitteln wie Lastwagen, Zügen, Fähren und Bussen werde sich Wasserstoff zuerst durchsetzen.

Das Unternehmen will die Zahlen für das dritte Quartal am 28. Oktober vorlegen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Die meisten Branchenexperten sind mit Blick auf die Linde-Aktie positiv gestimmt. Von den von dpa-AFX seit Juli erfassten elf Experten empfehlen neun die Aktie zum Kauf. Zwei Analysten sprechen sich dafür aus, die Papiere zu halten. Keiner rät zum Verkauf.

Die Zahlen zum zweiten Quartal haben laut Analyst Markus Mayer von der Baader Bank über den Erwartungen gelegen. Infolge dessen habe Linde zwar das Gewinnziel für 2021 angehoben. Mayer hält die neue Jahresprognose nach der Geschäftsentwicklung im zweiten Jahresviertel jedoch immer noch für zu vorsichtig. Denn er rechnet im abgelaufenen dritten Quartal mit noch besseren Ergebnissen als im Vorquartal. Die saisonale Struktur des Konzerns werde Linde eine starke Leistung im Schlussquartal ermöglichen.

Analyst Thorsten Strauß von der NordLB zeigte sich über die jüngste Entwicklung und die Anhebung der Prognose positiv überrascht. Linde gelte eigentlich als wenig anfällig für konjunkturelle Schwankungen und hätte daher auch weniger stark von der wirtschaftlichen Erholung nach der Lockerung der Corona-Beschränkungen profitieren sollen. Dank einer komfortablen Auftragslage und einer Vielzahl von langfristigen Projekten sei Linde zudem gut für künftiges Wachstum aufgestellt.

Nach Einschätzung von Analyst Sebastian Bray von der Privatbank Berenberg sollte Linde dank seiner guten Positionierung die aktuellen Lieferengpässe und logistischen Probleme der Industrie bewältigen können. Aufgrund der minimalen Rohstoffkosten und der lokalen Produktion, die wenig Transportprobleme mit sich bringe, werde Linde trotz der aktuellen Situation weiter gut abschneiden. Zudem biete Wasserstoff und die Energiewende eine große Chance für Linde, auch wenn die Umsetzung etwas dauern dürfte.

Nach Ansicht von Analyst Charles Webb von der US-Investmentbank Morgan Stanley werden gegen Ende des Jahres Nachfrage und Profitabilität zwar im europäischen Chemiesektor weiter gesund bleiben. Die Furcht vor einer Normalisierung halte aber an.

Das Schlussquartal wird Analyst Andrew Stott von der Schweizer Großbank UBS zufolge ein harter Test für die Chemieunternehmen. Aufgrund der aktuellen Entwicklung der Autobranche sowie Chinas habe er die Gewinnerwartungen für 2021 und 2022 ein wenig reduziert. Es sei aber nicht an der Zeit, die Segel zu streichen. So reflektierten die Aktienkurse bereits die schlechten Nachrichten und die Autobranche könnte 2022 schon wieder mehr Rückenwind liefern.

SO LIEF DIE AKTIE ZULETZT:

Im Zuge des Corona-Crashes musste die Linde-Aktie 2020 bis Mitte März kräftig Federn lassen. Innerhalb weniger Wochen knickte der Kurs um mehr als ein Drittel auf rund 130 Euro ein. Doch der Einbruch ist längst Geschichte. Nachdem sich vor allem die Industrieunternehmen schneller als erwartet von den Folgen der Pandemie erholt haben, legte die Linde-Aktie mit kleinen Rückschlägen kräftig zu und kletterte jüngst von einem Rekordhoch zum nächsten.

Zuletzt kostete die Aktie rund 267 Euro und damit gut doppelt so viel wie beim Corona-Tief 2020. Die Anteile von Linde Plc legten seit dem Abschluss der Fusion Ende Oktober 2018 um etwas mehr als 80 Prozent zu. Sie knüpften mit ihrer Entwicklung bisher nahtlos an die Gewinne der Anteile an der Linde AG an. Diese hatten sich seit dem Sommer 2016, als die beiden Unternehmen zum ersten Mal über einen Zusammenschluss gesprochen hatten, um fast 40 Prozent verteuert.

Linde ist mit einem Börsenwert von derzeit rund 137 Milliarden Euro nach dem Softwarekonzern SAP (153 Mrd Euro) die Nummer zwei im Dax, vor Siemens (120), dem Autokonzern Volkswagen (118) und Airbus (88). Der französische Konkurrent Air Liquide kommt derzeit nur auf einen Börsenwert von knapp 68 Milliarden Euro.

Mitte August 2016 - also vor den ersten Berichten über eine Fusion mit Praxair - kam Linde gerade mal auf etwas mehr als 25 Milliarden Euro Börsenwert und lag damit noch in der unteren Hälfte des deutschen Leitindex./mne/nas/jha/