(neu: Aussagen aus Calls, Kurs aktualisiert, weitere Analystenstimme)

STUTTGART (dpa-AFX) - Der Autobauer Mercedes-Benz kann im widrigen Umfeld aus Chipkrise und Ukraine-Krieg weiter auf die hohen Verkaufspreise am Markt setzen. Trotz geringerer Verkäufe erzielte das Unternehmen bei Umsatz und Ergebnis deutliche Steigerungen. Dass der weitgehende Rückzug aus Russland wegen des Angriffskriegs in der Ukraine viel Geld kostet und die mangelnde Halbleiterversorgung die Produktion stört, bremst den Konzern dabei nur wenig. Die von Konzernchef Ola Källenius eingeleiteten Kostensenkungen tun ihr Übriges. Die Aktie legte am Mittwoch kräftig zu, auch weil das Unternehmen im Rahmen seiner Prognosen etwas zuversichtlicher wurde.

Das Papier gewann am Mittag rund 3,6 Prozent auf 65,20 Euro und lag damit in der Spitzengruppe im Leitindex Dax. In den letzten Monaten war der Kurs insbesondere mit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine spürbar unter Druck gekommen und hatte sich zuletzt nur zögerlich erholt. Analyst Jose Asumendi von der US-Großbank JPMorgan sprach von einem sehr starken Quartal. Sowohl Umsatz als auch operatives Ergebnis seien besser ausgefallen als von ihm und dem Markt erwartet. Es stehe nun zunehmend zur Debatte, ob das Management den Ausblick nicht anheben sollte.

Dazu rang sich das Management nämlich nicht durch - Finanzchef Harald Wilhelm stellte aber bei der bereinigten operativen Marge der Pkw-Sparte in diesem Jahr gleichwohl einen Wert am oberen Ende der Prognosespanne von 11,5 bis 13 Prozent in Aussicht. Preise und Modellmix sollten auf einem hohen Niveau bleiben, hieß es vom Unternehmen.

Allerdings will Wilhelm wegen einiger Risiken Vorsicht walten lassen. Zum einen dürften sich die hohen Gebrauchtwagenpreise, von denen Mercedes über Leasing-Rückläufer profitiert, im Laufe des Jahres nicht mehr ganz so positiv entwickeln wie in der jüngeren Vergangenheit und daher eher bremsen. "Wenn Gebrauchtwagenpreise über den Listenpreisen liegen, dann ist das vielleicht nicht ein Zustand auf Dauer", sagte Wilhelm.

In China drohen mögliche Lockdowns wegen der Covid-Pandemie sowohl die Produktion in Peking wie auch die Lieferketten zu stören. Auch der Krieg in der Ukraine und der Chipmangel könnten die Produktion weiter beeinträchtigen.

Nicht zuletzt dürfte die Inflation die Kosten für Material, Energie und Personal stärker steigen lassen als noch zu Jahresbeginn gedacht. Mercedes versuche weiterhin, dem mit Preissteigerungen und Rabattkürzungen entgegenzuwirken, sagte Wilhelm in einer Telefonkonferenz. Dafür brauche es aber die richtigen Produkte. Im ersten Quartal habe die Mehrbelastung aus steigenden Rohmaterialpreisen mit rund einer halben Milliarde Euro zu Buche geschlagen.

Womöglich ist die bestätigte Prognose aber auch Taktik. So sieht es zumindest Experte Daniel Schwarz von der Investmentbank Stifel. Er nehme an, dass sich das Management etwas Spielraum nach oben lassen wolle für den im Mai geplanten Investorentag und die kommenden Quartale, schrieb er in einer ersten Einschätzung.

Der Konzernumsatz aus fortgeführten Geschäften stieg im ersten Quartal um 6 Prozent auf 34,9 Milliarden Euro, wie die Stuttgarter mitteilten. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern kletterte dank des guten Preisumfelds für Neu- und Gebrauchtwagen sowie wegen Kosteneinsparungen um 19 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro - wenn man nur die Geschäfte betrachtet, die Mercedes nach der Abspaltung des Lkw-Konzernteils Daimler Truck weiterführt.

Die Pkw-Sparte erzielte mit 16,4 Prozent eine für die Branche sehr hohe bereinigte operative Gewinnmarge - üblicherweise dringen nur reine Luxusmarken wie die VW-Sportwagentochter Porsche in diese Gefilde vor. Ein Jahr zuvor hatte Mercedes hier 14,7 Prozent erreicht. Goldman-Sachs-Experte George Galliers nannte die Umsatzrendite beeindruckend. Dass Mercedes durch Preiserhöhungen und Verlagerung auf teurere Modelle die hohen Rohstoffkostensteigerungen habe abfangen können, sei ein Beleg für den verstärkten Fokus auf Luxus im Angebot.

Seit einigen Quartalen sorgt die hohe Nachfrage nach Autos bei gleichzeitig eingeschränkter Verfügbarkeit für hohe Preise bei Neu- und Gebrauchtfahrzeugen. Die Lieferzeiten sind lang, Rabatte müssen die Händler kaum noch einräumen. So kam es, dass Mercedes-Benz bei den Pkw trotz eines um zehn Prozent gesunkenen Absatzes auf rund 487 000 Autos den Umsatz um 8 Prozent steigern konnte.

Vor allem die teuren Modelle wie das Flaggschiff S-Klasse, die Luxusmarke Maybach, die getunten Sportmodelle von AMG und weitere lukrative Fahrzeuge verkaufen sich gut - auch deshalb, weil Mercedes die knappen Chips vorrangig in diese und in die Elektroautos einbaut. Die Top-Modelle wuchsen beim Absatz um 5 Prozent, die elektrifizierten Autos um 19 Prozent.

Unter dem Strich stand für die Aktionäre ein Gewinn von 3,5 Milliarden Euro, was auch wegen der Abspaltung von Daimler Truck knapp ein Fünftel weniger ist als ein Jahr zuvor. Aus dem fortgeführten Geschäft erzielte Mercedes einen kleinen Gewinnanstieg.

Für den weitgehenden Rückzug aus den Geschäften in Russland musste der Konzern 709 Millionen Euro aufwenden, weitere 281 Millionen Euro wurden für die Dieselaffäre fällig. Bei der Abarbeitung der Diesel-Altlasten sei das Unternehmen auf einem guten Weg, sagte Wilhelm. Demgegenüber stand ein Sonderertrag von 918 Millionen Euro unter anderem für den Verkauf von Niederlassungen in Kanada.

Der Gaslieferstopp Russlands nach Polen und Bulgarien habe auf die Werke des Unternehmens nach ersten Erkenntnissen keinen direkten Einfluss, sagte Wilhelm. Beim Strom sei der Konzern bereits auf erneuerbare Energien umgestiegen. Über Effekte eines möglichen Gaslieferstopps nach Deutschland wollte er nicht spekulieren - Gas nutzt Mercedes seinen Angaben zufolge vor allem in Lackieranlagen, aber auch zum Heizen von Fabrikhallen./men/nas/stk