Von Dan Gallagher

NEW YORK (Dow Jones)--Womöglich kann nur ein etablierter Videospielhersteller die Branche wirklich umkrempeln. Das Ziel dieser Neuausrichtung wäre dann, endlich verbreitetes Cloud-Gaming Realität werden zu lassen.

Das Potenzial für Microsoft, eine solche Rolle zu übernehmen, ist schon seit einer Weile offensichtlich. Und die neuesten Ambitionen, die das Unternehmen verkündet hat, machen seine Absicht deutlich, ein bedeutender Akteur dabei zu sein. Microsoft gab zuletzt bekannt, dass es an neuen Geräten arbeite, die das Streaming von Spielen ermögliche. Außerdem kooperiere das Unternehmen mit TV-Herstellern bei Geräten, die Spiele ohne weitere Hardware außer einem Controller ermöglichten.

Das Unternehmen plant zudem, in den kommenden Wochen Webbrowser-basiertes Cloud-Gaming einzuführen, zusammen mit einer Funktion, die später in diesem Jahr auf die Xbox-Konsole kommt und es Spielern ermöglicht, Testversionen von Spielen zu streamen, bevor sie sie kaufen. Microsoft-Chef Satya Nadella schloss sich Xbox-Chef Phil Spencer an, um Cloud-Gaming als "wahrhaft bahnbrechende Erfahrung" zu verkünden.

Cloud-Gaming, bei dem Spieler Videospiele von Servern streamen, anstatt sie auf ihre Konsolen oder PCs herunterzuladen, hat bereits einige bemerkenswerte Versuche gesehen. Aber keiner war in der Lage, sowohl die technologischen Herausforderungen als auch das Geschäftsmodell zu überwinden. Der prominenteste Versuch war Google mit seinem Stadia-Dienst, der Ende 2019 startete. Etwas mehr als ein Jahr später schraubte der Alphabet-Konzern seine Ambitionen deutlich zurück und schrieb seine Bemühungen ab, große exklusive Spiele für den Dienst zu entwickeln.


   Technik steckt voller Tücken 

Mit ihren Netzwerken, die schnell wachsende Cloud-Computing-Dienste antreiben, schienen Google, Amazon und Microsoft am besten geeignet zu sein, um die technischen Hürden für das Streaming von Spielen zu lösen. Das Problem dabei ist, dass Spiele von weit entfernten Servern zusammengeschaltet werden müssen. Zugleich ist es essentiell, dass die Reaktionszeit auf die Steuerungen der Spieler in Sekundenbruchteilen erfolgt. Cloud-Gaming-Dienste erfordern auch die Verfügbarkeit beliebter Spiele - idealerweise unbegrenzt spielbar gegen eine monatliche Abo-Gebühr. Das erfordert die Unterstützung von Publishern, die immer noch größtenteils auf den Verkauf von Spielen als kostenpflichtige Downloads oder Plastik-Discs im Einzelhandel angewiesen sind.

Als solches scheint nur Microsoft alle notwendigen Teile des Puzzles in seiner Hand zu halten. Sein Azure-Cloud-Service bietet ein starkes technisches Rückgrat sowie die geschäftliche Motivation, wenn man bedenkt, wie wichtig Microsofts Cloud-Fokus für den Wiederaufschwung des Unternehmens und einen Marktwert von fast 2 Billionen US-Dollar ist. Das Unternehmen bringt auch eine große installierte Basis von Konsolennutzern und Abonnenten für seine Xbox-Live- und Game-Pass-Dienste mit. Dazu verfügt Microsoft über mehrere große Spiele-Rechte, die es mit der Übernahme des Spiele-Publishers Bethesda Softworks weiter aufgestockt hat. "Xbox und Azure sind natürliche Bettgenossen", merkt Analyst Colin Sebastian von Baird an.


   Branche zielt auf Abo-basierte Streaming-Modelle 

Eine solche Position ist aber noch keine Garantie für Erfolg. Videospiele sind in der Vergangenheit bei der Umstellung auf digitale Vertriebsformate hinter anderen Medienkategorien zurückgeblieben. Aber die Industrie nimmt derzeit Tempo auf. Electronic Arts etwa teilte seinen Anlegern zuletzt mit, dass 62 Prozent aller Spieleinheiten im Geschäftsjahr, das im März endete, als digitale Downloads verkauft wurden. Das entspricht einem Anstieg um 13 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr.

Abo-basierte Streaming-Modelle sind der nächste Schritt in dieser Entwicklung. Und sie scheinen für Videospiele unvermeidlich zu sein, da sich die Medienkonsumenten schnell an solche Dienste in anderen Bereichen gewöhnen. Ungefähr 83 Prozent der Einnahmen aus Tonträgern in den USA kamen im vergangenen Jahr aus dem Streaming, verglichen mit weniger als 7 Prozent im Jahr 2010. Damals machten bezahlte Downloads und CD-Verkäufe noch den Großteil der Einnahmen der Branche aus, so Daten des Branchenverbandes RIAA. Streaming hat sich auch als Wachstumstreiber für die Musikbranche erwiesen, da der Gesamtumsatz der Branche in dieser Zeit um 74 Prozent in die Höhe geschossen ist. Wenn Microsoft dazu beitragen kann, eine solche Verschiebung bei Spielen anzuführen, werden seine Investoren gerne ein fröhliches Liedchen summen.

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June 11, 2021 10:14 ET (14:14 GMT)