München (Reuters) - Bröckelnde Lieferketten und geopolitische Spannungen werden die Nachfrage nach Industrierobotern nach den Erwartungen des Schweizer Herstellers ABB ankurbeln.

Viele Unternehmen wollten Produktion aus fernen Ländern nach Deutschland oder in andere europäische Länder zurückverlagern (Re- und Near-Shoring), sagte der für die Robotik-Sparte zuständige Vorstand Sami Atiya am Montagabend im Münchner Club Wirtschaftspresse. In Deutschland seien es einer Umfrage unter ABB-Kunden zufolge 86 Prozent, in Europa 74 Prozent. Widerstandsfähigkeit in Krisen und Flexibilität seien für die Unternehmen inzwischen wichtiger als Just-in-time-Produktion. Dies und der Mangel an Fachkräften veranlassten die Firmen, auf Automatisierung zu setzen: "Es gibt keine Branche, die nicht nach Robotern ruft - selbst die Baubranche" sagte der frühere Siemens-Manager.

Der Elektrotechnik-Konzern ABB sieht sich bei Industrierobotern weltweit als Nummer zwei hinter der japanischen Fanuc. Im vergangenen Jahr seien in Europa 78.000 Industrieroboter installiert worden, 15 Prozent mehr als ein Jahr zuvor und so viele wie nie. 22.000 gingen davon nach Deutschland. Dabei hatte ABB in der Sparte zuletzt selbst mit Engpässen zu kämpfen. Lieferketten-Probleme, der Halbleiter-Mangel und ein Lockdown in Shanghai, wo eine der drei großen ABB-Roboterfabriken weltweit steht, drückten auf die Margen.

"Es bessert sich gerade, aber es ist noch nicht vorbei", sagte Atiya mit Blick auf die Nachschub-Probleme. "Das wird noch einige Quartale dauern." Der Auftragsbestand habe sich zuletzt verdoppelt, weil die Orders nicht abgearbeitet werden konnten. "Das Geschäft ist gesund, wir hatten nur zwei schwierige Quartale", sagte Atiya. In Shanghai könne nun wieder gefertigt werden. Trotz der sich anbahnenden Konjunkturkrise in Europa gebe es bisher auch keine Stornierungen. "Wir werden uns in diesem Quartal verbessern." China gilt als größter Roboter-Markt der Welt. Dort kommen nach Branchendaten 246 Roboter auf 10.000 Arbeitskräfte, bis 2025 sollen es 500 werden. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 371 pro 10.000 Beschäftigte.

Für ABB gehöre die Roboter-Sparte zum Kerngeschäft, betonte Atiya. "Darüber gibt es keine Diskussion." Auch ein Börsengang der Sparte sei kein Thema. Die ABB-Aktionäre hatten kürzlich beschlossen, die Turbolader-Sparte Accelleron an die Börse zu bringen.

(Bericht von Alexander Hübner, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)