MENLO PARK (dpa-AFX) - Beim US-amerikanischen Tech-Konzern Facebook drücken die Corona-Krise und der Boykott durch Werbekunden aus Protest gegen Hassreden im Internet auf das Wachstumstempo. Facebook wird schon seit längerem vorgeworfen, nicht genügend gegen Hasstiraden und falsche Aussagen im Netz vorzugehen. Das Unternehmen steht aber auch wegen seines Umgangs mit dem Datenschutz und Wettbewerbsverzerrungen im Visier der Behörden. Trotz all der Kritikpunkte kannte die Aktie seit dem Corona-Tief im März bis vor kurzem nur eine Richtung - und zwar nach oben. Was bei dem Konzern los ist, wie Analysten ihn aktuell sehen und wie die Aktie zuletzt lief.

DAS IST LOS BEI FACEBOOK:

Facebook ist vor allem wegen seines gleichnamigen sozialen Netzwerks bekannt. Neben dem namensgebenden Onlineportal gehören auch die bei der jüngeren Zielgruppe beliebte Foto-App Instagram sowie der Chatdienst WhatsApp dazu. Dominierend ist aber immer noch das Stammportal mit seinen inzwischen insgesamt 2,6 Milliarden aktiven Nutzern pro Monat. Mit Instagram und WhatsApp kommt der Konzern auf monatlich 3,14 Milliarden Nutzer. Zudem plant Facebook eine eigene digitale Währung. Allerdings stößt Libra in Europa auf Skepsis.

In den vergangenen Jahren ist Facebook dank der Werbeumsätze stark gewachsen. Zuletzt verlor das Wachstum aber an Tempo. Der Umsatz legte im zweiten Quartal im Jahresvergleich um elf Prozent auf 18,7 Milliarden Dollar (rund 15,8 Mrd Euro) zu. In den ersten Juli-Wochen habe es ein ähnliches Wachstum gegeben, teilte Facebook Ende Juli mit. Vor der Krise waren in Facebooks Geschäft Wachstumsraten von über 20 Prozent an der Tagesordnung.

Das soziale Netzwerk verdient sein Geld fast ausschließlich mit Werbung - und in der Corona-Krise schalten vor allem viele kleine Unternehmen wie Cafés, Restaurants oder Handwerker weniger Anzeigen. Zugleich waren in den vergangenen Wochen auch viele große Werbekunden dem Aufruf gefolgt, bei Facebook keine Anzeigen zu schalten, um gegen die Verbreitung von Hassrede und falscher Informationen bei dem Online-Netzwerk zu protestieren. Im Juli folgten über 1000 Werbekunden - darunter Schwergewichte wie Coca-Cola und der Konsumgüterriese Unilever - dem Boykottaufruf von Bürgerrechtsgruppen und stoppten zeitweise Anzeigen bei Facebook.

Seit einiger Zeit fährt nun Facebook einen härteren Kurs gegenüber potenziell gefährlichen Informationen. So löschte Facebook seit April mehr als sieben Millionen Beiträge mit Informationen zum Corona-Virus, die dem Online-Netzwerk zufolge die Gesundheit von Menschen gefährden könnten. Rund 98 Millionen weniger gefährliche Inhalte mit zweifelhaften Informationen seien mit Warnhinweisen versehen worden. Dabei geriet der Konzern auch mit US-Präsident Donald Trump aneinander.

Zudem arbeitet Facebook laut "New York Times" an Vorkehrungen für den Fall, dass US-Präsident Donald Trump sich auf der Plattform über die Ergebnisse der Wahl im November hinwegsetzt. Dabei gehe es auch um die Möglichkeit, dass Trump fälschlicherweise verkünde, für weitere vier Jahre gewählt worden zu sein, schrieb die Zeitung. Das Online-Netzwerk überlege auch, wie es reagieren werde, wenn Trump versuchen sollte, die Ergebnisse der Wahl am 3. November für ungültig zu erklären - etwa, weil die Post per Brief verschickte Stimmzettel verloren habe. Das Online-Netzwerk wurde im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 für aus Russland geführte Propaganda-Kampagnen missbraucht.

In Europa steht Facebook wegen der strengeren Datenschutzvorschriften immer wieder im Konflikt mit den Behörden. So wies der irische Datenschutzbeauftragte Facebook an, keine Daten der europäischen Nutzer in die USA zu übertragen. Der Europäische Gerichtshofs (EuGH) hatte im Juli die Datenschutzregelung "Privacy Shield" für ungültig erklärt und damit eine der wichtigen Rechtsgrundlagen für den Transfer personenbezogener Daten europäischer Bürger in die USA für nichtig erklärt.

Ohnehin müssen sich die Technologieunternehmen aus den USA hierzulande auf mehr Gegenwind durch die Politik einstellen. Dabei geht es im Wahljahr nicht nur um Datenschutz sowie Falschinformationen und Hassreden im Internet. Die Bundesregierung will etwa mit einer Gesetzesnovelle den Kartellbehörden mehr Befugnisse bei der Kontrolle großer Digitalkonzerne wie Google, Facebook und Amazon geben.

Auch in den Staaten selbst droht Facebook Ungemach. So bereitet die US-Handelskommission FTC nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg ein mögliches Kartellverfahren gegen den Internetkonzern vor. Noch in diesem Jahr könnte die Behörde demnach ein Verfahren eröffnen um zu klären, ob das Unternehmen gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen habe, berichtete Bloombergund bezog sich dabei auf eine mit der Sache vertraute Person. Eine endgültige Entscheidung sei jedoch noch nicht gefallen, hieß es weiter. Das Unternehmen äußerte sich auf Nachfrage nicht dazu.

