Kidderminster (Reuters) - Der lange Abschied vom Verbrennungsmotor für Autos bringt viele Zulieferer in Bedrängnis - denn bis sie die Früchte der Elektromobilität einfahren können, dauert es.

In der Zwischenzeit müssen Maschinen gekauft und neue Technologien finanziert werden, während zugleich der Umsatz mit Verbrennertechnik langsam aber sicher zurückgeht. Evtec Alumium, ein kleiner Zulieferer mit zwei Werken in England, hat die Abkehr von der früheren Zukunftstechnologie Diesel nur knapp überlebt.

Vor einem Jahrzehnt galt der Dieselmotor in der Europäischen Union als Weg in eine grünere automobile Zukunft - und Evtec, das damals noch Liberty Aluminium hieß, investierte Millionen in neue Anlagen, die Teile für die Hauptkunden, die Tata Motors-Tochter Jaguar Land Rover, produzieren sollten. Viele von ihnen stehen noch in den Hallen, die Kredite dafür müssen immer noch abbezahlt werden. Der Dieselskandal bei Volkswagen hat die Technologie zum Auslaufmodell gemacht.

"Wir haben gedacht, dass Diesel die Zukunft ist", sagte Evtec-Direktor Brett Parker bei einem Rundgang durch die halb leeren Hallen des Unternehmens in Kidderminster in den Midlands, dem historischen Kernland der britischen Autobranche.

"Wir haben leider auf das falsche Pferd gesetzt." Ein Investor brachte die Rettung: Im vergangenen Jahr übernahm eine Gruppe um den Investor David Roberts das Unternehmen und will es nun fit für die Elektromobilität machen. "Für mich war klar, dass ich investieren muss", sagte Roberts.

DIE GROSSEN VERSUCHEN DEN SPAGAT

Während kleine Firmen wie Evtec alles auf eine Karte setzen müssen, versuchen große Zulieferer wie Vitesco oder Schaeffler den Spagat zwischen Alt und Neu: Sie investieren in Elektromobilität und verdienen gleichzeitig Geld mit Verbrennerteilen. Vitesco etwa will bis 2030 rund 70 Prozent seines Umsatzes mit Elektroauto-Teilen erwirtschaften. Im Januar soll das Unternehmen in zwei Divisionen umorganisiert werden - eine wachsende reine Elektro-Sparte und eine zweite Division, in der die Technologie gebündelt werden soll, die auch für Verbrennerautos genutzt werden kann. "Wir müssen die notwendigen Finanzmittel generieren, damit wir in die Zukunft investieren können", sagte Vitesco-Chef Andreas Wolf. "Ich kann nicht wachsen ohne Geld."

"Die Firmen, die Teile für Motoren und Antriebe herstellen, müssen sich auf die größten Anpassungsschmerzen einstellen, weil sie am wenigsten Geschäft in eine Elektro-Welt mitnehmen können", sagte Auto-Experte Mark Wakefield von der Beratungsfirma AlixPartners. Einige Autohersteller haben bereits davor gewarnt, dass viele Stellen wegfallen könnten, weil die Wertschöpfung im Antrieb eines Elektroautos - die Batteriezellen ausgenommen - nur bei rund einem Drittel eines Verbrennungsmotors liegt.

"MÜSSEN ALLE DURCH UNSER EIGENES TAL DES TODES"

Weniger Teile heißt auch weniger Zulieferer. Diese müssen entweder ihr Geschäft auf Elektromobilität umbauen oder sich neue Kunden suchen, sei es die Schwerindustrie, seien es Hersteller von Haartrocknern. Oder sie scheiden über kurz oder lang aus dem Geschäft aus. "Die Leute müssen verstehen, dass der Umbau mit Kosten verbunden ist", sagte Evtec-Investor Roberts. "Wir müssen alle durch unser eigenes Tal des Todes, um es zu den Elektroautos zu schaffen, aber für einige Zulieferer wird es viel schwerer."

Schon jetzt kostet der Wandel Jobs. So baut der weltweit viertgrößte Autobauer Stellantis etwa sein Werk im französischen Tremery um - statt Diesel- sollen dort Elektromotoren hergestellt werden. Die Zahl der Mitarbeiter sank auf 2400, 2019 waren es noch 3000. Und viele weitere Stellen werden nicht nachbesetzt, wenn jemand in Rente geht. Bosch stellt sein Werk in Rodez im Süden Frankreichs von Diesel-Einspritzdüsen um und will dort unter anderem Brennstoffzellen herstellen - 750 von 1250 Stellen fallen weg.

Dabei könne man mit Verbrennertechnologie durchaus noch Geld verdienen, sagt Unternehmensberater Bernd Bohr. Die anteiligen Entwicklungskosten seien oft marginal, die Maschinen seien abgeschrieben und der Wettbewerbsdruck nehme ab. Wer es schaffe, sich am Markt als Konsolidierer zu positionieren, könne noch viele Jahre Freude an dem Geschäft haben. "Gekniffen sind die kleineren Unternehmen, weil diese als 'last man standing' eher nicht in Frage kommen und von den Autoherstellern als erste aussortiert werden", sagt Berater Bohr.

(Geschrieben von Christina Amann. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

- von Nick Carey und Christina Amann