DANBURY/PULLACH (dpa-AFX) - Die Auswirkungen der weltweiten Coronavirus-Pandemie hinterlassen auch beim weltgrößte Gasekonzern Linde ihre Spuren in der Bilanz. Das ursprüngliche Gewinnziel für das laufende Jahr kappte das Dax-Unternehmen im Mai. Dank seines Sparkurses rechnet Linde allerdings mit einem höheren Überschuss als im Vorjahr. Großes Potenzial sieht der Konzern im Geschäft mit so genanntem grünen Wasserstoff, das er kräftig ausbauen will. Die wichtigsten Punkte für das Unternehmen, was die Experten sagen und wie es für die Aktie läuft.

DAS IST LOS BEI LINDE:

Linde ist seit der Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair im Jahr 2018 der weltgrößte Anbieter von Industriegasen. Der Konkurrent der französischen Air Liquide beliefert die Auto-, Öl-, Chemie- und Metallindustrie genauso wie Lebensmittelhersteller und Krankenhäuser. Den Löwenanteil seiner Umsätze und Gewinne erwirtschaftet Linde in Amerika, jeweils gut 20 Prozent der Erlöse kommen aus Europa und Asien. Weltweit beschäftigt die Linde plc 80 000 Mitarbeiter. Hauptaktionäre sind angelsächsische Investoren.

Die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie treffen die Geschäfte von Linde, wenn auch nicht so stark wie bei vielen seiner Kunden. Das Gewinnziel für 2020 reduzierte der Vorstand Anfang Mai zwar, rechnet aber für das Gesamtjahr mit einem höheren Überschuss als im Vorjahr. Im zweiten Quartal fiel der bereinigte Gewinn auf vergleichbarer Basis im fortgeführten Geschäft trotz eines Umsatzrückgangs mit rund eine Milliarde Dollar so hoch aus wie im Vorjahr. Dazu trugen auch Sparmaßnahmen bei.

"Mit Blick auf die Zukunft sind die vollen Auswirkungen von Covid-19 und die Geschwindigkeit der Erholung ungewiss", sagte Linde-Chef Steve Angel Ende Juli bei Vorlage der Zahlen zum zweiten Quartal. Die Wachstumschancen seien jedoch wegen eines hochwertigen Projektbestands, defensiver Endmärkte und des Trends zu einer sauberen Luft weiter stark. Angel zeigte sich zuversichtlich, dass Linde in jedem Umfeld die Ergebnisse steigern könne.

Seit dem Zusammenschluss trimmt Vorstandschef Angel den Konzern auf Profitabilität. Dies kam Linde 2019 zugute - trotz schwacher Konjunktur erzielte der Konzern mehr Gewinn. Um noch profitabler zu werden, will Angel im deutschen Gasegeschäft 834 der rund 7000 Stellen abbauen. Ob Linde über die in Deutschland mit der IG Metall vereinbarten Arbeitsplätze hinaus weitere Jobs streicht, hängt jüngsten Äußerungen des Konzernlenkers zufolge von der wirtschaftlichen Entwicklung ab.

Künftig will der Linde-Chef vor allem das Geschäft mit Wasserstoff stark ausbauen. Linde erzielt laut Angel schon heute mehr als zwei Milliarden Dollar Umsatz mit Produktion, Vertrieb, Speicherung und Anwendung von Wasserstoff. "Und angesichts der erwarteten Investitionsvorhaben von mehr als 100 Milliarden Dollar denke ich, dass sich unser Wasserstoffgeschäft in Zukunft vervierfachen könnte", sagte er. Gerade bei großen Transportmitteln wie Lastwagen, Zügen, Fähren und Bussen werde sich Wasserstoff zuerst durchsetzen.

Linde legt an diesem Donnerstag (5. November) seine Zahlen für das dritte Quartal 2020 vor.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Von den zehn im dpa-AFX-Analyser seit Ende Juli gelisteten Experten empfehlen acht die Anteilsscheine zum Kauf. Zwei Analysten sprechen sich dafür aus, die Papiere zu halten. Bei keinem Experten lautet der Rat, die Aktie zu verkaufen.