Die FTC beschäftigt sich bereits seit Juni 2019 mit dem Internetkonzern. Im Kern geht es um die Frage, ob die Übernahmen von Firmen wie Instagram und WhatsApp dazu genutzt wurden, den Wettbewerb im Markt auszuschalten oder nicht. Konzernchef Mark Zuckerberg wurde bereits im vergangenen Monat von der Behörde befragt. Die Eröffnung eines Verfahrens gegen das Unternehmen erfordert eine Mehrheitsentscheidung des fünfköpfigen Führungsgremiums der US-Handelskommission.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die acht im dpa-AFX Analyser erfassten Analysten, die ihre Einschätzung seit Mai aktualisiert haben, empfehlen allesamt die Facebook-Aktie zum Kauf. Im Schnitt schreiben sie dem Papier ein Kursziel von rund 304 Dollar zu. Ähnlich positiv sieht es bei den von Bloomberg gesammelten Daten aus - hier raten 47 der 53 erfassten Analysten zum Kauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 287 Dollar.

Die Experten zeigten sich durch die Bank positiv überrascht von den Zahlen zum zweiten Quartal. Der Umsatz und das operative Ergebnis (Ebitda) haben laut Analyst Ross Sandler von der britische Investmentbank Barclays die Erwartungen übertroffen. Das Werbegeschäft des Sozialen Netzwerks erweise sich in diesen Rezessionszeiten als widerstandskräftiger im Vergleich zu den meisten anderen digitalen Plattformen

Die Umsatzentwicklung von Facebook sollte laut Analyst Eric Sheridan von der Schweizer Großbank UBS zufolge von der zunehmenden Bedeutung des Onlinehandels profitieren. Trotz steigender regulatorischer Hürden und des guten Laufs der Aktie seit Jahresbeginn sieht er das Papier positiv.

Nach Ansicht von DZ-Bank-Analyst Ingo Wermann dürfte Facebook wegen seiner enorm hohen Nutzerbasis auch künftig überproportional von der Verlagerung von Werbebudgets auf Onlinekanäle profitieren. Wie bereits bei der sehr erfolgreichen Funktion "Stories", die Facebook vom Wettbewerber Snapchat abgekupfert habe, kopiere das Unternehmen mit "Reels" die weltweit sehr beliebte Video-App "TikTok" des chinesischen Anbieters Bytedance. Mit "Reels" biete sich eine große Chance, die Nutzbasis zu vergrößern und zu verjüngen. Damit dürfte das Unternehmen noch mehr Werbeeinnahmen generieren.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Dem vom Coronavirus ausgelösten weltweiten Börsen-Crash im Frühjahr konnten sich auch die Facebook-Aktien nicht entziehen. In nur vier Wochen brachen sie um ein Drittel ein. Dann aber setzte eine Erholung ein, die in eine fulminante Rally überging. Um mehr als das Doppelte ging es in gut fünf Monaten nach oben, von Kursen unter 140 US-Dollar Mitte März auf das Rekordhoch von etwas mehr als 300 Dollar Ende August. Zu diesem Zeitpunkt war das Netzwerk fast 900 Milliarden Dollar wert.

Angesichts dieser Dimensionen sprach Analyst Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets von "spektakulären Bewertungsniveaus" großer US-Technologie-Unternehmen. Die Anleger investierten in die Unternehmen, die von der aktuellen wirtschaftlichen Situation am meisten profitierten. "Dabei entsteht ein Rudelverhalten: Wenige Aktien werden von vielen Investoren gekauft, womit auch das Risiko von Überbewertungen und spekulativen Übertreibungen steigt", warnte der Experte.

Diese Sicht setzte sich zuletzt zumindest ansatzweise durch: Im Zuge einer allgemeinen Kursschwäche an der Technologiebörse Nasdaq - Investoren strichen Gewinne ein - gerieten auch Facebook-Aktien unter Druck. Zuletzt kosteten sie 272 Dollar und damit rund zehn Prozent weniger als Ende August.

Über die vergangenen zwölf Monate verteuerte sich die Aktie allerdings um 45 Prozent und damit in etwa so stark wie der Nasdaq 100. Seit September 2015 entwickelte sich die Facebook-Aktie mit einem Aufschlag von fast 200 Prozent aber besser als der US-Technologieauswahlindex. Das 2004 gegründete Unternehmen wurde 2012 zu 38 Dollar je Aktie an die Börse gebracht. Nach einer Schwächephase in den ersten Wochen und Monaten, in denen das Papier bis auf 17,55 Dollar abgesackt war, ging es bis auf kleine Unterbrechungen stets bergauf.

Der Kursanstieg hat Unternehmensgründer und Konzernchef Zuckerberg zu einem der reichsten Männer der Welt gemacht. Die Nachrichtenagentur Bloomberg bezifferte den Wert seines Vermögens zuletzt auf etwas mehr als 100 Milliarden Dollar und liegt damit hinter Amazon-Chef Jeff Bezos (187 Mrd Dollar), Microsoft-Gründer Bill Gates (124 Mrd) und Tesla-Chef Elon Musk (108 Mrd Dollar) auf Rang vier der Milliardärs-Rangliste von Bloomberg.

Zuckerberg hält den Großteil der sogenannten B-Aktien von Facebook, die nicht an der Börse gehandelt werden, aber ein zehnfaches Stimmrecht haben. So kommt er auf mehr als die Hälfte der Stimmrechte und kann Facebook so kontrollieren, obwohl er nur zirka 14 Prozent am Kapital hält./mne/bek/eas/nas/stk