Nach Ansicht von Analyst Anthony Manning von der Privatbank Berenberg bietet das Wachstum der Wasserstoffnachfrage im Zuge zunehmender Umweltbemühungen langfristig reichlich Potenzial für Gasekonzerne wie Linde. Kurzfristig aber dürfte sich das aber kaum auf die Gewinn auswirken. Auch für UBS-Analyst Andrew Stott sind nach Aussagen des chinesischen Präsidenten Xi Jinping zur Dekarbonisierung des Landes bis 2060 die Anlegererwartungen für einen stärkeren Fokus auf Erneuerbare Energien gestiegen. Die Gasehersteller Air Liquide und Linde hätten die Technologie für eine CO2-Abscheidung und -Speicherung.

Für das dritte Quartal rechnet Analyst Geoff Haire von der Schweizer Großbank UBS damit, dass Linde von Juli bis September einen Volumenrückgang aus eigener Kraft hinnehmen musste. Die Preise konnte der Konzern seiner Ansicht nach hingegen leicht erhöhen. Beim bereinigten Gewinn dürfte das Unternehmen mit 1,97 Dollar je Aktie die eigene Prognose übertroffen haben.

Mit etwas weniger rechnet Analyst Markus Mayer von der Baader Bank. Er geht zudem davon aus, dass Linde sein Ziel für den bereinigten Gewinn je Aktie auf 7,70 bis 7,90 Dollar erhöht. Bei Vorlage der Quartalszahlen steht UBS-Analyst Haire zufolge die Entwicklung der Preise, der Auftragsbestand und die Marge im Fokus.

SO LIEF DIE AKTIE ZULETZT (Stand 4. November, 11.30 Uhr):

Im Zuge des Corona-Crashs musste auch die Linde-Aktie bis Mitte März kräftig Federn lassen. Vom zuvor erreichten Höchststand von 208,60 Euro knickte ihr Kurs um gut 37 Prozent auf 130,45 Euro ein. Mit dem Rückschlag auf das tiefste Niveau seit Herbst 2018 wurde ein Großteil der seit Frühjahr gleichen Jahres laufenden Rally in kürzester Zeit wieder zunichte gemacht.

Doch der harte Einschlag in den Depots der Linde-Anleger ist schon wieder Geschichte. Nachdem sich die Lage zumindest in Europa etwas entspannt hat und die Hoffnung auf eine halbwegs schnelle Erholung der Wirtschaft gestiegen ist, legte die Linde-Aktie wieder kräftig zu - und hat mit derzeit gut 199 Euro die Verluste aus dem Crash fast wieder aufgeholt.

Seit Jahresbeginn hat das Papier damit trotz des Corona-Einbruchs um mehr als vier Prozent zugelegt. Kurz zuvor hatte das Papier auch dank des jüngsten Wasserstoff-Hypes bei fast 222 Euro sogar ein Rekordhoch erreicht.

Die Aktien sind seit einiger Zeit gefragt - der Zusammenschluss von Praxair und Linde hat sich für die Investoren bislang ausgezahlt. Seit Ende Oktober 2018 wird die Aktie des fusionierten Unternehmens Linde Plc im Dax gehandelt und hat seitdem mehr als ein Drittel gewonnen - damit liegt das Papier in diesem Zeitraum im Dax-Spitzenfeld.

Die Anteile der Linde Plc knüpften mit ihrer Entwicklung bisher nahtlos an die Gewinne der Anteile an der Linde AG an. Diese hatten sich seit dem Sommer 2016, als die beiden Unternehmen zum ersten Mal über einen Zusammenschluss gesprochen hatten, um fast 40 Prozent verteuert.

Linde ist mit einem Börsenwert von derzeit 106 Milliarden Euro nach dem Softwarekonzern SAP (116 Mrd Euro) die Nummer zwei im Dax, vor Siemens (90) und Volkswagen (VW) (68). Mitte August 2016 - also vor den ersten Berichten über eine Fusion mit Praxair - kam Linde gerade mal auf etwas mehr als 25 Milliarden Euro Börsenwert und lag damit noch in der unteren Hälfte des deutschen Leitindex./mne/bek/eas/fba